
Früher hat Dietholf Schröder alles gemacht, was Show und Action war. Heute wirkt der gebürtige Karlstadter lieber im Hintergrund, muss es nicht mehr nach außen tragen. "Viele Menschen und jubelndes Publikum, das hat Dietholf Schröder mal gebraucht", sagt er selbst über sich. Er spricht dabei in der dritten Person, als würde er von einem anderen Menschen erzählen. Dieser "frühere" Mensch war unter anderem Chef des Karlstadter Stadtmarketings, Leiter im Servicebereich eines Coronamasken-Herstellers und im Anzeigengeschäft der Main-Post tätig. "Heute brauche ich das alles nicht mehr", sagt er und wechselt wieder in die Gegenwart.
Als Sohn einer katholischen Mutter und eines evangelischen Vaters, wurde Schröder zunächst evangelisch getauft, später aber "der guten Ordnung halber" katholisch umgemeldet. Er war Oberministrant in Retzstadt und sagt selbst, dass dort die Wurzeln seiner Gläubigkeit liegen. Eines Tages kam es zum Bruch mit der römisch-katholischen Kirche. Der Grund für seinen Austritt war der Missbrauchsskandal. "Pädophilie – ich konnte mir in meinen kühnsten Träumen nicht vorstellen, dass es das überhaupt gibt", erinnert er sich.
Philipp Tropf als Wegbegleiter und Mentor
Seinen Lebensunterhalt bestreitet Schröder heute als Betreiber des Waldfriedhofs in Esselbach. Außerdem hält er Grabreden für verschiedene Bestatter im Landkreis Main-Spessart und Wertheim. Er wohnt zusammen mit seiner Lebensgefährtin in Eußenheim – "noch unverheiratet", wie er betont.
Die zwei Versionen des Dietholf Schröder kennen wohl wenige so gut wie Philipp Tropf. Der ehemalige Lohrer Kaplan hat anderthalb Jahre nach seiner Priesterweihe durch einen römisch-katholischen Bischof öffentlich zu seiner Frau gestanden und wurde daraufhin vom Kirchendienst entlassen. Heute ist er vielen als "Priester ohne Kirche" bekannt und seit einigen Jahren Wegbegleiter und Mentor von Schröder.

Das Wort "Entwicklung" stehe "in goldenen Lettern" über dem Leben von Dietholf Schröder, sagt Tropf und ergänzt: "Früher wurde er in seinen Funktionen von vielen als Verkäufer wahrgenommen, heute ist er jemand, der sehr spirituell denkt und eine Beziehung nach oben hat".
Spirituelles Zentrum in der Ordenskirche in Unterbessenbach
Am Pfingstsonntag wird Schröder, der 2014 in einer altkatholischen Kirche zum Diakon geweiht wurde, seine Priesterweihe erhalten. Diese wird allerdings nicht, wie meist üblich, von einem Bischof der römisch-katholischen Kirche vorgenommen. Stattdessen erfolgt sie auf den Titel des Ordens "Zum Guten Hirten", der sich an der Kirche von Unterbessenbach (Landkreis Aschaffenburg) neu gegründet hat. Der Orden ist ohne Kirche und Mitglied im Bund freier katholischer Gemeinden.
"In Unterbessenbach liegt das geistlich spirituelle Zentrum unseres Wirkens", erklärt Tropf. Um dort regelmäßig Gottesdienste abzuhalten oder Sakramente zu spenden, muss das Kirchengebäude jedes Mal von einem Verein gemietet werden, den Schröder und Tropf gemeinsam mit dem suspendierten Diakon Reinhold Glaser aus Mömbris vor knapp einem Jahr gegründet haben.
Der "Verein für christliche Seelsorge in Freiheit" ist größtenteils spendenfinanziert und soll den Aufwand für die seelsorgerischen Angebote der drei Geistlichen decken. "Priester ohne Kirche bedeutet eben auch Priester ohne Kirchensteuer", so Tropf. Der Verein sei kein Kirchenersatz. Er diene in seiner gemeinnützigen Funktion lediglich der Besorgung profaner Aspekte wie der Miete von Räumen oder Kosten von Organisten und GEMA.
Fundierte Vorbereitung der Weihe ist wichtig
Schröders Ausbildung kann über den Orden gewährleistet werden. Aktuell belegt er gemeinsam mit neun anderen Männern und Frauen einen Theologiekurs im Studienhaus des Ordens. Über einen Zeitraum von zwei Jahren wird der Kurs einmal im Monat über einen ganzen Tag online durchgeführt. Es gibt mehrere Dozenten. Die Studienleitung übernimmt Tropf selbst, der in Kirchengeschichte promoviert hat.

"Eine Priesterweihe muss fundiert vorbereitet werden. Die Berufung muss echt sein", begründet Tropf die Notwendigkeit des hauseigenen Studiums. Er legt Wert darauf, dass die Absolventen kirchengeschichtliche Wurzeln und Traditionen kennen, um selbst am ökumenischen Dialog teilnehmen zu können. Für Dietholf Schröder sind vor seiner Weihe nicht nur die theologischen Abhandlungen wichtig, sondern auch praktische Übungen, beispielsweise für die Abläufe der Sakramentenspendung und die Durchführung der Eucharistiefeier. Tropf betont, dass diese Art der Vorbereitung in vielen alternativen Mikrokirchen überhaupt nicht stattfindet.
Priesterweihe als Neubeginn
"Das nenne ich wirklich Gottes Fügung", sagt Schröder heute, wenn er an den Tag denkt, an dem Tropf und er zusammengefunden haben. Er habe damals jemanden gebraucht, der ihn die Geistlichkeit lehrt und in der Zusammenarbeit schnell verstanden, dass für ihn die Berufung des Priesters noch ansteht. "Mit dieser Erkenntnis lebe ich heute so offen gläubig wie nie zuvor und trage mein Kreuz nicht auf der Brust, sondern sichtbar auf dem Hemd", sagt Schröder.
Philipp Tropf empfand seine Priesterweihe 2016 als "überwältigend". Schröder sieht sein nun bevorstehendes Priestertum nicht als abgeschlossene Sache, sondern einen neuen Beginn. "Auch dieser Schritt steht für veränderte Sichtweisen, die ich zulassen sollte, um auf dem Weg zu Gott das nötige Rüstzeug zu bekommen", sagt er.
Begleitung von Menschen in schweren Lebensphasen
Auch die Weihe selbst kann über den Orden stattfinden, da Erzbischof Karl-Michael Soemer drei wichtige Bedingungen erfüllt. Er ist selbst ein geweihter Bischof, die Weihe findet im Rahmen einer Eucharistiefeier statt und hat einen Öffentlichkeitscharakter. "In der öffentlichen Wahrnehmung tritt unser Orden mit dieser Weihe erstmals wirklich in Erscheinung", erklärt Tropf.
Als weiterer "Priester ohne Kirche" wird Schröder durch seine Weihe Tropf nun auf dessen Pfad folgen. Einen Tag später, am Pfingstmontag, findet die Primiz statt – also die erste heilige Messe des frischgeweihten Priesters. Schröders Ziel ist es, Menschen vor allem in schweren Lebensphasen seelsorgerisch begleiten zu können. Er wirft nochmal einen Blick zurück auf sein früheres Ich: "Ich habe damals beruflich auch viele Unternehmer durch schwere Lebenskrisen begleitet. Das kann ich jetzt mit dem offen gelebten Glauben verbinden".