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Marktheidenfeld
Allerheiligen in Main-Spessart: Wichtig ist, dass die Trauer einen Ort hat
Die Traditionen ändern sich, die Bestattungsarten auch. Pfarrer, Bestatter und Betreiber von Friedwäldern haben einen unterschiedlichen Blick darauf, sehen vieles aber ähnlich.
Dietholf Schröder im Waldfriedhof 'Trauberg' bei Esselbach.
Foto: Dorothee May | Dietholf Schröder im Waldfriedhof "Trauberg" bei Esselbach.
Dorothee May
 |  aktualisiert: 05.11.2020 02:18 Uhr

In den Tagen vor Allerheiligen sieht man in den Ortschaften viele Personen in den Friedhöfen. Zumeist ältere Menschen richten die Gräber her, machen sie winterfest und gestalten sie teilweise neu. Doch die Tradition hat sich in den vergangenen Jahren gewandelt. Während in den Dörfern noch viele die Gräber pflegen, sind vor allem in den Städten die Ruhestätten zunehmend mit Steinplatten belegt oder gar verwildert. Diese Entwicklung sieht auch Dietholf Schröder, der den Waldfriedhof "Trauberg" bei Esselbach betreut.

"Die Eltern wollen den Nachkommen die Grabpflege ersparen", berichtet er. Dies sei auch ein Grund, warum sich immer mehr Menschen für die Bestattung auf dem Waldfriedhof entscheiden, ist sich Dietholf Schröder sicher. Er beobachtet eine Veränderung der Bestattungskultur. Schröder: "Ich kann eine klare Tendenz zum Thema Vorsorge, vor allem bei Personen ab 60 Jahren erkennen." Für ihn hat ein Waldfriedhof "eine ganz andere Energie als ein Friedhof" – man können hier einfach sitzen und Energie auftanken. Einige Leute nutzen den "Trauberg" gar als Ausflugsziel, gehen spazieren und genießen die Natur.

Eine letzte Kartenrunde unter dem gemeinsamen Baum   

Der Waldfriedhof bei Esselbach ist überkonfessionell, sodass auch jederzeit Pfarrer oder freie Redner die Bestattung vornehmen können. Eine amüsante Begebenheit, bei all der Trauer, weiß Schröder auch zu berichten: "Einer der ersten Bäume, den wir hier verkauft haben, ist mir besonders in Erinnerung geblieben". Hier wollten fünf Paare, die regelmäßig zusammen Karten spielen, einen Baum kaufen und auch genauso beerdigt werden, wie sie beim Kartenspielen sitzen. Der "Trauberg" werde von der Bevölkerung sehr gut angenommen.

Esselbachs Pfarrer Alexander Eckert findet dagegen, dass sich die Bestattungspraxis bei ihm kaum verändert. "95 Prozent aller Beisetzungen, die wir als Pfarreiengemeinschaft betreuen, finden in den Kirchen und Friedhöfen vor Ort statt", sagt er. Er selbst, so der katholische Priester, habe mit dem Waldfriedhof überhaupt kein Problem. Er hatte sich gewünscht, dass dort ein Altar und Bänke vorhanden sind. Da dies jetzt so ist, sei es möglich, auch vor Ort in der Natur ein Requiem abzuhalten und dann die Urne beizusetzen.

Eckert: "Ich persönlich finde diese Bestattungsform sehr schön, denn der Mensch kommt aus der Schöpfung und kehrt dorthin zurück." Es sei ein schöner Gedanke, so der Geistliche, dass alles zu seinem Ursprung zurück geht. Was sich seiner Erfahrung nach tatsächlich über die Jahre verändert habe, sei die Tendenz zu Urnen-, statt zu Erdbestattungen. Dies sei oft darin begründet, dass es immer mehr Krebstote gibt, denen aufgrund der verabreichten Medikamente eine Urnenbestattung angeraten wird.

Für die Verstorbenen beten kann man überall

"Falls der Trend zum Waldfriedhof doch stärker wird, kann es gut sein, dass die Angehörigen immer weniger an die Gräber ihrer Verstorbenen kommen. Für mich persönlich ist das nicht schlimm, weil man überall für die Seelen der Verstorbenen beten kann", sagt Pfarrer Eckert. Psychologisch sei es allerdings bedenklich, weil Menschen nachgewiesenermaßen einen Ort der Trauer brauchen, um diese psychisch verarbeiten zu können. "Was wir auf dem Friedhof tun, ist für mich vor allem für die Angehörigen. Auch das Absenken der Urne bzw. des Sarges ist ein Akt des Loslassens, des Abgebens des Toten in Gottes Hand." Eckert bezeichnet dies als "Seelenhygiene für die Angehörigen". Wichtig sei hier laut Eckert noch das Requiem und die Eucharistiefeier, um für die verstorbene Seele zu beten.

Bestatter Matthias Liebler, hier auf einem Archivbild mit Kollegin Jana Kraus, stellt einen klaren Trend zur Urnenbestattung fest.
Foto: Dorothea Fischer | Bestatter Matthias Liebler, hier auf einem Archivbild mit Kollegin Jana Kraus, stellt einen klaren Trend zur Urnenbestattung fest.

Auch Matthias Liebler von Liebler Bestattungen bestätigt, dass sich hauptsächlich die Bestattungsart geändert hat. "War früher die Feuerbestattung mit fünf bis zehn Prozent eher die Ausnahme, so werden heute in Bayern etwa 70 Prozent der Verstorbenen eingeäschert". Er sieht auch die veränderten Anforderungen an die Bestatter: "Bestattungen sind heute viel individueller als früher". Auch er bemerkt eine verstärkte Tendenz zu Bestattungen im Wald. Einerseits seien viele Menschen naturverbundener, andererseits sei der Hauptgrund natürlich, dass hier der Pflegeaufwand gegenüber einem Grab auf einem herkömmlichen Friedhof entfällt.

Liebler betont aber, dass die Friedhöfe durchaus auch im Wettbewerb stehen und deshalb vielerorts auch schon Baumbestattungen angeboten werden. Im ländlichen Bereich sei aber die Grabpflege durchaus noch üblich.

Auch die Art der Grabpflege hat sich verändert

Maximilian Ziegler, der bei der Gärtnerei Hamberger für die Friedhofspflege zuständig ist, ist der gleichen Ansicht. Er berichtet, dass die Anzahl der zu pflegenden Gräber zwar gleich geblieben ist, aber die Art habe sich durchaus verändert. Die Tendenz gehe ganz klar zu mehr Steinflächen auf den Gräbern im Vergleich zu früher. Allerdings werden komplette Platten sehr wenig genutzt, sondern eher Teilplatten, wo ein Teil des Grabes dennoch bepflanzt werden kann.

"Im Vergleich zu früher wollen die Kunden jetzt hauptsächlich pflegeleichte Bepflanzung auf den Gräbern", sagt Ziegler. So seien dauerhafte Pflanzen wie verschiedene Heidesorten sehr beliebt. Die Menschen wollten nicht mehr wöchentlich auf den Friedhof gehen und Gräber pflegen. Gerade im Winter, wo vielerorts kein Wasser auf den Friedhöfen verfügbar ist, könne das sehr beschwerlich sein.

Die Trauer braucht einen Ort, sagen sowohl der katholische Pfarrer Alexander Eckert wie auch sein der evangelische Pfarrer Bernd Töpfer.
Foto: Christin Klose | Die Trauer braucht einen Ort, sagen sowohl der katholische Pfarrer Alexander Eckert wie auch sein der evangelische Pfarrer Bernd Töpfer.

Selbst das Trauerritual soll möglichst effizient sein

Marktheidenfelds evangelischer Pfarrer Töpfer sieht die Veränderung der Bestattungen eher im persönlichen Bereich. "Mein Eindruck ist, man nimmt sich nicht mehr so viel Zeit für die Bestattung als Trauerritual." Alles müsse möglichst effizient sein, damit bei den Teilnehmenden nicht zu viel Arbeitszeit verloren geht. Auch bestehe oft der Wunsch, Beerdigungen am Wochenende bzw. am Montag durchzuführen. Die gemeinsame Trauerbewältigung spiele eine immer geringere Rolle.

"Wichtig ist aus meiner Sicht, dass die Trauer einen Ort hat", so meint wie sein katholischer Kollege auch der evangelische Pfarrer. Hier sei es egal, ob dies in einem Wald oder einem Friedhof ist. Töpfer hält es allerdings für wichtig, dass die Namen der Verstorbenen vermerkt und erkennbar sind. "Trauer, die nicht verortet ist, kann nicht verarbeitet werden.". Grundsätzlich sieht Töpfer im gesellschaftlichen Leben ein zunehmendes Verdrängen des Themas Tod und Sterben. "Unterdrückte Trauer schlägt sich in anderer Form wieder zurück", ist er sich sicher. 

 
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