Obwohl immer mehr Bedürftige zur Tafel kommen und sie weniger Lebensmittelspenden erhalten, sind die Verantwortlichen der Tafel-Läden im Landkreis Main-Spessart derzeit zufrieden. Vor einem halben Jahr hatten sie zum Teil große Sorge, dass sie den wachsenden Zulauf nicht mehr stemmen können. Einen Aufnahmestopp, wie Armin Stichel von der Tafel Gemünden noch im Frühsommer befürchtet hatte, gab es bisher nicht. "Die Lage hat sich etwas entspannt", sagt er. Die Zahl der Abholenden ist gleich geblieben. Durchschnittlich 80 Kundinnen und Kunden kommen zu den Öffnungszeiten. Insgesamt hat die Tafel in Gemünden laut Stich jedoch 400 Kundinnen und Kunden.
Kommen die Tafeln in Main-Spessart mit den gespendeten Lebensmitteln aus?
"Wir schaffen es momentan gut, unsere fast 1000 Kunden zu versorgen", so Michael Donath, Projektleiter der Tafel Lohr unter dem Dach der Diakonie. Das liegt an großzügigen Spenden der Lebensmittelhändler und Bäckereien; und weil viele Menschen Privatspenden abgeben würden. "Wenn wir dann doch mal weniger bekommen, greifen wir auf unser Lager zurück." Das sei gut gefüllt mit haltbaren Lebensmitteln.
Auch Alida Mungenast, Vorsitzende der Karlstadter Tafel, und Klaus Roos vom Tafel-Verein in Marktheidenfeld, loben die große Spendenbereitschaft. Von einem ortsansässigen Unternehmen bekomme man zum Beispiel Hygiene- und andere Verbrauchsartikel für den täglichen Bedarf, so Roos. Ein Landwirt aus Remlingen versorge die Tafel regelmäßig mit Gemüse. "Die schönsten Kartoffeln kriegen wir", scherzt er. Nur an Speiseöl und Butter fehle es manchmal.
In Gemünden würden oft die bei Händlern abgeholten Lebensmittel nicht ausreichen und es müsse beispielsweise Käse oder Fisch nachgekauft werden, so Armin Stichel. Das Geld sei jedoch sehr knapp, man sei auf Zuwendungen angewiesen.
Haben die Tafeln ausreichend ehrenamtliche Helferinnen und Helfer?
In Marktheidenfeld werden mehr ehrenamtliche Helferinnen und Helfer gebraucht. "Dann könnten wir in zwei Schichten arbeiten oder einen zweiten Ausgabetag einführen und die Belastung für Einzelne wäre nicht so groß", sagt Roos. Mit den anderen Mitgliedern des neu gewählten Vereinsvorstands und den Helfenden möchte Roos auf die Suche gehen.
Lohr hingegen ist derzeit mit genügend Freiwilligen für das Einsammeln, Sortieren und Ausgeben von Waren ausgerüstet. Auch in Gemünden und Karlstadt gibt es ausreichend ehrenamtliche Helferinnen und Helfer. "Durch die Ukraine-Krise haben sich einige gemeldet, die mittlerweile die Tafel unterstützen", berichtet Mungenast.
Auswirkungen der Ukraine-Krise: Tafeln sind keine staatlichen Einrichtungen
In Karlstadt hat die Tafel etwa 300 Menschen zu versorgen. Im Frühjahr kamen viele Geflüchtete aus der Ukraine, mittlerweile sind es weniger. Die Gründe dafür kennt die Vorsitzende nicht. Den Geflüchteten aus der Ukraine habe man erst erklären müssen, dass die Tafel-Läden keine Vollsortimenter seien, sagt sie, und nur von Ehrenamtlichen betrieben werden. Eigentliches Ziel sei es, Lebensmittel zu retten. Die Politik würde den Eindruck erwecken, es handle sich um eine staatliche Stelle, bestätigt der Gemündener Armin Stichel.
Etwas mehr als ein Fünftel der von der Tafel in Lohr zu versorgenden Menschen sind Geflüchtete aus der Ukraine, berichtet Leiter Michael Donath. Er rechnet damit, dass es mehr werden: "In der ehemaligen Jugendherberge ziehen jetzt die ersten ein."
Einheimische sind oft zu stolz, um bei der Tafel einzukaufen
Auch immer mehr Einheimische würden das Angebot der Lohrer Tafel nutzen; etwa ein älteres Ehepaar, das kein Geld gespart hat und dessen Rente nicht mal genügt, um mit dem Bus nach Lohr zu fahren. "Schade, dass solche Menschen sehr oft zu lange warten, bis sie zu uns kommen", bedauert Donath. Er vermutet, dass sie zu stolz seien, um nach Hilfe zu fragen. In Zusammenarbeit mit verschiedenen Spendenorganisationen, etwa dem Verein "Goldenes Herz", dem Lions-Club Lohr-Marktheidenfeld oder einer Stiftung der Diakonie werde versucht, die Lebensumstände der Betroffenen zu verbessern.
Ähnliches beobachtet auch Stichel in Gemünden. Er erzählt von einem Mann, der lieber 20 Kilometer mit dem Rad nach Gemünden zur Abholung der Tafel-Waren fährt, anstatt Nachbarn um Hilfe zu bitten. Alida Mungenast von der Tafel in Karlstadt fürchtet: "Die richtige Not werden viele erst im Januar spüren." Sie hofft, dass bis dahin ein neues Ladengeschäft für ihre Einrichtung gefunden ist. Zwar laufen derzeit Gespräche mit einem Vermieter, die Verhandlungen seien jedoch noch nicht abgeschlossen.