Einen Wald baut man nicht mit ein paar Handstreichen um, und das ist in diesem Fall gut so. Wären all die Pläne Wirklichkeit geworden, die man vor nicht allzu langer Zeit für den Iphöfer Stadtwald entwickelt hatte, dann hätten Rainer Fell und seine Leute jetzt ein Problem. Der Stadtförster steht am Montagabend im Festsaal der Karl-Knauf-Halle und sagt, was er bei anderer Gelegenheit auch gern in den Wald hineinruft, weil es aus seiner heutigen Sicht so absurd klingt: „Wir wollten weg von der Eichen-Reinkultur.“ Gerade mal zwei Jahrzehnte ist diese Einschätzung alt, aufgestellt bei der letzten Forsteinrichtung im Jahr 2003, einer Art Waldinventur, die das Gesetz im Turnus von 20 Jahren vorsieht.
Der weltumspannende Klimawandel stellt Gewissheiten in Frage, die bis vor Kurzem noch in jeder guten Fibel für den Waldbauern nachzulesen waren. Vielleicht ist es einfach schon zu lange her, um zu wissen, dass die Eiche, der deutscheste aller Bäume, mal als Problembaum galt – anfällig für Schädlinge aller Art: Eichenwickler, Eichenprozessionsspinner, Eichenprachtkäfer, Schwammspinner. Sie machten den Bäumen, aber auch den Menschen zu schaffen, vor allem in Gegenden, in denen die Eiche so dominiert wie in Iphofen. Zwei Drittel des fast 2300 Hektar großen Stadtwalds ist von Eichen bedeckt. In guten Zeiten ist das ein Pfund, mit dem sich wuchern lässt. Aber die Zeiten waren nicht gut um die Jahrtausendwende.
Die Stadt wollte weg von ihrer Monokultur, weg von 63 Prozent Eiche, auf 35, 40 Prozent der Fläche. Aber so ein Wald ist schwerfällig, er ist ein Koloss, den man nicht von heute auf morgen schiebt und bewegt. Das Wesen eines Waldes ändert sich über Generationen, wenn überhaupt. Nach dem Zweiten Weltkrieg pflanzte man hierzulande vor allem Fichten und Kiefern, Nadelbäume, die von der Industrie gut zu verarbeiten waren. Für viele Wälder und ihre Besitzer ist das 75 Jahre später ein Problem, weil die Bäume den Trockenstress nicht vertragen, und es wird noch einmal so lange dauern, um davon loszukommen.
Die Esche ist ein Totalausfall, um die Buche steht es kritisch
In Iphofen war diese Schwerfälligkeit ein Segen. Denn der Fluch, der einst von der Eiche ausging, hat sich auf andere Baumarten verlagert: just auf jene, mit der man damals die Zukunft gestalten wollte, Edellaubhölzer wie Ahorn und Esche, aber auch die Buche. Die Esche gilt wegen einer Pilzkrankheit, die im Laub lauert, inzwischen als „Totalausfall“, wie Fell sagt. Beim Ahorn ist es ähnlich. Die Buche erweist sich als „ganz kritisch“, weil sie unter der Trockenheit mehr leidet als angenommen. Von Nadelhölzern wie der Fichte gar nicht zu reden.
Förster wie Fell haben inzwischen die Taktik geändert. Wie geläuterte Aktienbesitzer haben sie ihr Portfolio völlig neu zusammengestellt, haben schlechte Werte aussortiert und neue aufgenommen. Zu den Baumarten der Zukunft gehören jetzt etwa Hainbuche oder Stieleiche. Der Wald ist dabei zum Versuchslabor geworden. Noch schließt Fell invasive Arten wie Douglasien, Libanon- oder Atlas-Zedern aus, Gewächse aus wärmeren Weltregionen, von denen man hofft, dass sie besser mit Hitze und Trockenheit zurechtkommen, die aber eher ungeeignet für heimische FFH-Schutzgebiete sind. Noch. Denn niemand weiß genau, wie das Klima sich entwickeln wird, viele wissenschaftliche Fragen sind ungeklärt.
Kann sein, dass die Erben Fells die Lage wieder ganz anders bewerten. Die Frage wird um so brisanter, weil der Nutzungsdruck steigt. Schon heute sind Wälder eher Plantagen, die in festgelegten Zeiträumen abgeerntet werden. Die durchschnittliche Lebenserwartung eines Baumes liegt hierzulande bei nicht einmal 80 Jahren.
Es geht demnach auch ums System: um die Frage, ob Wälder zumindest in Teilen nicht auch sich selbst überlassen werden sollen. Dann, so die Annahme, würden sich die am besten angepassten Varianten heimischer Arten durchsetzen. Otto Kolesch und Jürgen Kößler haben am Montag im Stadtrat dafür plädiert. Fell steht eher auf der Seite der Macher und Nutzer, er muss liefern, der Stadtrat will Ergebnisse sehen. Und so verweist der Förster auf das „Potenzial“, das der Iphöfer Stadtwald bietet.
Damit lasse sich mühelos ein zweites Biomasse-Heizwerk betreiben, das dann die ganze Altstadt mit Wärme versorgen könne. Das erste läuft seit 13 Jahren, ausschließlich mit Hackschnitzeln aus dem Stadtwald, und beliefert nicht nur Hallenbad, Schule oder Karl-Knauf-Halle, sondern auch weite Teile der nördlichen Altstadt. „Es hat sich gezeigt, dass es wirtschaftlich ist“, sagt Fell. Und es befreit die Stadt aus der Abhängigkeit von Gas und Öl.
Der Förster verweist auf ein "Highlight des Naturschutzes"
Der Stadtrat hat jetzt eine neue Forsteinrichtung beauftragt; die Hälfte der auf 177 000 Euro taxierten Kosten trägt der Freistaat. Fell wehrt sich gegen Kritik, er habe nur die Bewirtschaftung des Waldes im Blick. Trotz aller Nutzung wachse der Wald beständig nach – um etwa 2000 Festmeter jährlich. Und was die ökologische Qualität angeht, so sei Iphofen anderen weit voraus, etwa durch die „hohe Biodiversität“ – und ein „Highlight des Naturschutzes“: den Mittelwald. Dieser besteht aus Oberholz, das alt werden darf, und dem Unterholz, das alle gut 30 Jahre flächig als Brennholz geerntet wird. 374 Hektar Mittelwald gibt es in Iphofen, sein Anteil soll auf 300 Hektar sinken, auch weil die Zahl der Holzrechtler zurückgeht.
Probleme gibt es am ehesten noch mit dem Wildverbiss, und zwar laut Förster vorrangig in den drei verpachteten Revieren. Die Stadt will den Druck erhöhen, droht den Pächtern mit Revierkündigung, wenn sich die Situation nicht grundlegend bessert. „Wo hingelangt wird, wächst der Wald“, sagt Fell. Vor allem junge Eichen sind für Rehe eine Delikatesse.