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Iphofen
Wie Iphofen sich gegen den Klimawandel wehrt
Große Waldbesitzer wie die Stadt Iphofen spüren den Klimawandel besonders. Die vielen Hitzejahre haben Spuren hinterlassen. Viel Hoffnung gibt's gerade nicht, aber es gibt sie.
Hängt das Schicksal des Waldes am seidenen Faden? Auch im Iphöfer Stadtwald zeigen sich vielerorts die Folgen der heißen, trockenen Sommer.
Foto: Eike Lenz | Hängt das Schicksal des Waldes am seidenen Faden? Auch im Iphöfer Stadtwald zeigen sich vielerorts die Folgen der heißen, trockenen Sommer.
Eike Lenz
 |  aktualisiert: 08.02.2024 21:02 Uhr

Wenn Rainer Fell sich erklärte, mit fester, durchdringender Stimme, dann klang das bis vor einigen Jahren wie die Bilanz eines mehr oder weniger erfolgreichen Unternehmers. Als Chef im Iphöfer Stadtwald lebte Fell zwar immer schon mit der Gefahr, von der Natur überrascht zu werden, aber lange Zeit galt dieses Risiko als beherrschbar und kalkulierbar. Die Wette mit Sonne, Wind und Regen – meist ging sie auf. Heute haben Fells Verlautbarungen etwas von Hiobsbotschaften. Und wenn er, wie am Montagabend im Stadtrat, seine Pläne präsentiert, bekommt er Sätze zu hören wie die von Bürgermeister Dieter Lenzer: „Forstwirtschaft hat schon mehr Spaß gemacht.“ Fell sagt dann: „Wir laufen nur noch hinterher.“

Gut ein Drittel der Erntemenge besteht schon aus Schadholz

Man übertreibt nicht, wenn man sagt: Dem deutschen Wald geht es so schlecht wie lange nicht mehr, vielleicht wie noch nie. Das spüren große Waldbesitzer wie die Stadt Iphofen mit ihren 2300 Hektar besonders. Ein Blick hinauf zum Schwanberg genügt, um das Problem zu erfassen: Die dürren Bäume sind mit bloßem Auge zu erkennen. Um eine Ahnung von den Ausmaßen zu bekommen, muss man sich eine Zahl vergegenwärtigen, die Fell genannt hat: 3800 Festmeter! So hoch ist die Quote des Schadholzes, die der Stadtförster mit seinen Leuten in den vergangenen zwölf Monaten aufgearbeitet hat. 3800 von 10 000 Festmetern, der Erntemenge eines normalen Jahres in Iphofen. Das muss man wissen, um zu begreifen, was Fell meint, wenn er sagt: „Wir können nicht agieren, wir reagieren im Moment nur.“

Die Schwarzkiefern am Schwanberg leiden besonders unter der extremen Hitze. Viele Bäume sind nicht mehr zu retten.
Foto: Eike Lenz | Die Schwarzkiefern am Schwanberg leiden besonders unter der extremen Hitze. Viele Bäume sind nicht mehr zu retten.

Vor 40 Jahren gab es schon einmal ein großes Waldsterben in Deutschland und Europa. Die Luftverschmutzung, das Schwefeldioxid, das in Verbindung mit Wasser Säuren bildete und den Böden zusetzte. Manche Regionen, wie der Schwarzwald, leiden bis heute unter dem sauren Regen von damals. Die Politik verordnete Filter für Kraftwerke, Autos und Fabriken, so wurde die Katastrophe abgewendet. Die jetzige Krise aber reicht viel tiefer, weil es gegen den globalen Klimawandel bisher weder eine gemeinsame Strategie noch eine wirksame Technologie gibt, sondern nur vereinzelte Absichtserklärungen.

An gutem Willen allein aber wird der Wald nicht genesen. Zu befürchten steht, dass sich die Lage weiter verschärft. Experten glauben, dass diesmal alles noch viel schlimmer ist als in den Achtzigerjahren. Der durchschnittliche Nadel- oder Blattverlust der Bäume sei so hoch wie nie seit der jährlichen Aufnahme der Waldschäden 1985. Die Mortalitätsrate an manchen Standorten ist 2019 gegenüber dem langjährigen Mittel um 200 Prozent gestiegen.

Einen heißen Sommer überstehen die meisten Bäume relativ problemlos. Doch Klimakrise heißt, dass sich solche extremen Ereignisse häufen. Im vergangenen Jahrhundert waren 1947 und 1976 besonders heiß und trocken. Das neue Jahrtausend begann 2003 mit einem Jahrhundertsommer, dann folgten 2015 und 2018 sehr trockene Jahre. Und 2019 gab es schon wieder monatelange Hitze und Trockenheit. Mit weitreichenden Folgen: Allein am Schwanberg musste Fell sich zuletzt von 400 Festmeter Schwarzkiefern verabschieden, von den Fichten nicht zu reden. Deren Erlöse decken manchmal nicht einmal die Kosten der Aufarbeitung. Lange konnte sich Iphofen damit trösten, nur sieben Prozent Nadelbäume im Wald stehen zu haben, deren Lebenserwartung mit jedem weiteren Dürrejahr sinken.

Beängstigend ist, dass nun auch die Buche schwächelt

Inzwischen weiß man, dass selbst Laubhölzer wie die bisher als so robust geltende Buche vom Klimawandel erfasst werden. Über den Baum, der einmal sein Liebling war, sagt Fell: „Wir machen Buche und hoffen, dass wir sie verkaufen können, ehe sie abstirbt.“ 450 Festmeter lässt der Förster entlang von Wegen und Straßen fällen, um Spaziergänger und Autofahrer zu schützen. Stehen die kranken Buchen mitten im Wald, überlässt er sie ihrem Schicksal. Das Risiko, dass schwere, dürre Äste abbrechen und seine Arbeiter gefährden, ist ihm zu groß. Auch Birken oder Hainbuchen sind betroffen. Hochgerechnet auf die Fläche des Iphöfer Stadtwalds entstehen laut Fell jährlich weitere rund 6000 Festmeter Schadholz, das nicht aufgearbeitet wird und deshalb auch in keiner amtlichen Statistik auftaucht.

Wo ist der Hoffnungsschimmer? Das Licht am Ende eines langen dunklen Tunnels? Fell erkennt es in der Elsbeere, dem Feldahorn, der Esskastanie und der Winterlinde. Und er sieht es vor allem in der Eiche. Jenem Baum, dem in den vergangenen Jahren kein Schädling ernsthaft etwas anhaben konnte – und der offenbar auch mit der größten Herausforderung dieser Tage zurechtkommt. Fast zwei von drei Bäumen im Iphöfer Stadtwald sind Eichen, manche einige hundert Jahre alt. „Das ist die einzige Holzart, die sich derzeit gut verkaufen lässt“, sagt Fell. Ganz verzichten will der Förster aber auch auf Nadelhölzer nicht. Douglasie oder Küstentanne kommen mit der Trockenheit offenbar besser zurecht.

Für die Waldbesitzer schafft der Staat Mutmacher-Projekte

Der Staat macht derzeit viel Geld locker, damit Kahlflächen möglichst wieder aufgeforstet werden. An den Wurzeln des Problems setzt das nicht an, und auch Fell weiß, dass diese Hilfe nicht mehr sein kann als ein Herumdoktern an Symptomen. Für die Waldbesitzer freilich sind all die Projekte eine Art Mutmacher-Programm – „damit sie nicht kapitulieren“, wie Fell sagt. Mehr als 100 000 Pflanzen will auch er demnächst mit seinen Leuten setzen, 90 Prozent der Kosten trägt der Staat. Daneben gibt es für zertifizierte Flächen eine Waldprämie des Bundes: 100 Euro pro Hektar, gestreckt auf drei Jahre. Für Iphofen wären das mehr als 200 000 Euro. Die Stadt will zugreifen, auch wenn sie an anderer Stelle dann weniger Zuschüsse erhält, weil die Förderung gegengerechnet wird. Fell sagt: „Für die Prämie müssen wir nichts tun.“ Das klingt wie Ironie, wenn man weiß, was sie im Wald alles tun und schon getan haben.

 
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