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Iphofen
Waldsterben durch Klimawandel und Borkenkäfer: Warum ausgerechnet Iphofen besser durch diese Krise kommt
Hitze, Trockenstress und Schädlinge bedrohen in Iphofen 2300 Hektar Stadtwald. Und der Mann, der den Blick fürs große Ganze hat, geht bald in Rente. Was kann er noch bewirken?
Auf dieser Fläche im Stadtteil Hellmitzheim wurde 2022 ein durch extreme Trockenheit geschädigter Fichtenbestand gefällt. Inzwischen ist der Bereich mit Eiche, Hainbuche, Speierling und Elsbeere wieder aufgeforstet.
Foto: Günther Fischer | Auf dieser Fläche im Stadtteil Hellmitzheim wurde 2022 ein durch extreme Trockenheit geschädigter Fichtenbestand gefällt. Inzwischen ist der Bereich mit Eiche, Hainbuche, Speierling und Elsbeere wieder aufgeforstet.
Eike Lenz
 |  aktualisiert: 08.02.2024 19:01 Uhr

Wenn der studierte Forstwirt Rainer Fell durch sein Revier streift, dann hat er nichts von einem Akademiker. Er ist dann mehr raue Borke als feines Blatt, einer, an dem man sich schon mal reiben kann und der Klartext spricht. Mit Jägern hat er sich angelegt, weil sie ihren Pflichten nicht nachkommen und zu viel Wild die jungen Bäume zerbeißt, mit Mountainbikern, weil manche wie Rowdys durchs Geäst rasen, mit Politikern, weil die vielfach vom Schreibtisch aus entscheiden. Fell ist ein Lobbyist des Waldes. Selbst jetzt, da er kurz vor der Rente steht, hat er das Wohl des Waldes im Blick. Dass er ein gut bestelltes Feld hinterlassen wird, steht schon jetzt fest. Wie der Wald der Zukunft aussehen wird? Ungewiss.

Fell stapft am Montagabend in gewittrig-schwüler Luft durch eine dicke Schicht aus Laub und bleibt dann an den Steilhängen des Schwanbergs stehen, vor ihm eine mächtige Buche, in seinem Rücken alte Eichen, der häufigsten Baumart hier im Iphöfer Stadtwald. Als Förster ist Fell zuständig für 2300 Hektar Wald, eine Fläche dreimal so groß wie der Tegernsee. Auch an diesem Abend wird ihm von den begleitenden Experten versichert, wie vorbildlich der Iphöfer Forst bewirtschaftet werde.

Dieter Hüttlinger ist Forstsachverständiger aus Würzburg und seit 30 Jahren im Geschäft. Müsste er einen Musterwald suchen, er würde vermutlich hier am Schwanberg landen, so oft erwähnt er an diesem Abend, bei der jährlichen Waldbegehung mit dem Stadtrat, den Iphöfer Stadtwald als leuchtendes Beispiel.

Erst hieß es raus aus der Eiche, nun wieder rein in die Eiche

Doch der Wald hat sich verändert. Vor 20 Jahren lag der Eichenanteil hier noch bei über 60 Prozent, heute sind es 52 Prozent. Wegen Schädlingen wie Schwamm- oder Prozessionsspinner hat Iphofen seinerzeit die Strategie geändert und den Eichenanteil reduziert, heute macht die Stadt – unter dem Eindruck des Klimawandels – "die Rolle rückwärts", wie Fell sagt, und setzt wieder verstärkt auf die Eiche, weil sie von allen heimischen Baumarten mit der Trockenheit mit am besten zurechtkommt. Das Hin und Her zeigt, dass es mit Gewissheiten in diesem Geschäft gerade nicht weit her ist.

Dabei muss kaum eine Branche so weit in die Zukunft denken wie die Forstwirtschaft. Förster haben nicht nur jeden Tag mit Auswirkungen der Erderwärmung zu tun. Sie müssen bei ihrer Arbeit auch stets berücksichtigen, wie der Klimawandel die Welt in einem Jahrhundert verändert haben könnte. Die meisten heimischen Bäume hierzulande brauchen zwischen zehn und 20 Jahre, um so hoch wie ein erwachsener Mensch zu werden, und 80 bis 150 Jahre, bis man sie fällen kann, um ihr Holz zu verwerten. Was Fell jetzt sät, werden im Zweifel seine Enkel oder Urenkel ernten.

Bei der jährlichen Waldbegehung des Iphöfer Stadtrats erklärte Förster Rainer Fell (links) die Chancen und Herausforderungen im 2300 Hektar großen Stadtwald.
Foto: Eike Lenz | Bei der jährlichen Waldbegehung des Iphöfer Stadtrats erklärte Förster Rainer Fell (links) die Chancen und Herausforderungen im 2300 Hektar großen Stadtwald.

Die Buche, im 19. Jahrhundert von Forstwissenschaftlern als "Mutter des Waldes" und gegen Ende des 20. Jahrhunderts in der Fachliteratur als "erfolgreichste Pflanzenart Deutschlands und Mitteleuropas" gepriesen, wird es schwer haben; sie ist doch nicht so resistent gegen Trockenstress wie gedacht. In Iphofen bedeckt sie nur fünf Prozent der Waldfläche. Schon jetzt sind die Auswirkungen des Klimawandels deutlich zu spüren und messbar. Der Holzzuwachs, für Experten ein wichtiger Parameter für die Qualität des Waldes, war in den letzten 20 Jahren noch geringer als erwartet. Der Wassermangel wirkt wie ein Wachstumsbegrenzer.

In der Region droht es, so warm zu werden wie in Bologna

Auf der Suche nach dem Baum der Zukunft müssen Forstwissenschaftler mehr denn je das Eiserne Gesetz des Örtlichen beachten: Der Bestand muss zum Standort passen. Die Region um den Schwanberg wird nach Prognosen des Würzburger Klimaforschers Professor Heiko Paeth bis Ende des Jahrhunderts Verhältnisse wie im italienischen Bologna bekommen, und die Frage wird sein: Welche Bäume halten das auf Dauer aus? Fell nennt ungarische Eiche, Orientbuche und – vermutlich als einzige Nadelbaumart – die Schwarzkiefer.

Doch die Trockenheit ist nur ein Problem. Ein anderes sind die zum Teil hohen Schäden durch Wildverbiss wie im Nenzenheimer Wald, wo nahezu 90 Prozent der Triebe dem Wild zum Opfer fallen. Dazu lauern überall Schädlinge wie der Borkenkäfer, der zum Symbol für die Bedrohung des Waldes durch den Klimawandel geworden ist, oder Pilze, die beliebten Baumarten wie der Esche, der Ulme oder dem Ahorn gerade den Garaus machen.

Eine von Rehen verbissene junge Eiche. Die Eichen gelten bei den Tieren als Delikatesse und müssen im Zweifel eingezäunt werden.
Foto: Eike Lenz | Eine von Rehen verbissene junge Eiche. Die Eichen gelten bei den Tieren als Delikatesse und müssen im Zweifel eingezäunt werden.

In Iphofen steht derzeit noch ein "enormer Wertholzvorrat" im Wald, wie der Forstexperte Hüttlinger sagt: Berg- oder Feldahorn, Wildkirsche, Elsbeere, Ulme – bei etwa 25 Prozent liegt der Anteil dieser Edellaubhölzer. Regelrecht explodiert sei auch der Anteil des Starkholzes, also jenes Segments, das besonders interessant für die Vermarktung und das Kapital des Waldes ist. "Das ist nur erreichbar mit entsprechender Zurückhaltung in der Nutzung und intensiver Pflege", so Hüttlinger.

Der Wald soll auf kleiner Fläche sich selbst überlassen werden

Mit einem "klimaangepassten Waldmanagement" und Fördergeldern des Staates will Iphofen seinen Wald für die Zukunft rüsten. Zwölf Kriterien sind dabei zu erfüllen, wie Ruth Holfelder von der Forstbetriebsgemeinschaft sagte. So sollen etwa mindestens fünf Prozent der Waldfläche für 20 Jahre aus der Nutzung genommen werden; dort soll sich der Wald natürlich entwickeln können. Nachhaltigkeit ist das Stichwort.

Wie der Plan für die nächsten zwei Jahrzehnte sei, wollte Bürgermeister Dieter Lenzer von Hüttlinger wissen. Der lächelte und sagte: "Auf Verjüngung und Pflege setzen, den Wald klimastabil gestalten." Verkürzt gesagt: "Weiter so!"

 
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