Der Wald stirbt nicht! Das vor 40 Jahren propagierte Horrorszenario großflächig absterbender Waldflächen ist nicht eingetreten – und wenn man den meisten Experten glauben darf, wird das auch in den nächsten 100 Jahren nicht passieren. Die Frage wird allenfalls sein: Wie soll der Wald das eigentlich aushalten, wenn so viele Interessengruppen an ihm zerren?
Forstwirte wollen möglichst viel Holz und gute Erlöse sehen, Naturschützer drängen auf breite Biodiversität und Wasserspeicher, Touristiker wünschen sich den Wald als Freizeitattraktion und Erholungsgebiet, und das Klima braucht ihn als CO2-Speicher. Um all diese Ansprüche zu erfüllen, müssen Leute wie Rainer Fell jetzt den Wandel einleiten.
Als Stadtförster streift Fell seit 1988 durch Feld, Wiesen und den 2300 Hektar großen Iphöfer Stadtwald. An diesem Abend steht er im Ratssaal des Rathauses und spricht über den Wald der Zukunft. Mit rund 63 Prozent Eichenanteil ist Iphofen in den heißen und trockenen Sommern der letzten Jahre glimpflich davongekommen. Andere, vor allem im Osten Deutschlands, hat es mit ihrem hohen Kiefern- und Fichtenbestand deutlich härter getroffen.
Wie sehr die Nadelhölzer unter dem Klimawandel leiden, lässt sich gut auf den Höhen des Schwanbergs besichtigen. Dürres Geäst, schon von Weitem sichtbar. Es waren einmal Schwarzkiefern, die nach den mehreren Trockenjahren abgestorben sind.
Rund 40 heimische Baumarten findet man derzeit in bewirtschafteten Wäldern. Knapp die Hälfte davon – vor allem Laubbäume wie Hainbuche oder Elsbeere – ist auch südlich der Alpen verbreitet und könnte in Deutschland selbst dann noch gedeihen, wenn sich das Klima auf weit über zwei Grad erwärmen würde. Hinzu kommen 15 vor allem aus Nordamerika importierte Baumarten, mit denen es hierzulande schon langjährige Erfahrung gibt, zum Beispiel Douglasie, Robinie oder Roteiche. "Die Douglasie", sagt Fell, "wird seit mehr als 150 Jahren hier gepflanzt."
Doch ein eingeschleppter Schädling führte in den 1930er-Jahren zu einem Anbauverbot für einzelne Douglasien-Unterarten. Im vergangenen Jahrzehnt erlebte die Douglasie eine Art Wiedergeburt – als Alternative zu Fichte und Kiefer. Inzwischen weiß man, dass auch sie zunehmend unter Hitze und Trockenheit leidet und vom Borkenkäfer befallen wird.
Von der Strobe spricht heute keiner mehr. Der auch als Weymouth- oder Seidenkiefer bekannte Nadelbaum wurde um 1900 von Nordamerika nach Deutschland importiert und ist heute nahezu aus den hiesigen Wäldern verschwunden.
Fell kennt noch zwei, drei Exemplare, die im Iphöfer Stadtwald stehen, die meisten Stroben sind dem Blasenrost, einer Pilzkrankheit, zum Opfer gefallen. Aggressive Pilze haben zuletzt auch schon Esche oder Ahorn dahingerafft. Und mit Blick auf den Klimawandel zeigen selbst Buchenbestände, die immer als besonders robust galten, nach der jüngsten Waldzustandserhebung deutliche Schäden. Für den bevorstehenden Waldumbau stellt sich also die Frage: Wo sind sie, die Superbäume, die brütender Hitze und Trockenheit ebenso trotzen wie Schädlings- oder Pilzbefall?
Vom Superbaum mag Fell nicht reden, als er im Stadtrat seine Zukunftsagenda vorstellt. Am besten geeignet seien Baumarten, die in Mittel- oder Südeuropa heimisch geworden sind: die aus Nordamerika stammende Robinie, die seit fast vier Jahrhunderten in europäischen Parks und Gärten gepflanzt wird; die Schwarzkiefer, die in den Mittelmeerländern Südeuropas, Kleinasiens und des westlichen Nordafrikas, aber auch in Österreich wächst; die bestens bekannte Douglasie oder die ebenfalls aus Nordamerika importierte schnellwüchsige Küstentanne, die sich gut an ein Klima mit trockenen Sommern anpasst.
Einen Teil dieser Bäume pflanzen Fell und seine Leute in diesem Jahr im Iphöfer Stadtwald: 500 Douglasien, 1200 Küstentannen, 900 Schwarzkiefern – nicht viel bei geplanten 47.000 Pflanzungen, aber durchaus so gewollt. Bei eingeschleppten Baumarten schaut der Naturschutz immer besonders genau hin.
Die im vergangenen Jahr gesetzten Pflanzen waren zwar durch das feuchte Frühjahr gut angewachsen, doch die Trockenheit im Sommer machte vielen den Garaus.
Fell erwartet "massive Ausfälle", die sich aber oft erst nach ein oder zwei Jahren zeigten. Fast 9000 Festmeter Holz hat er im vergangenen Jahr dem Wald entnommen, in diesem Jahr sollen es um die 11.500 Festmeter sein. Verstärkt will Fell in den nächsten Jahren Eichen schlagen, die gerade noch vital genug sind, um am Markt gute Preise zu erzielen. Alles andere mache aus wirtschaftlichen Erwägungen wenig Sinn.
Die Nachfrage nach Wertholz hat im vergangenen Jahr deutlich angezogen – damit gingen auch die Preise weiter nach oben. Um die 800 Euro wurden im Durchschnitt für den Festmeter Eichenwertholz bezahlt, in der Spitze waren es mehr als 2000 Euro, so viel wie nie. Auch beim stark nachgefragten Brennholz setzte Iphofen die Preise um gut 20 Prozent höher an, "maßvoll", wie Fell mit Blick auf das bisweilen überhitzte Preisumfeld erklärt.
Für den Förster und die Stadt sind das alles erfreuliche Nachrichten. Es sah schon mal ganz anders aus. Jetzt geht es darum, den richtigen Mix für die nächsten Jahre zu finden. Die Eiche als Stammbaum wird bleiben, so viel ist sicher. Doch vom Nadelholz wird man nicht ganz wegkommen. "Wir haben zuletzt schon gesehen", sagt Fell, "es wird eng mit Christbäumen."
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