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Kitzingen
Stadt der Zukunft: So soll Kitzingens Mitte fit für Klimawandel und Verkehrswende werden
Nach jahrelanger fruchtloser Debatte verständigt sich der Stadtrat auf ein Verfahren zum Umbau der Innenstadt. Wie geht es jetzt weiter und was bedeutet das für die dort lebenden Menschen?
Viel Straße, wenig Grün: Der Kitzinger Königsplatz und die darunter liegende Kaiserstraße sollen in den nächsten Jahren ein völlig neues Gesicht bekommen.
Foto: Oliver Schmidt | Viel Straße, wenig Grün: Der Kitzinger Königsplatz und die darunter liegende Kaiserstraße sollen in den nächsten Jahren ein völlig neues Gesicht bekommen.
Eike Lenz
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:22 Uhr

Wenn man den Redebeiträgen glaubt, hübsch geflochtenen Wortgirlanden, dann hat der Kitzinger Stadtrat an diesem 23. Juni 2022 Geschichte geschrieben. So euphorisch und geeint hat man das Gremium lange nicht erlebt. Dabei sind die Damen und Herren Stadträte auch an diesem schwülwarmen Sommerabend in der Alten Synagoge nicht weiter als über eine Willensbekundung hinausgekommen: Sie haben für die innerstädtischen Bereiche Kaiserstraße und Königsplatz einen Ideenwettbewerb ausgerufen, der Grundlage für das weitere Vorgehen sein soll.

Im besten Fall beteiligen sich daran bis zum Jahresende 25 Fachbüros, aus denen eine Jury die drei besten Entwürfe kürt. Doch schon die Aussicht auf die Vielfalt der Ideen beflügelte die Fantasie wie in einem Sommernachtstraum. Es müsste mit dem Teufel zugehen, so der Tenor im Stadtrat, wenn unter den Einsendungen nicht der große Wurf wäre.

Seit Jahren sucht der Stadtrat an dieser Stelle den Stein der Weisen, aber jedes Mal erinnerte er bislang an den bedauernswerten Helden Sisyphos, der immer wieder denselben Felsbrocken bergauf wälzen musste, ohne je den Gipfel zu erreichen. Den Fluch vergeblichen Bemühens fasste der langgediente CSU-Stadtrat Andreas Moser ganz unpoetisch so zusammen: „Ich hoffe, dass ich es als Stadtrat und Bürger noch erleben darf, wie sich Kitzinger hier neu erfindet.“

Für die Kleine Gartenschau gab es schon einmal einen Wettbewerb

Die Superlative waren an diesem Abend nicht zu hoch gegriffen. Thomas Wirth, der mit seinem Landschafts- und Stadtplanungsbüro arc.grün im Kitzinger Steigweg das Verfahren betreut, sprach von einem „ganz wichtigen Schritt in der Stadtgeschichte“. Stadtentwicklungsreferent Thomas Rank (CSU) sagte: „Unsere Fantasie geht gar nicht so weit, was hier an Vorschlägen kommen wird.“ Die Zuversicht rührt aus einem anschaulichen Beispiel: Auch für die Kleine Gartenschau im Jahr 2011 hatte es seinerzeit einen solchen Realisierungswettbewerb gegeben, gewonnen von einem Berliner Büro. Mit der Schau definierte Kitzingen seine Beziehung zum Main völlig neu. Noch gut im Ohr klingt der Satz Mosers: Hätte sich der Stadtrat um das Konzept kümmern müssen, es wäre wohl nie etwas daraus geworden.

Für Stadtplaner Wirth besteht jetzt die Chance, einen weiteren „Meilenstein“ zu setzen. Es geht um nicht weniger als um das Herzstück Kitzingens, jene verkehrliche Mitte, aus der sich alles Leben in große und kleine Kapillaren der Stadt verzweigt. Neben Kaiserstraße, Königsplatz und Alter Burgstraße soll es auch Impulse zur Luitpoldstraße und einem Teil der Schrannenstraße geben, also für „nahezu die Hälfte des innerstädtischen Straßenrings“, wie es seitens der Stadt heißt.

Noch ist die von Stadtkirche und Marktturm eingefasste Kaiserstraße eine der Hauptverkehrsadern der Innenstadt. Das könnte sich bald ändern.
Foto: Andreas Brachs | Noch ist die von Stadtkirche und Marktturm eingefasste Kaiserstraße eine der Hauptverkehrsadern der Innenstadt. Das könnte sich bald ändern.

Die Erwartung an die Wettbewerbsbüros: Alles soll auf den Prüfstand, jeder Stein soll umgedreht werden, nichts ist unmöglich. Das Plangebiet soll repräsentativ werden für die ganze Stadt. Die Stadt der Zukunft. Die Stadt im Fluss. Dabei geht es in Zeiten von Klima- und Energiekrise um weit mehr als bloß gestalterische Aspekte. Es geht ums große Ganze: weniger Verkehr, weniger Pflasterinseln, mehr Grün, mehr Qualität, mehr Wohlgefühl.

Am Königsplatz ist heute noch die Ur-Idee von 1883 sichtbar. Ein Obelisk zu Ehren Ludwigs II., jenes mythisch verklärten Märchenkönigs, ein Wandbrunnen, ein repräsentativer Platz, zu Füßen die Kaiserstraße, durch die bis zur Eröffnung der Nordtangente im Frühjahr 2011 der überörtliche Verkehr floss. Der Verkehrscharakter ist ihr bis heute anzusehen: breite Fahrbahn, schmale Gehwege, viel Parkraum. Mit den „raumgreifenden Baumbeständen“ soll sie nun zur grünen Flaniermeile werden.

Ohne den Wegfall von Parkplätzen wird das kaum gehen. Aber die Stadt will diese nicht einfach plump streichen, sondern setzt auf Pragmatismus. Stadtplaner Thomas Wirth hat schon einmal skizziert, wie diese „intelligenten Lösungen“ aussehen könnten. Von den verfügbaren 136 Stellplätzen in dem Gebiet sollen 50 auf jeden Fall erhalten bleiben und 20 weitere für wechselnde Nutzung vorgesehen werden (etwa im Sommer Außengastronomie, im Winter Parkraum). Der Rest ist als „multicodierte Fläche“ vorgesehen, ein Bereich, der mit den Randbereichen verwachsen und unterschiedlich nutzbar sein soll. Hier ist die Kreativität der Bewerber gefragt.

Auch die Kitzinger Bürger sollen sich am Innenstadtumbau beteiligen

Bis 1. Dezember haben die Bewerber nun Zeit, ihre Konzepte einzureichen. Sieben Büros hat die Stadt vorab ausgewählt, 18 weitere können sich bewerben. Anfang 2023 kürt eine 15-köpfige Jury, besetzt mit Fachleuten, Oberbürgermeister, Bauamtsleiter, Stadtheimatpfleger und Stadträten, die drei besten Entwürfe. Insgesamt schüttet die Stadt 60.000 Euro an Preisgeld aus, die gleiche Summe gibt es als „Bearbeitungshonorar“.

Stehen die Sieger fest, können die Bürgerinnen und Bürger alle Arbeiten besichtigen und selbst Vorschläge einreichen. Diese Ideen sollen dann die Siegerbüros je nach Verträglichkeit in ihre Entwürfe einarbeiten – so sehen es die Verfahrensregeln vor. „Die Bürgermeinungen zählen“, stellte Bauamtsleiter Oliver Graumann auf Nachfrage von Manfred Paul (SPD) im Stadtrat klar.

Ohne Gegenstimme hat der Stadtrat das Projekt am Donnerstag auf den Weg gebracht – ein Vertrauensvorschuss auch für die Planer. Wann es in die Umsetzung gehen wird, ist noch völlig offen; dazu muss das Vorhaben wegen seiner Größe europaweit ausgeschrieben werden. Stadtplaner Thomas Wirth sprach in der Sitzung von „Kitzingens Wohnzimmer, der besten Stube der Stadt“, die nun vor einer richtungsweisenden Renovierung steht. Große Pläne, große Worte.

 
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  • K. K.
    Ich beobachte den Verkehr in der "Grossen Kreisstadt KT" im 79. Lebensjahr gut!

    Hab dort den Fs 1962 gemacht und bin als Jugendlicher viel mit den Fahrrad und Moped aus den Lkr. nach KT zu den damaligen Schulen usw. gelangt. Ich erinnere mich noch gut daran, wie die Glocke vom Turm der Friedenskirche herunter fiel. Da stand ich in der Zuschauer-
    menge , die deren Installation sehen wollte. KT hatte einfach eine grosse Bedeutung in meinen Jugendjahren. Naja... lang ist's her.....
    Jetzt sehe ich auf einen Foto den Schulbus...... und stell mir vor, wie es wäre, wenn ähnlich wie in WÜ ein Stadtbusbetrieb aus der gross gewordenen Stadt kreisen würde und die Bewohner von ausserhalb in die Stadt bringen würde. Regelmässig mindestens 2x pro Stunde. Denn Parken kann man ja nicht mehr. Einkaufen - seid doch mal ehrlich - kann man in der Innenstadt doch auch nicht viel. Es hat eben alles seine Zeit. Entscheidend ist ohnehin " die politische "Grosswetterlage" der Zukunft". UND die Bürger !!
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