Wenn Frank Gimperlein aus dem Fenster seines Büros in der Kitzinger Innenstadt schaut, wird er manchmal Zeuge seltsamer Umtriebe. Immer wieder drehen Autofahrer ihre Runden am Gustav-Adolf-Platz. Sein geschulter Blick sagt dem Vorsitzenden des Kitzinger Stadtmarketingvereins dann: „Die suchen einen Parkplatz.“ Es gibt Zeiten, da wird diese Suche zum Nerven- und Geduldsspiel. Etwa 900 Wechselparkplätze gibt es im Kerngebiet der Stadt, im Dreieck zwischen Bundesstraße, Main und Nordtangente; 700 davon sind bewirtschaftet, also kostenpflichtig. Dazu kommen noch einmal rund 200 Dauerstellplätze in zwei Tiefgaragen. Anwohner, Berufstätige und Einkaufswillige buhlen um all diese Plätze, und jeder ist sich selbst der Nächste, wie man im täglichen Straßenwimmelbild beobachten kann.
Das Parkplatz-Thema ist hierzulande so alt, wie es motorisierten Verkehr gibt. Längst ist darüber ein Verteilungskampf um den öffentlichen Raum entbrannt, in dem sich Fußgänger, Rad- und Autofahrer zuweilen unversöhnlich gegenüberstehen. In der Kitzinger Innenstadt gibt es an jeder Ecke Autoabstellplätze, aber keinen einzigen ausgewiesenen Radweg. Und: Gemessen an den Grundstückspreisen in den Städten gibt es den öffentlichen Parkraum immer noch weitgehend zum Spottpreis. Die Stunde Parken ist in Kitzingen (außer in den Tiefgaragen) für 50 Cent zu haben, zu entrichten entweder in bar oder seit Ende 2019 über das Handy (per App oder SMS). Ein Anwohnerparkausweis kostet 30 Euro im Jahr. Das sind 8 Cent am Tag oder monatlich 21 Cent pro Quadratmeter.
Das also ist das Spannungsfeld, in dem sich Stadt- und Verkehrsplaner, Politiker und Umweltschützer, Anwohner und Geschäftsinhaber bewegen. „Wir kämpfen um jeden Parkplatz“, sagt Frank Gimperlein vom Stadtmarketingverein, stellvertretend für viele Gewerbetreibende. Vom Ortsverband der Grünen kommt der Ruf nach einem „Verkehrskonzept mit Alternativen zum Pkw-Individualverkehr“ – und Oberbürgermeister Stefan Güntner sieht sich als Moderator zwischen allen Stühlen. Über innenstadtnahe Parkplätze zu diskutieren kann unerschöpflich sein – weil man das Thema aus so vielen unterschiedlichen Blickwinkeln betrachten kann und es in dieser Debatte kein Falsch oder Richtig gibt.
Fragt man Menschen, die von auswärts kommen, was sie an Kitzingen als Einkaufsstadt schätzen, sagen viele, es seien die kurzen Wege. Das sagt auch Frank Gimperlein vom Stadtmarketingverein. Er weiß, dass Kitzingen nicht das Potenzial zum Bummeln hat wie andere Städte. „Der klassische Kunde rennt schnell ins Geschäft, macht seine Besorgung und geht wieder“, sagt Gimperlein. Für den schnellen Einkauf aber brauche es Parkplätze in der Nähe. Sie seien einer der großen Standortvorteile. Parkplätze aber lassen sich nicht beliebig herstellen oder vermehren. Deshalb sei es wichtig, die bestehenden zu erhalten. Gimperlein betrachtet die Entwicklung der vergangenen Jahre mit Sorge. Parkplätze wurden geopfert, manchmal ersatzlos wie am umgebauten Mainkai oder der neu gestalteten Fastnachtsakademie, manchmal auf Zeit, wie vor einigen Lokalen, um im Sommer Platz zu schaffen für Tische und Stühle der Gäste.
Kurz vor Weihnachten machte dann auch noch die Tiefgarage in der Herrnstraße dicht – weil sich Stadt und Sparkasse nicht über die Sanierungskosten einigen konnten. 140 Parkplätze – von heute auf morgen einfach weg. Der Grünen-Ortsverband spricht von einem „weiteren Pfeil ins Herz der Innenstadt“, Frank Gimperlein von einem „Riesenschlag“. Schon jetzt seien Kunden genervt, weil sie keinen Parkplatz fänden. Und nun noch das. „Wir brauchen die Tiefgarage“, sagt Gimperlein. Dass die Stadt auf der anderen Mainseite den unbefestigten Parkplatz am Bleichwasen ausbauen wolle, sei zu begrüßen. Doch Gimperlein glaubt nicht, dass dies auf Dauer das Problem für den Einzelhandel lösen wird. „Der Kitzingen-Besucher hat ein anderes Anspruchsdenken. Er möchte seinen Parkplatz in der Innenstadt.“
Was also tun, um auf der einen Seite die von Handel und Gastronomie benötigten Parkplätze vorzuhalten und auf der anderen Seite in der Innenstadt mehr Grün, mehr Ruhe, mehr Aufenthaltsqualität zu schaffen? Was heißt es, die von Gimperlein beschworene „goldene Mitte“ zu finden? Vielleicht braucht es ein Umdenken auf beiden Seiten, eine Verkehrswende im Kleinen. 1983 wurde in Kitzingen die Fußgängerzone errichtet und der Marktplatz dadurch autofrei, es ist bis heute der weitreichendste Eingriff in den Innenstadtverkehr und damals nicht ohne Kontroversen geblieben. Ähnliche Debatten will Oberbürgermeister Stefan Güntner auch in anderen Quartieren anstoßen, immer im Einklang mit den Betroffenen, wie er sagt. Für Frank Gimperlein ist klar: „Wir brauchen die nächsten 10 bis 15 Jahre schon noch Parkplätze, denn ich glaube nicht, dass die Leute mit dem Lastenfahrrad durch die Gegend fahren werden.“