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Iphofen/Kitzingen
Weniger Frust, mehr Lebenszeit: Welche Konsequenzen zwei Pendler aus ihrem Ärger mit der Bahn ziehen
Der eine hat sich einen Roller zugelegt, der andere überlegt, sich wieder ein Auto zu kaufen: Erlebt haben beide das gleiche. Hier erzählen sie von ihrem Bahn-Frust.
Von diesen Ankündigungen am Bahnsteig haben Markus Giehl und Niklas Keilholz genug. Jetzt ziehen sie Konsequenzen.
Foto: Marijan Murat, dpa (Symbolbild) | Von diesen Ankündigungen am Bahnsteig haben Markus Giehl und Niklas Keilholz genug. Jetzt ziehen sie Konsequenzen.
Julia Graber
 und  Julia Lucia
 |  aktualisiert: 11.07.2024 02:41 Uhr

Der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht und aus Bahnfahrer Markus Giehl einen Rollerfahrer gemacht hat, war das unterspülte Bahngleis bei Mainstockheim. Die Streichungen, Fahrplanänderungen und die mangelnde Kommunikation in der Folge des Hangrutsches von Anfang Juni waren jetzt einfach zu viel. Ähnlich geht es Niklas Keilholz. Weil der Öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) zwischen Kitzingen und Würzburg so unzuverlässig ist, sucht der 26-Jährige nach einer Alternative. 

Markus Giehl (46) aus Iphofen ist elf Jahre lang von Iphofen mit der Bahn nach Würzburg gefahren. Jetzt mag er nicht mehr. Jetzt fährt er Roller.
Foto: Julia Lucia | Markus Giehl (46) aus Iphofen ist elf Jahre lang von Iphofen mit der Bahn nach Würzburg gefahren. Jetzt mag er nicht mehr. Jetzt fährt er Roller.

Elf Jahre lang ist Markus Giehl aus Iphofen mit den öffentlichen Verkehrsmitteln von Iphofen an meinen Arbeitsplatz am Uniklinikum ZOM gefahren. "Seit vergangener Woche fahre ich Roller. Ich hatte – Entschuldigung für die Wortwahl – einfach die Schnauze voll", sagt der 46-Jährige und spricht von einer ständig wachsenden Unzufriedenheit.

Im vergangenen Jahr hat er die Störungen im Fahrplan noch akzeptiert, auch weil der Schienenersatzverkehr super funktioniert hat. "Aber jetzt? Du stehst früh am Bahnhof und dein Zug kommt einfach nicht – obwohl er im Internet angekündigt war", lässt er seinen Frust über die Deutsche Bahn raus. 

Bei Markus Giehl ist der Ärger über die Bahn ständig gewachsen

Endgültig gereicht hat es dem Iphöfer, als er am Morgen um 6.30 Uhr aus dem Haus ist, um 8.10 Uhr in Würzburg war und abends fast zweieinhalb Stunden nach Iphofen gebraucht habe. "Für 32 Kilometer einfach!", sagt er. "Ich bin zu keiner Sitzung mehr pünktlich gekommen." Und dann sei da auch noch die Straßenbahn-Situation in Würzburg, ständig ist ihm eine Bahn vor der Nase weggefahren. "Bis zum ZOM fährt sie ohnehin nicht, und dann erhöhen sie auch noch die Preise."

Mit dem Jobticket war Giehl von Haustür zu Haustür 45 Minuten unterwegs, weil er das Rad mitnehmen konnte. Mit dem Deutschlandticket waren es eine Stunde. Rad mitnehmen geht damit ja nicht. "Mit dem Roller sind es nicht ganz 30 Minuten, da ich überall durchkomme. Das ist echt Luxus", sagt er sichtlich erfreut.

Drei Liter Benzin braucht der Roller auf 100 Kilometer, das kostet ihn im Jahr nicht mehr als das Deutschlandticket. "Es ist sogar günstiger, weil ich im Urlaub ja nicht fahre", erklärt er. "Wir haben als Familie ein zweites Fahrzeug und ich deutlich mehr Lebensqualität, mehr Zeit für meine Familie."

"Mit der Deutschen Bahn kann ich einfach nicht planen."
Markus Giehl fährt jetzt Roller statt Bahn

Für das Unwetter kann die Bahn nichts, das versteht er. Was ihn so ärgert: Er hat nicht das Gefühl, dass es besser wird, eher immer schlimmer. "Mit der Deutschen Bahn kann ich einfach nicht planen. Nächste Woche fahre ich mit dem Roller nach Nürnberg, damit ich meinen Zug nach Berlin erwische", erzählt Giehl, denn der passende Zubringerzug fällt aus. "Man hat schon das Gefühl, dass die Haltestelle Iphofen, der Regionalverkehr insgesamt, von der Bahn kastriert wird", sagt er verärgert.

Nicht mal die 20 Minuten Powernap am Morgen vermisst er, denn: "Die mache ich jetzt bequem im Bett und nicht an die Scheibe gelehnt. Also auch wieder mehr Lebensqualität."

Niklas Keilholz zog nach Kitzingen, um auf das Auto verzichten zu können

Niklas Keilholz (26) arbeitet als Fachinformatiker in Würzburg und nutzt den RE10, um auf die Arbeit zu kommen. Aktuell überlegt der Kitzinger, wieder aufs Auto umzusteigen.
Foto: Julia Graber | Niklas Keilholz (26) arbeitet als Fachinformatiker in Würzburg und nutzt den RE10, um auf die Arbeit zu kommen. Aktuell überlegt der Kitzinger, wieder aufs Auto umzusteigen.

Niklas Keilholz wohnt in der Kitzinger Innenstadt und arbeitet als Fachinformatiker in Würzburg. "Ich bin extra nach Kitzingen gezogen, um auf das Auto verzichten zu können", sagt der gebürtige Schwarzacher.

Für den Arbeitsweg nimmt der 26-Jährige normalerweise werktags die Linie RE10. Doch wegen der aktuellen ÖPNV-Situation nutzt Keilholz nun öfter seine zwei wöchentlichen Homeoffice-Tage. Da der Fachinformatiker aber nicht jeden Tag von zu Hause aus arbeiten kann, muss er weiterhin nach Würzburg pendeln – entweder mit dem Zug oder dem Ersatzbus. 

"Ich nehme normalerweise den Zug um 7 Uhr, da fährt aber jetzt der Bus. Meiner Erfahrung nach brauche ich mit dem Bus doppelt so lange, um nach Würzburg zu kommen", sagt Keilholz. Für ihn ist Zugfahren deutlich attraktiver, "weil man schneller ist und nicht im Stau steht".

"Der ÖPNV kostet mir aktuell zu viel Lebenszeit."
Niklas Keilholz aus Kitzingen, der sich überlegt, wieder ein Auto zu kaufen
Mittwochmorgen, 7.20 Uhr: Pendlerinnen und Pendler steigen am Bahnhof in Kitzingen in einen Bus, der den RE10 ersetzt und nach Würzburg fährt.
Foto: Julia Graber | Mittwochmorgen, 7.20 Uhr: Pendlerinnen und Pendler steigen am Bahnhof in Kitzingen in einen Bus, der den RE10 ersetzt und nach Würzburg fährt.

Vor den Baumaßnahmen nahm Keilholz oft den RE10 um 16.41 Uhr, um nach der Arbeit nach Hause zu kommen. Diese Verbindung fährt laut DB-App aber aktuell nicht. Ersatzweise verkehrt ein Bus um 17.10 Uhr. Doch weil die Züge der Linie RE10 und die Ersatzbusse zu unzuverlässig seien, sucht Keilholz nun nach einer Alternative. "Ich schaue schon nach Gebrauchtwagen", sagt der Kitzinger.  "Der ÖPNV kostet mir aktuell zu viel Lebenszeit."

Die Entscheidung, eventuell wieder ein Auto zu kaufen, sei der aktuellen Situation geschuldet und die Kombination aus zwei Aspekten: "Dass es einerseits wieder Schienenersatzverkehr gibt und bei der Linie RE10 bis September keine Besserung in Sicht ist." 

Dabei macht Keilholz der Gedanke wütend, wieder mit dem Auto auf die Arbeit zu pendeln. "Ich fühle mich verdammt schlecht und bin sehr enttäuscht." Idealerweise sei Zugfahren entspannter, schneller und besser für die Umwelt.  "Wenn ich im Auto sitze, kann ich die Zeit nicht nutzen. Im Zug konnte ich Nachrichten lesen, und das habe ich sehr genossen." 

Wie geht es weiter mit der Zugverbindung RE10?

Ende September sollen für Züge wieder zwei Gleise zwischen Würzburg und Kitzingen befahrbar sein. Dann kann der Bahnverkehr planmäßig verkehren.
Ab Montag, 8. Juli, plant DB Regio Bayern zusätzliche Zugverbindungen zwischen Kitzingen und Nürnberg. Informationen über die weiteren Verbindungen sollen bald über die Bahn-App sowie in der Online-Auskunft zu finden sein.
Quelle: jug, jul
 
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Kommentare
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  • Harry Amend
    An anderer Stelle habe ich schon geschrieben das es unverständlich ist, warum die Bahn nur jeden zweiten RE 10 Zug fährt aber Güterzüge durchfährt. Hier passt etwas nicht zusammen so als wenn für die Bahn Güter wichtiger als Menschen sind. Die Privatisierung der Bahn darf als gescheitert angesehen werden.
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  • Klaus Fiederling
    ich finde es langsAm skandalös was die Bahn uns da bietet.
    Man will die Leute von der Straße auf die Schienen bringen,
    aber so nicht meine Damen und Herren Schläfer der Bahn!!
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