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Landkreis Kitzingen
Sand und Kies: Landkreis Kitzingen muss mit neuen Gruben rechnen
Der Abbau von Sand und Kies entlang des Mains prägt das Bild des Landkreises Kitzingen. Doch die Widerstände gegen neue Gruben wachsen. Verkraftet das Maintal noch mehr davon?
Baggersee Hörblach: Die Firma Lenz-Ziegler-Reifenscheid (LZR) duldet dort das Baden auf ihrem Gelände.
Foto: Barbara Herrmann | Baggersee Hörblach: Die Firma Lenz-Ziegler-Reifenscheid (LZR) duldet dort das Baden auf ihrem Gelände.
Barbara Herrmann
 |  aktualisiert: 10.05.2023 10:15 Uhr

Altmain, Baggerseen, Kiesgruben: Wohl in keinem Jahr waren die Wasserstellen des Landkreises so heiß begehrt wie im ersten Corona-Sommer 2020. Urlaub zuhause lautete das Stichwort, das den einen selig lächelnd in seinem Schlauchboot den Main hinunterpaddeln ließ, während manchem Anwohner schier der Kragen platzte vor lauter Parkchaos und Müll. Da könnte man es angesichts der steigenden Temperaturen doch für eine gute Sache halten, wenn der an Baggerseen reiche Landkreis Kitzingen noch ein paar mehr dazubekommt. Oder?

Im Gegenteil: Nie zuvor waren die Widerstände gegen neue Gruben zur Gewinnung von Sand und Kies so groß wie heute. Prominentestes Beispiel ist sicherlich die Nordheimer Au, wo sich die Anwohner seit Jahren gegen die geplante Grube der Kitzinger Firma Lenz-Ziegler-Reifenscheid (LZR) wehren. Auch deren neuestes Projekt in Düllstadt – auf einem bislang landwirtschaftlich genutzten Acker – ist in dem Schwarzacher Ortsteil nicht willkommen.

Angst vor Lärm und Zerstörung

Die Menschen haben Angst vor dem Verkehr, vor Lärm, vor ausbleibenden Touristen, vor einem zerstörten Landschaftsbild, vor der Vertreibung vieler Tierarten. Warum, könnten sich allen voran die Schwarzacher mit ihren vielen offenen Gruben fragen, braucht es im Landkreis überhaupt so viele Abbaugebiete? Der Rohstoff mag für die boomende Bauwirtschaft und den Straßenbau zwar elementar sein, aber könnten die nicht woanders buddeln?

Sand und Kies: Landkreis Kitzingen muss mit neuen Gruben rechnen

Ein Anruf bei Prof. Dr. Barbara Sponholz, Lehrstuhl für Geographie der Universität Würzburg. Sie bemüht sich, das komplexe Thema für Laien zu erklären. Und bringt es mit einem Satz auf den Punkt: "Dort, wo der Spargel herkommt, gibt's Sand." Und dieser befinde sich in den Ablagerungen des Mains aus den letzten Kaltzeiten. Von einem Zeitraum von vor einer Million Jahren spricht die Professorin.

Weiter Weg bis zur Elbe

Flussaufwärts des Bereichs Kitzingen gebe es viel Sandstein, der irgendwann zu Sand wird. So der Keupersandstein im Steigerwald und in den Haßbergen, den Zuflüsse in den Main einspülen. Im Muschelkalkbereich rund um Würzburg sei hingegen deutlich weniger Sand zu finden. Damit wäre die Frage, ob woanders buddeln nicht auch ginge, also beantwortet. Dafür wären sehr weite Fahrten nötig. Ins Elbsandsteingebirge zum Beispiel. "Da gibt's massig Sand, dagegen ist der Main schon mickrig", sagt Sponholz. Doch vor diesen Fahrten warnt wegen der langen Strecke Christian Reifenscheid. 

Christian Reifenscheid (links) und sein Vater Hermann Reifenscheid von der Geschäftsführung der Firma Lenz-Ziegler-Reifenscheid auf dem Betriebsgelände in Kitzingen.
Foto: Thomas Obermeier | Christian Reifenscheid (links) und sein Vater Hermann Reifenscheid von der Geschäftsführung der Firma Lenz-Ziegler-Reifenscheid auf dem Betriebsgelände in Kitzingen.

Er stellt die nächste Generation des Unternehmens LZR dar, das vor über 100 Jahren als Sand- und Kiesbaggerei gegründet worden ist. Vier aktive Gruben haben die Kitzinger derzeit im Landkreis, für Nordheim und Albertshofen hat LZR den Abbau beantragt. Zudem gibt es Pläne, auch in Düllstadt und im Norden von Sulzfeld Richtung Kitzingen, Sand abzubauen.

Regionalplan nennt Gebiete zur Rohstoffgewinnung

Grundsätzlich möglich macht das der Regionalplan, der sich wiederum aus dem Landesentwicklungsplan ableitet. Eine Million Jahre Erdgeschichte, festgehalten auf ein paar Seiten zur Rohstoffgewinnung in Unterfranken. Genannt werden darin unter anderem sogenannte Vorrang- und Vorbehaltsgebiete, die sich wegen des natürlichen Vorkommens gut für den Abbau von Sand und Kies eignen. In  solchen Vorranggebieten sei der Abbau von Bodenschätzen unbedenklich und ihm soll gegenüber anderen Nutzungsansprüchen der Vorrang eingeräumt werden. Denn es es ist laut Regionalplan "von besonderer Bedeutung, dass die Versorgung der Bevölkerung und Wirtschaft mit preiswürdigen mineralischen Bodenschätzen aus heimischen Rohstoffvorkommen sichergestellt wird".

Anschließend sind Flächen bei Füttersee, Kirchschönbach, Düllstadt, Hörblach und Dettelbach aufgelistet. Zudem eine in Frickenhausen im Landkreis Würzburg. Der Rest liegt im Landkreis Main-Spessart. Ähnlich ist die Lage bei den Vorbehaltsgebieten, da kommen aus dem Landkreis Kitzingen noch Ebersbrunn, Laub, Stadtschwarzach, Großlangheim und Hohenfeld hinzu.

Kritik an Flächenbedarf im Maintal

Was auffällt: Nordheim und die Mainschleife stehen nicht auf der Liste. Von "bestehenden Zielkonflikten" ist im Regionalplan die Rede. Dennoch schließt dieser neue Gruben im dortigen Landschaftsschutzgebiet nicht aus, das müsse fallweise geprüft werden. Gleichzeitig wird aber gewarnt, dass der bereits erfolgte Abbau das Landschaftsgefüge durch großen Flächenbedarf beeinträchtigt und stellenweise überbeansprucht habe. "Dies gilt insbesondere für Entnahmestellen im Maintal."

Steffen Beuerlein, Geschäftsführer der Beuerlein-Gruppe, steht vor einer Grube.
Foto: Martin Hogger | Steffen Beuerlein, Geschäftsführer der Beuerlein-Gruppe, steht vor einer Grube.

Steffen Beuerlein vom gleichnamigen Gaibacher Unternehmen weiß um die Problematik. Für ihn sehr wichtig sei: "Wir müssen die strengen Auflagen und den Zeitrahmen einhalten." Nur so gebe es eine Chance auf Akzeptanz in der Bevölkerung. Zusammen mit seinem Bruder Jan-Felix Beuerlein verweist er beim Gespräch auf die hohe Nachfrage nach Sand und Kies, gerade auch angesichts des Baubooms. Für Steffen Beuerlein ist der Landschaftsschutz bei dem Thema darum komplett konträr zum Natur- und Klimaschutz: "Alle Klimaschutzprojekte an der Mainschleife sind pillepalle zu dem, was ich kaputtmache, wenn ich den Sand und Kies von weit weg hole."

Erster Widerstand in Dettelbach

Und was sagt die dritte große Firma zum Problem des drohenden Rohstoffmangels und der wachsenden Widerstände?  Jürgen Popp, Werkleiter bei Heidelberger Sand und Kies in Dettelbach, klang im vergangenen Jahr noch recht entspannt: "Wir sind seit 50 Jahren da, die Dettelbacher sind es gewohnt." Zudem wüssten die Anwohner die schrittweise Renaturierung und den Badesee zu schätzen. Die Rohstoff-Versorgung nennt er eine Katastrophe, sollten keine neuen Genehmigungen für den Landkreis kommen. "Und dann werden die Baustoffe hier sehr, sehr teuer."

Der Dettelbacher Baggersee im Juli 2020. Das Gelände gehört größtenteils der Heidelberger Sand und Kies GmbH, die dort die Rohstoffe abbaut, wie im Hintergrund zu sehen ist.
Foto: Barbara Herrmann | Der Dettelbacher Baggersee im Juli 2020. Das Gelände gehört größtenteils der Heidelberger Sand und Kies GmbH, die dort die Rohstoffe abbaut, wie im Hintergrund zu sehen ist.

Doch auch in Dettelbach regt sich nun Widerstand gegen die Erweiterung. Zwischen Wohnmobil-Stellplatz und Baggersee ist Abbaufeld 6 genehmigt, im kommenden Jahr soll dort bereits gebaggert werden. Vor kurzem lagen Flugblätter dagegen in den Briefkästen. Die Sorge vor noch mehr Verkehr und Lärm könnte auch dort eine Bürgerinitiative entstehen lassen.

Drei Unternehmen im Landkreis Kitzingen

LZR: Lenz-Ziegler-Reifenscheid GmbH, Kitzingen, gegründet 1906 in Kitzingen als Sand- und Kiesbaggerei. Geschäftsführer sind Willi Lenz (59 Jahre) und Hermann Reifenscheid (71). Die GmbH hat 85 Mitarbeiter, in der LZR-Gruppe sind es circa 160. Zur Gruppe gehören noch die LZR-Baur-Beton GmbH & Co.KG in Gutenborn (Sachsen-Anhalt), die Firmengruppe Stahlform in Kitzingen und Crossen an der Elster (Thüringen) und die Sand- und Kieswerk Großgrabe GmbH in Bernsdorf (Sachsen). Ohne Rohstoffe fehlt laut Christian Reifenscheid die Existenzgrundlage für die LZR GmbH zu 100 Prozent.
Beuerlein: Beuerlein GmbH & Co. KG, Sitz im Volkacher Ortsteil Gaibach, dort gegründet 1963. Geschäftsführer sind Bruno Beuerlein (63) und Steffen Beuerlein (36). Zur Beuerlein-Gruppe mit insgesamt 140 Mitarbeitern gehört noch die Beuerlein TB GmbH & Co. KG mit Sitz in Marktbreit (Firma Wüffert bis zur Umfirmierung 2017) Die Rohstoffgewinnung insgesamt (Sand/Kies, Muschelkalk, Sandstein und Ton) ist laut Steffen Beuerlein ein bedeutendes Geschäftsfeld der Unternehmensgruppe. Sand und Kies alleine im Verhältnis zum Gesamtumsatz eher untergeordnet.
Heidelberger: Dettelbach ist der Sitz von drei Firmen der HeidelbergCement AG. Der Konzern zählt sich zu den global führenden Baustoffherstellern mit 4000 Mitarbeitern in Deutschland und 53 000 weltweit. Er wurde 1873 als Zementwerk in Heidelberg (Baden-Württemberg) gegründet. In Dettelbach arbeiten bei der Heidelberger Sand und Kies GmbH (HSK) 13 Leute, bei der Heidelberger Beton GmbH sind es zwölf Mitarbeiter, sieben im Bereich Betonpumpen. Werkleiter der HSK in Dettelbach ist Jürgen Popp.
Quelle: bh
 
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  • R. B.
    Offensichtlich führen einige Kommentatoren einen regelrechten Privatkrieg gegen die Fa. LZR. Anders lässt sich dieser deutliche Widerstand nicht erklären. Selbst eine Reduzierung der Flächenversieglung noch eine Wiederverwendung von recyceltem Beton hilft nicht weiter: Wir brauchen nach wie vor neu zu erschließende regionale Abbaugebiete von Sand und Kies, da jede Grube irgendwann einmal ausgebeutet ist. Und ja, es erfordert eine Rekultivierung, aber nicht in jedem Fall eine Wiederbefüllung. Dass Rekultivierung nicht unbedingt neue landwirtschaftliche Flächen bedeuten muss, zeigt die Fa. LZR jedem Interessierten auf: nachzulesen: https://www.lzr.de/wp-content/uploads/LZR-Broschuere-Sand-Kies-Natur.pdf. Nicht jeder, der den Boden ausbeutet, gibt der Natur so viel wieder zurück. Und - sind wir doch mal ehrlich: Warum ist es an der Mainschleife so schön? Es liegt am Wasser, am fließenden und am stehenden. Und Baggerseen verhindern naturgemäß auch eine Versiegelung für neue Baugebiete.
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  • P. S.
    Es ist höchste Zeit den Flächenversiegelungen für neue Industrie- und Wohngebiete sowie bei Waldrodungen für Autobahnneubaustrecken Einhalt zu gebieten. Da kann man ganz viel Beton, Sand, etc. einsparen.

    Die in den letzten Jahrzehnten weltweit sehr stark gewachsene Flächenversiegelung, Waldrodung, usw. ist eine der vielen Ursachen des Klimawandels. Verantwortlich dafür ist eine Politik, die auf Konsumanreize setzt, immerwährendes Wachstum verspricht und die Welt ökonomisch in Gewinner und Verlierer spaltet. Für den Konsumrausch einer reichen Minderheit zahlen die Ärmsten den Preis. Die katastrophalen Folgen der Klimakrise sind schon heute vielerorts spürbar.
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    Viele Anwohner an derzeitigen und zukünftig geplanten Gruben bzw. an den tangierten Fahrtwegen könnten sich (vielleicht) mit einer weiteren Ausbaggerung arrangieren, wenn: Ja - wenn sich manche Firmen auch an die zeitlich, genehmigten Ausbeutepläne und an den Zeitraum der Wiederverfüllung halten würden.
    Die Firma LZR hatte sich in der Vergangenheit sehr oft nicht daran gehalten. Ältestes Beispiel in Volkach ist in der Dimbacher Straße der kleine Baggersee gegenüber der Tankstelle. In Astheim an der ehemaligen Bördleingrube ebenfalls nicht und schon gar nicht in Fahr am Elgersheimer Hof. Dort ist z.B. die Firma Beuerlein ein Vorzeigebeispiel. Ausbeuten und zeitnah wieder verfüllen. Viele Löcher aufreißen statt eine Grube ausbeuten und zeitnah wiederfüllen - so geht das gar nicht. Bei so einem Geschäftsgebaren müssen solche Firmen auch zukünftig mit dem massiven Widerstand der Mainschleifenbewohner rechnen.
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    an neuen Grupen kommen wir vermutlich nicht vorbei. Eine Abbaulizenzsollten aber nur solche Unternehmen bekommen, die Beton recyceln und den daraus gewonnen Sand mind. zu 50% wieder im Beton einsetzten.
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