Altmain, Baggerseen, Kiesgruben: Wohl in keinem Jahr waren die Wasserstellen des Landkreises so heiß begehrt wie im ersten Corona-Sommer 2020. Urlaub zuhause lautete das Stichwort, das den einen selig lächelnd in seinem Schlauchboot den Main hinunterpaddeln ließ, während manchem Anwohner schier der Kragen platzte vor lauter Parkchaos und Müll. Da könnte man es angesichts der steigenden Temperaturen doch für eine gute Sache halten, wenn der an Baggerseen reiche Landkreis Kitzingen noch ein paar mehr dazubekommt. Oder?
Im Gegenteil: Nie zuvor waren die Widerstände gegen neue Gruben zur Gewinnung von Sand und Kies so groß wie heute. Prominentestes Beispiel ist sicherlich die Nordheimer Au, wo sich die Anwohner seit Jahren gegen die geplante Grube der Kitzinger Firma Lenz-Ziegler-Reifenscheid (LZR) wehren. Auch deren neuestes Projekt in Düllstadt – auf einem bislang landwirtschaftlich genutzten Acker – ist in dem Schwarzacher Ortsteil nicht willkommen.
Angst vor Lärm und Zerstörung
Die Menschen haben Angst vor dem Verkehr, vor Lärm, vor ausbleibenden Touristen, vor einem zerstörten Landschaftsbild, vor der Vertreibung vieler Tierarten. Warum, könnten sich allen voran die Schwarzacher mit ihren vielen offenen Gruben fragen, braucht es im Landkreis überhaupt so viele Abbaugebiete? Der Rohstoff mag für die boomende Bauwirtschaft und den Straßenbau zwar elementar sein, aber könnten die nicht woanders buddeln?
Ein Anruf bei Prof. Dr. Barbara Sponholz, Lehrstuhl für Geographie der Universität Würzburg. Sie bemüht sich, das komplexe Thema für Laien zu erklären. Und bringt es mit einem Satz auf den Punkt: "Dort, wo der Spargel herkommt, gibt's Sand." Und dieser befinde sich in den Ablagerungen des Mains aus den letzten Kaltzeiten. Von einem Zeitraum von vor einer Million Jahren spricht die Professorin.
Weiter Weg bis zur Elbe
Flussaufwärts des Bereichs Kitzingen gebe es viel Sandstein, der irgendwann zu Sand wird. So der Keupersandstein im Steigerwald und in den Haßbergen, den Zuflüsse in den Main einspülen. Im Muschelkalkbereich rund um Würzburg sei hingegen deutlich weniger Sand zu finden. Damit wäre die Frage, ob woanders buddeln nicht auch ginge, also beantwortet. Dafür wären sehr weite Fahrten nötig. Ins Elbsandsteingebirge zum Beispiel. "Da gibt's massig Sand, dagegen ist der Main schon mickrig", sagt Sponholz. Doch vor diesen Fahrten warnt wegen der langen Strecke Christian Reifenscheid.
Er stellt die nächste Generation des Unternehmens LZR dar, das vor über 100 Jahren als Sand- und Kiesbaggerei gegründet worden ist. Vier aktive Gruben haben die Kitzinger derzeit im Landkreis, für Nordheim und Albertshofen hat LZR den Abbau beantragt. Zudem gibt es Pläne, auch in Düllstadt und im Norden von Sulzfeld Richtung Kitzingen, Sand abzubauen.
Regionalplan nennt Gebiete zur Rohstoffgewinnung
Grundsätzlich möglich macht das der Regionalplan, der sich wiederum aus dem Landesentwicklungsplan ableitet. Eine Million Jahre Erdgeschichte, festgehalten auf ein paar Seiten zur Rohstoffgewinnung in Unterfranken. Genannt werden darin unter anderem sogenannte Vorrang- und Vorbehaltsgebiete, die sich wegen des natürlichen Vorkommens gut für den Abbau von Sand und Kies eignen. In solchen Vorranggebieten sei der Abbau von Bodenschätzen unbedenklich und ihm soll gegenüber anderen Nutzungsansprüchen der Vorrang eingeräumt werden. Denn es es ist laut Regionalplan "von besonderer Bedeutung, dass die Versorgung der Bevölkerung und Wirtschaft mit preiswürdigen mineralischen Bodenschätzen aus heimischen Rohstoffvorkommen sichergestellt wird".
Anschließend sind Flächen bei Füttersee, Kirchschönbach, Düllstadt, Hörblach und Dettelbach aufgelistet. Zudem eine in Frickenhausen im Landkreis Würzburg. Der Rest liegt im Landkreis Main-Spessart. Ähnlich ist die Lage bei den Vorbehaltsgebieten, da kommen aus dem Landkreis Kitzingen noch Ebersbrunn, Laub, Stadtschwarzach, Großlangheim und Hohenfeld hinzu.
Kritik an Flächenbedarf im Maintal
Was auffällt: Nordheim und die Mainschleife stehen nicht auf der Liste. Von "bestehenden Zielkonflikten" ist im Regionalplan die Rede. Dennoch schließt dieser neue Gruben im dortigen Landschaftsschutzgebiet nicht aus, das müsse fallweise geprüft werden. Gleichzeitig wird aber gewarnt, dass der bereits erfolgte Abbau das Landschaftsgefüge durch großen Flächenbedarf beeinträchtigt und stellenweise überbeansprucht habe. "Dies gilt insbesondere für Entnahmestellen im Maintal."
Steffen Beuerlein vom gleichnamigen Gaibacher Unternehmen weiß um die Problematik. Für ihn sehr wichtig sei: "Wir müssen die strengen Auflagen und den Zeitrahmen einhalten." Nur so gebe es eine Chance auf Akzeptanz in der Bevölkerung. Zusammen mit seinem Bruder Jan-Felix Beuerlein verweist er beim Gespräch auf die hohe Nachfrage nach Sand und Kies, gerade auch angesichts des Baubooms. Für Steffen Beuerlein ist der Landschaftsschutz bei dem Thema darum komplett konträr zum Natur- und Klimaschutz: "Alle Klimaschutzprojekte an der Mainschleife sind pillepalle zu dem, was ich kaputtmache, wenn ich den Sand und Kies von weit weg hole."
Erster Widerstand in Dettelbach
Und was sagt die dritte große Firma zum Problem des drohenden Rohstoffmangels und der wachsenden Widerstände? Jürgen Popp, Werkleiter bei Heidelberger Sand und Kies in Dettelbach, klang im vergangenen Jahr noch recht entspannt: "Wir sind seit 50 Jahren da, die Dettelbacher sind es gewohnt." Zudem wüssten die Anwohner die schrittweise Renaturierung und den Badesee zu schätzen. Die Rohstoff-Versorgung nennt er eine Katastrophe, sollten keine neuen Genehmigungen für den Landkreis kommen. "Und dann werden die Baustoffe hier sehr, sehr teuer."
Doch auch in Dettelbach regt sich nun Widerstand gegen die Erweiterung. Zwischen Wohnmobil-Stellplatz und Baggersee ist Abbaufeld 6 genehmigt, im kommenden Jahr soll dort bereits gebaggert werden. Vor kurzem lagen Flugblätter dagegen in den Briefkästen. Die Sorge vor noch mehr Verkehr und Lärm könnte auch dort eine Bürgerinitiative entstehen lassen.
Die in den letzten Jahrzehnten weltweit sehr stark gewachsene Flächenversiegelung, Waldrodung, usw. ist eine der vielen Ursachen des Klimawandels. Verantwortlich dafür ist eine Politik, die auf Konsumanreize setzt, immerwährendes Wachstum verspricht und die Welt ökonomisch in Gewinner und Verlierer spaltet. Für den Konsumrausch einer reichen Minderheit zahlen die Ärmsten den Preis. Die katastrophalen Folgen der Klimakrise sind schon heute vielerorts spürbar.
Die Firma LZR hatte sich in der Vergangenheit sehr oft nicht daran gehalten. Ältestes Beispiel in Volkach ist in der Dimbacher Straße der kleine Baggersee gegenüber der Tankstelle. In Astheim an der ehemaligen Bördleingrube ebenfalls nicht und schon gar nicht in Fahr am Elgersheimer Hof. Dort ist z.B. die Firma Beuerlein ein Vorzeigebeispiel. Ausbeuten und zeitnah wieder verfüllen. Viele Löcher aufreißen statt eine Grube ausbeuten und zeitnah wiederfüllen - so geht das gar nicht. Bei so einem Geschäftsgebaren müssen solche Firmen auch zukünftig mit dem massiven Widerstand der Mainschleifenbewohner rechnen.