Jeden Morgen, bei Wind und Wetter, geht Rosa Blümlein oder ihr Mann Friedrich hinaus in den Garten. Im Winter um 6.50 Uhr, im Sommer um 7.50 Uhr laufen sie zur kleinen Wetter-Messstation. Wenn es in ihrem Wohnort Markt Einersheim (Lkr. Kitzingen) regnet oder schneit, fängt der kleine, silberne Behälter das Wasser oder den Schnee auf.
Weiße Weihnacht wird seltener, war aber nie die Regel
Seit 1989 beobachten sie für den Deutschen Wetterdienst (DWD) von ihrem Garten aus das Wetter. Die Fakten bestätigen dabei ein Grundgefühl, das die beiden haben: Schnee und Regen werden weniger. Die Auswertung ihrer über die Jahre gesammelten Daten für die Weihnachtstage zeigt: Gab es in den Jahren von 1989 bis 1999 noch vier Weihnachten mit mindestens einem Tag Schnee, so kam das seitdem in Markt Einersheim nur noch zweimal vor.
Auch der Blick in die weiter zurückliegende Vergangenheit zeigt eine ähnliche Tendenz. In den 40 Jahren zwischen 1960 und 1999 hat es immerhin 15 Jahre mit Schnee an einem der drei Weihnachtstage gegeben: Eine Weiße-Weihnacht-Quote von immerhin 37,5 Prozent.
Allerdings schneite es häufig nur an einem der drei Weihnachtstage. Dass über die drei Weihnachtstage hinweg in Markt Einersheim als fünf Zentimeter Schnee fiel, kam seit 1960 nur sechs Mal vor.
Weihnachtstauwetter ein begründetes Wetter-Phänomen
"Die Weiße Weihnacht ist wirklich ein Mythos oder Wunschgedanke", sagt Guido Wolz, beim DWD Leiter des Referats Regionale Wetterberatung. "Weiße Weihnachten sind in Deutschland die absolute Ausnahme und grüne Weihnachten die Regel", so Wolz. Grund dafür sei eine Wetter-Singularität, also ein regelmäßiges, sehr wahrscheinliches Ereignis: das sogenannte Weihnachtstauwetter.
Wie Wetter-Experte Wolz erklärt, wird es Anfang Dezember auf der Nordhalbkugel immer kälter und der Temperaturunterschied zum Äquator somit größer. Dadurch intensiviere sich der Jetstream, ein Starkwindfeld in großer Höhe, und bringe mildere Luft vom Atlantik nach Deutschland – pünktlich zu Weihnachten. Zu Silvester könne es aber schon wieder kälter werden.
Im Gegensatz zu diesem Jahr habe das Phänomen in Folge des Klimawandels zuletzt nachgelassen, erklärt Wolz weiter. In den letzten Jahren hat es oft gar keinen Wintereinbruch vor Weihnachten gegeben, "dann kann man auch nicht von Tauwetter sprechen", sagt Wolz.
Die letzte weiße Weihnacht in Markt Einersheim 2010
Ausnahmen von der Regel gibt es aber dennoch. Rosa und Friedrich Blümlein ist vor allem die bislang letzte richtige weiße Weihnacht in Erinnerung geblieben. 2010 hatten die Blümleins gerade eine Austauschschülerin aus den USA zu Besuch, erinnert sich Rosa Friedrich. "Wir wollten sie am Weihnachtsabend noch zu Freunden fahren, aber wir waren hier komplett eingeschneit." In ihren Daten für den 25. Dezember 2010 haben sie stehen: 16 Zentimeter Neuschnee.
Begonnen hat das Ehepaar mit der Wetterbeobachtung, als es 1989 ein Haus baute. Damals ging ein Freund der Familie in den Ruhestand und überzeugte die Blümleins, sein Ehrenamt zu übernehmen. Sie sagten zu und zeichnen seitdem tagtäglich die Wetterdaten auf und melden sie an den DWD. Zwar sind beide heute selbst in Rente, aber die Wetterbeobachtung haben sie nicht aufgegeben.
Die Wetterbeobachtung ist einfacher geworden
In der Anfangszeit war der Nebenjob im Garten noch deutlich aufwendiger: "Früher mussten wir nicht nur Niederschlag, sondern auch Dunst, Nebel, Hagel oder Gewitter, aber auch die Windgeschwindigkeit eingeben", sagt Friedrich Blümlein. Besondere Feinfühligkeit habe das Messen von Tau erfordert: "Damals mussten wir noch die Tautröpfchen an den Grashalmen messen."
Von den vielen Aufgaben ist heute nur noch die Niederschlagsmessung übrig geblieben. Für alles andere habe der DWD inzwischen automatische Messstationen, sagt Friedrich Blümlein. Im Garten der Eheleute steht die manuelle Messstation, bestehend aus einem einfachen, silbernen Zylinder mit abnehmbarem Deckel und einem Flüssigkeitsbehälter am Boden. "Im Winter kommt hier noch ein Schneekreuz rein", erklärt er, "damit der Wind die Schneeflocken nicht wieder aus dem Behälter raushebt".
Beim Messen der exakten Schneehöhe mit dem Messstab ist auch Fingerspitzengefühl gefragt, sagt Friedrich Blümlein. Außerdem werfe er immer auch einen Blick auf die Landschaft. Erst am letzten Morgen hätte er beispielsweise nicht nur leichten Schneefall gemeldet, sondern auch die "durchbrochene Schneedecke".
Nicht nur die Menge der Daten wurde im Laufe der Zeit immer geringer, sondern auch ihre Übertragung immer leichter. Rosa Blümlein erzählt, dass sie die Messwerte früher täglich von Hand notiert hätten und alle Kennzahlen am Monatsende auf die blauen Bögen des DWD zu übertragen hatten. Heute würden sie Tageswerte direkt in ein Online-System eingeben. Das erspare den beiden Rentnern viel Arbeit.
Wetterbeobachtung ist ein Ehrenamt
Das Wetter beobachtet das Ehepaar auch heute noch mit viel Freude. Durch die technischen Vereinfachungen seien die Aufgaben immer leichter in den Alltag integrierbar. Auch für den Urlaub sei die Verantwortung kein Hindernis. Nach der Rückkehr würden sie einfach die Gesamtmenge Niederschlag melden, sagt Friedrich Blümlein.
In Bayern gibt es rund 400 ehrenamtliche Wetterbeobachter, in Deutschland etwa 1750. Derzeit sucht der DWD in Unterfranken Ehrenamtliche für Bischofsheim, Dorfprozelten und Geroda. Die Betreuung der Wetterbeobachterinnen und -beobachter durch den DWD empfinden sie sehr wertschätzend, so die Blümleins. Sie seien schon mehrmals zur bayerischen Niederlassung des DWD in München eingeladen worden, um die dortige Arbeit gezeigt zu bekommen. "Es ist schön zu sehen, was mit den Daten passiert", sagt Friedrich Blümlein, "für die man täglich in den Garten geht".