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Iphofen
Küchenpunk Stefan Marquard verrät, wie Heimat schmeckt und wie Kinder (fast) alles essen
Kloß mit Soß geht immer für Profikoch Stefan Marquard, der aus Volkach-Astheim stammt. Ein Gespräch über wählerische Esser, welche Pommes-Alternative bei Kindern funktioniert und warum er kein TV-Koch sein will.
Erwischt: Sternekoch Stefan Marquard nascht in der Küche eine Erdbeere. Im Iphöfer Restaurant '99er Kulinarium' kochte er ein fränkisches Menü. Als Dessert gab's die Erdbeeren mit Rhabarber.
Foto: Silvia Gralla | Erwischt: Sternekoch Stefan Marquard nascht in der Küche eine Erdbeere. Im Iphöfer Restaurant "99er Kulinarium" kochte er ein fränkisches Menü. Als Dessert gab's die Erdbeeren mit Rhabarber.
Julia Lucia
 |  aktualisiert: 15.07.2024 10:09 Uhr

Bandana, Ziegenbart und immer einen lockeren Spruch – so wurde der Profikoch Stefan Marquard dem breiten Publikum Anfang der 2000er-Jahre bekannt. Aus dem Fernsehen hat er sich zurückgezogen – "die Anfragen werden immer blöder" – und auch der Sternegastronomie hat er den Rücken gekehrt, aber nicht der Küche und den kulinarischen Genüssen an sich. Der Astheimer, der inzwischen bei München wohnt, berät Restaurants, betreibt einen Online-Shop und eine Online-Kochschule und steht als Gastkoch immer wieder am Herd – wie jetzt im "99er Kulinarium", dem Restaurant von Lukas Rönninger in Iphofen. Zwei Jahre hat Rönninger mit Marquard als Chef gearbeitet und gelernt: "Man muss alles etwas lockerer sehen." Stefan Marquard war "der lockerste Chef der Welt", aber auch einer, der immer zu seinem Wort steht, sagt Rönninger.

Frage: Sie sind in Astheim aufgewachsen und jung in die Welt gezogen. Wie ist es, nach Franken zu fahren?

Stefan Marquard: Heimkommen ist immer etwas Schönes. Ich fahre öfter durch Franken, aber Zeit, um runterzufahren, bleibt selten. Meine Wanderschaft ging schon früh los – nach meiner Lehre im "Rebstock". Da war ich gerade 18. Vorher habe ich Metzger in Volkach gelernt. Seitdem bin ich weg. Bevor ich nach Iphofen gefahren bin, habe ich meine Mutter und meinen Vater angerufen; wir haben uns zu einem wunderschönen Vatertagsfrühstück verabredet.

Sie leben als Franke in Bayern, in der Nähe von München. Geht das gut?

Marquard: Das ist eine missionarische Tätigkeit (lacht). Die Bayern wissen ja nicht, dass die Unterfranken die Elite Bayerns sind. Die sind immer wie vorn Kopf gestoßen, wenn man das erwähnt (lacht herzhaft).

Welches Gericht ist für Sie Heimat?

Marquard: Für mich gibt es da wirklich nur ein Gericht: Rindfleisch mit Kren, also mit Meerrettichsoße, selbergemachte Nudeln und Preiselbeeren. Das war unser Highlight-Standardgericht. Das Schöne ist, immer wenn man heimkommt, kann man sich von der Mutter etwas wünschen.

Statt Kochmütze tragen Sie bunte Kopftücher. Wie viele haben Sie?

Marquard: Oh je! 30, 40 – das werden immer mehr. Ich verschenke auch welche. Das ist ein begehrtes Geschenk. Es gibt auch welche, die setze ich nie auf. Die Top Ten sind gesetzt und die anderen nutze ich ab und zu mal.

Einst hat Lukas Rönninger (rechts) bei Stefan Marquard gearbeitet. Mittlerweile hat er in Iphofen selbst ein Restaurant. 
Foto: Silvia Gralla | Einst hat Lukas Rönninger (rechts) bei Stefan Marquard gearbeitet. Mittlerweile hat er in Iphofen selbst ein Restaurant. 
Bekannt wurden Sie als Küchenpunk und als junger Wilder. Jetzt werden Sie bald 58 Jahre alt. Immer noch ein Punk?

Marquard: Punk hat nichts mit Alter zu tun. Ich liebe diese Musik. Mein Geschmack wird von Jahr zu Jahr vielfältiger und es wird auch immer härter. Mittlerweile hat sich auch Hardcore darunter gemischt. Punk beflügelt mich nach wie vor. Ich hab’s wirklich versucht mit anderen Musikrichtungen, aber das ist alles Kindergeburtstag. Damit kann ich nichts anfangen.

Und ein Wilder sind Sie auch noch?

Marquard: Ne, ne, ne. Man wird ruhiger. Nach so vielen Jahren Durch-die-Welt-Gondeln, Veranstaltungen, Partys, Konzerte und Festivals habe ich keine Angst mehr, etwas zu verpassen.

Warum haben Sie sich aus der Sternegastronomie zurückgezogen?

Marquard: Ich bin Zwilling mit Aszendent Zwilling. Vielleicht liegt es daran. Auf irgendwas muss ich es ja schieben (lacht). Wenn ich etwas kann, dann wird mir das zu langweilig. Dann muss ich etwas anderes machen. Und es gibt wichtigeres als irgendwelche Sternchen zu kochen. Für mich ist es viel wichtiger, dass es den Kollegen gutgeht, deswegen Beratung. Viele Kollegen wissen nicht, wie sie wirtschaftlich arbeiten können.

Profikoch Stefan Marquard kochte in Iphofen ein fränkisches Acht-Gänge-Menü.
Foto: Leonora Lucia | Profikoch Stefan Marquard kochte in Iphofen ein fränkisches Acht-Gänge-Menü.
Ein großes aktuelles Problem ist der Personalmangel in der Gastronomie...

Marquard: Dass viele gelernte Kräfte abgewandert sind und keine Lust mehr auf Gastronomie haben, ist zum Verzweifeln. Aber das ist hausgemacht. Unser Ausbildungssystem gehört seit Jahrzehnten auf den Prüfstand, aber alle feiern sich nur selbst. Und es passiert nichts. Die jungen Leute sagen uns, wie sie das haben möchten. Wenn wir nicht lernen, ihnen zuzuhören, ihre Sprache zu sprechen und unser System so umstellen, dass sie glücklich sind, dann haben wir ein Problem. Dann machen wir halt zu.

Ihnen liegt die gesunde Ernährung von Kindern am Herzen. Sie haben selbst zwei Söhne. Hand aufs Herz. Wurde im Hause Marquard am Tisch gemosert?

Marquard: (lacht) Natürlich haben meine Söhne gemosert. Der Kleine – mittlerweile auch schon 22 – hat nur Beilagen gegessen. Der nächste will das nicht, der andere das nicht und meine Frau das nicht. Da kannst du daheim fast à la Carte kochen. Das war ein Grund, warum ich das Gemeinsame hervorgerufen habe. Auf was habt ihr Lust? Wer will mitmachen? Man muss auf die Kinder hören und muss sie mit sich auf eine Stufe stellen. Wenn sie Bock auf etwas Vogelwildes haben, dann muss man es eben so machen, dass es ernährungstechnisch Sinn ergibt. Bei meinen Söhnen hat's geklappt. Sie kochen wirklich auch sehr gut. 

Erinnert an das Fränkische Hochzeitsessen: Rindfleischlutscher mit Meerrettich und ein Glas Beeftea.
Foto: Julia Lucia | Erinnert an das Fränkische Hochzeitsessen: Rindfleischlutscher mit Meerrettich und ein Glas Beeftea.
Sie engagieren sich bei dem Projekt "Sterneküche macht Schule". Was machen Sie dabei?

Marquard: Das, was ich meinen Kindern gezeigt habe, versuchen wir auch an den Schulen zu vermitteln. Es geht nicht nur um kindgerechtes Essen, sondern auch um die Wirtschaftlichkeit. Schulessen ist eine Großbaustelle in ganz Deutschland.

Marquards Geheimtipp

Profikoch Stefan Marquard „aktiviert“ Lebensmittel, bevor er sie gart. Das heißt, dass vor der eigentlichen Zubereitung mit einer Salz-Zucker-Mischung im Verhältnis 5:1 gewürzt wird. Die Garzeit soll sich so bei Gemüse etwa um 75 Prozent verkürzen und Vitamine, Mineralien und Spurenelemente bleiben erhalten. Außerdem verstärkt diese Behandlung den Eigengeschmack, da die Gewürze im Rohzustand besser in das jeweilige Lebensmittel eindringen können.
So wird’s gemacht: Das klein geschnittene Gemüse wird mit dem Aktivator gewürzt. Ebenso Fleisch, Geflügel oder Fisch. Fünf Minuten einwirken lassen. Danach wie gewünscht, im eigenen Saft fertig dünsten, braten, kochen, oder bei niedrigen Temperaturen im Ofen garen. Wie viel Aktivator zum Bespiel für Gemüse oder Hackfleisch gebraucht wird, kann auf der Seite www.sternekueche-macht-schule.de ausgerechnet werden.
Quelle: www.sternekueche-macht-schule.de
Warum essen viele Kinder manche Sachen nicht?

Marquard: Ja, das ist auch so ein Thema. Man sollte es sportlich und mit Geduld angehen. Wenn man einen Brokkoli hat, sollte man sie fragen: Was kann der alles? Was passiert mit mir, wenn ich den esse? Magst du ihn lieber knackig oder lieber weicher? Viele Kinder essen kein Gemüse, weil es nicht aktiviert war. Es schmeckt dann nach nichts und matschig. Wie mögen Kinder Gemüse in welchem Alter? Fester, weicher, eher versteckt? Den Fragen bin ich auf den Grund gegangen.

Welches gesunde Gericht geht bei Kindern immer?

Marquard: Irgendein Pflanzerl geht immer, also irgendetwas Gehacktes. Das hat den Vorteil, dass man Dinge darin verstecken kann, zum Beispiel Gemüse. Und man macht eine schöne Soße dazu. Kinder lieben Rahmsoße. Die mache ich zum Beispiel aus weißen Gemüsen und dann einfach die vier S – also süß, scharf, sauer, salzig – berücksichtigen. Von jedem eine Nuance, dann hast du den perfekten Geschmack.

Mehr ist nicht nötig?

Marquard: Kinder mögen Klarheit auf dem Teller. Die haben keinen Bock auf Gemischtes. Man kann nicht einfach Kräuter an die Spätzle tun, dann essen sie es nicht. Stellt man die Kräuter daneben, nehmen sich die Kinder welche, wenn sie wollen. Das Gleiche mit Kräutern in der Soße. Ich mache auch kein Kartoffel-Erbsen-Weiß-der-Teufel-was-Gemüse. Mögen sie eins davon nicht, bleibt das Zeug stehen. Da mache ich getrennte Gemüse, oft klein gehobelt. So kann man die Kids ranführen. Man muss auf Augenhöhe mit ihnen reden.

Ein bisschen Spaß muss sein: Ohne Hilfe kann auch ein ehemaliger Sternekoch wie Stefan Marquard kein Mehrgang-Menü zaubern. Küchenchef Rudolf Zipperer hilft ihm dabei.
Foto: Silvia Gralla | Ein bisschen Spaß muss sein: Ohne Hilfe kann auch ein ehemaliger Sternekoch wie Stefan Marquard kein Mehrgang-Menü zaubern. Küchenchef Rudolf Zipperer hilft ihm dabei.
Kinder lieben Pommes. Ihr Alternativvorschlag?

Marquard: Ganz einfach. Kartoffeln schneiden, dann leicht salzen, aufs Blech legen und im Ofen bei 160 Grad backen. Sobald sie vorgebacken sind raus, Olivenöl und eine Gewürz-Salz-Mischung unterrühren. Meinetwegen ein bisschen Paprika und Kümmel, damit etwas Schmackes an die Kartoffeln kommt. Feingehackten Rosmarin darüber streuen, durchmischen und im Ofen fertigbacken. Das sind Pommes, die jedes Kind liebt.

Ihr Lieblingsessen als Kind?

Marquard: Nudeln und Kloß mit Soß – die Klassiker. Spätzle mit Soß war auch geil. Ich war früher beim Behringer in Volkach. Für 50 Pfennig hast du Kloß und Soß auf den Teller gekriegt und konntest es mit zum Brunnen gegenüber auf dem Marktplatz nehmen. Das war großartig!

Stefan Marquard – Sternekoch und Astheimer

Der Koch Stefan Marquard wurde 1964 in Schweinfurt geboren und ist in Astheim aufgewachsen. Nach einer Ausbildung zum Metzger, machte er eine Lehre zum Koch im Würzburger Hotel "Rebstock". Die nächsten Stationen waren die Spitzenrestaurants "Graues Haus" in Oestrich-Winkel und derGasthof "Rottner" in Nürnberg. Nach einer kulinarischen Reise durch Italien, bei der er in den besten italienischen Restaurants schnupperte, wurde er zum Küchenchef in der "Taverna La Vigna", die zu den "Schweizer Stuben" in Wertheim-Bettingen gehörte.
Sein erstes eigenes Restaurant, "Drei Stuben" in Meersburg, eröffnete Marquard 1991. Für seine Kochkünste wurde der Vater zweier Söhne mit einem Michelin-Stern und 18 Punkten vom Gault & Millau ausgezeichnet. Heute arbeitet er als Selbständiger in den Bereichen Show Cooking und Beratung, ist Gastkoch, Kochbuchautor und verkauft eigene Lebensmittel.
"Sterneküche macht Schule" ist für ihn ein wichtiges Projekt, bei dem Schülerinnen, Schüler und Schulen für gesünderes Essen sensibilisiert werden sollen. Stefan Marquard lebt mit seiner Frau Christine in Pliening bei München.
Quelle: jul
 
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