Nach der langen Corona-Durststrecke gibt es überall wieder Feste, Feiern und Veranstaltungen. Lukas Rönninger, Chef des Iphöfer Restaurants 99er Kulinarium, lädt ab 26. Mai zum viertägigen Frühlingsfest, und er kümmert sich nicht allein um das Wohl der Gäste. So kocht der als Küchenpunk bekannt gewordene Stefan Marquard aus Astheim ein Menü und am 28. Mai steht Wolfgang Müller am Grill. Der Allgäuer erkochte sich als Küchenchef mehrere Sterne in unterschiedlichen deutschen Spitzenrestaurants. Als Metzger kennt er sich mit Fleisch aus und verrät, wie Fleisch ohne schlechtes Gewissen genossen werden kann und wie man eine ganz besondere Wurst machen kann.
Wolfgang Müller: Natürlich kann man Fleisch mit gutem Gewissen essen. Man sollte sich allerdings damit beschäftigen, was man kauft. Wie wird gezüchtet? Wer steckt dahinter? Hat das Tier ein glückliches und nachhaltiges Leben? Es gibt viele Züchter, Landwirte und Metzger, die sich darum kümmern, dass die beste Qualität auf den Tisch bekommt. Selber habe ich auch Tiere, die bei Freunden unterstehen und bei denen ich genau weiß, wie sie leben. Nachhaltige Zucht finde ich interessanter und ehrlicher als Bio. Das Wort wird oft missbraucht, und der Endkunde wird hinters Licht geführt, wenn man die Gesetzeslage betrachtet. Zum Beispiel hat das Hühnerei beim besten Gewissen nichts mit nachhaltiger Zucht oder dem Glück des Tieres zu tun. Fragen Sie den Metzger, wo das Fleisch herkommt, oder schauen Sie sich die Tiere vor Ort beim Züchter und Bauern an.
Müller: Das Problem ist, dass in Deutschland Essen und Trinken keinen guten Stellenwert haben. So muss es immer billig sein, und so haben wir schon das größte Problem. Gutes Fleisch kann nicht billig sein. Und sollte es auch aus Respekt gegenüber dem Tier und dem Züchter nicht sein. Ein Schwein, das mit 120 bis 130 Kilogramm Lebendgewicht nach vier bis fünf Monaten geschlachtet wird, kann keine Qualität haben. Das Tier ist normalerweise noch ein Teenie und sollte nicht mehr als etwa 45 Kilo wiegen. Aber sperrt man Tiere im engen Raum zusammen, macht bei Dunkelheit fünfmal am Tag das Licht an, das Schwein denkt "Oh, es wird hell, ich muss fressen", gibt dem Tier entsprechend Futter gibt, und nach fünf Monaten wiegt es 130 Kilo – wie soll da Qualität entstehen? Auch hat das Fleisch in der kurzen Zeit keine Chance. Wie soll in diesen wenigen Tagen aus Wasser, Fett, Muskeln und Kollagen tolles Fleisch wachsen? Deswegen sage ich: Lieber weniger Fleisch, dafür sucht euch das beste aus!
Müller: Es kommt immer darauf an, was ich mit dem Schwein machen möchte. Bei Schinken und Salami verwende ich das Bunte Bentheimer Schwein oder das Wollschwein (Mangalitza) – es ist schön fett. Das Fett ist kernig, also fest, und eignet sich sehr gut, um es reifen und trocknen zu lassen. Aktivstall-Schweine, die meist Deutsche Landschweine, Duroc-Schweine oder ähnliche Rassen sind, eignen sich sehr gut zum Kochen, da sie nicht ganz so fett sind.
Müller: Wie bei Blindproben von Weinen ist es natürlich eine Herausforderung. Aber ich denke, ich würde viele Rassen auf dem Teller oder am Geschmack erkennen.
Müller: Natürlich kenne ich das Iphöfer Eichelschwein. Es ist der richtige Weg, um Qualität auf den Tisch zu bekommen. Schweine für die Wald- und Wiesenpflege zu verwenden ist eine alte Sache und wird in England, Frankreich, Ungarn und auch bei uns schon lange gepflegt. Ein tolles Fleisch für Schinken- und Wurstspezialitäten.
Müller: Die Frage kann ich so nicht beantworten, da ich alles liebe, was gut ist. Ich habe das Buch gemacht, weil ich zeigen wollte, dass das Schwein nicht nur Schnitzel, Haxe und Wurst ist. 7000 bis 9000 Jahre lebt das Schwein bei und mit uns – und wir haben nichts Besseres zu tun, wie dieses tolle Tier zu versklaven und auszubeuten. Das ist traurig. Wo bleibt der Respekt?
Müller: Gutes Beispiel. Da sieht man, dass wir auch das Kochen und Essen verloren haben. Es gab Zeiten, da lagen diese Teile wirklich in der Auslage beim Metzger. Das Schweinekinn konnte man abends mit einem kleinen Messer abfusseln und mit Senf und einem guten Brot essen. Außerdem ist es ein unbedingtes Muss, wenn man Sauerkraut, Steckrüben oder Eintöpfe kochen möchte. Man muss sich einen Metzger des Vertrauens suchen, der offen für Fragen und Neues ist und der Lust an seinem Beruf hat. Dann bekommt man solche Teile.
Müller: Das Buch "Wurst und Küche" gibt es auch jetzt als reines Wurst-Buch "Wurst selber herstellen". Diese Bücher sind für Anfänger und Profis gedacht. Es soll zeigen, dass es gar nicht so schwer ist, Wurst oder Schinken selber herzustellen. Bratwürste, Grillwürste und Hausmacherwürste sind ohne Problem zu Hause zu machen. Man sollte nur einen guten Fleischwolf und einen Wurstfüller haben. Bei Rohwürsten und Brühwürsten bedarf es eines höheren Aufwands. Da sollte man einen Kutter besitzen, einen Reifeschrank und auch einen Rauch.
Müller: Würste, also die Klassiker, sind super, so wie sie sind – wenn sie gut gemacht sind. Das Wichtigste ist, dass man bestes Fleisch verwendet, beste Gewürze und ganz viel Liebe. Man sollte sich aber auch mit dem Thema beschäftigen. Beispiel Wildwürste: Die meisten Jäger machen eine Wildwurst mit etwas Gewürzen, Salz und meist ohne Fett. Das Resultat: meist trockene Würste und langweilig im Geschmack. Etwas Schweinebacke oder Rückenfett dazu geben, und schon ist es nicht mehr trocken. Außerdem sage ich immer: Wo kommt das Wild her? Aus Wald, Wiese und Flur. Was wächst da? Wie ernährt sich das Tier? Gebt der Wurst doch etwas daraus hinzu, zum Beispiel Nüsse, Pilze, getrocknete Beeren und Früchte oder Wildkräuter – und schon hat man eine ganz besondere Wurst.