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Landkreis Kitzingen
Explodierende Gaspreise auch im Landkreis Kitzingen? Das sagen die Versorger
Der Krieg in der Ukraine treibt die Preise. Viele sorgen sich, dass ihre Wohnung kalt bleiben könnte. Wie berechtigt ist die Angst? Nachfrage bei zwei Gasversorgern für den Landkreis.
Zwei Drittel der Heizungen in Deutschland werden mit Gas befeuert. Die Abhängigkeit vom Erdgas kommt viele Verbraucher nun teuer zu stehen.
Foto: Jens Büttner, dpa | Zwei Drittel der Heizungen in Deutschland werden mit Gas befeuert. Die Abhängigkeit vom Erdgas kommt viele Verbraucher nun teuer zu stehen.
Eike Lenz
 |  aktualisiert: 10.05.2023 09:59 Uhr

Spricht man Roger Lindholz auf die angespannte Lage auf den Gasmärkten an, macht er erst einmal eine längere Pause und sagt dann: "Oh Gott!" Lindholz ist technischer Leiter der Kitzinger Licht-, Kraft- und Wasserwerke (LKW), und auch wenn es der Firmentitel nicht verrät, ist sein Unternehmen auch für die Gasversorgung weiter Teile des Landkreises Kitzingen zuständig. Ein heikles Thema – nicht erst seit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine und den damit ausgelösten Verwerfungen. Die Schreckensmeldungen rund um das Thema Erdgas scheinen kein Ende zu nehmen.

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Nur drei Meldungen, die stellvertretend für die Ängste und Sorgen im Land stehen. Da in Zeiten wie diesen jedes Wort auf die Goldwaage gelegt wird, hat Lindholz das Thema zur Chefsache deklariert. So kommt der angekündigte Rückruf nicht von ihm, sondern von Marek Zelezny, dem 2016 berufenen Geschäftsführer des Kitzinger Energieversorgers LKW, der rund 10.000 Haushalte und Gewerbekunden im hiesigen Landkreis mit Erdgas beliefert.

Täglich gehen in der Kitzinger Zentrale Anrufe besorgter Verbraucherinnen und Verbraucher ein. Wie sicher ist die Versorgungslage? Welchen Einfluss darauf hat der Krieg in der Ukraine? Und: Wie viel muss ich im nächsten Winter für mein Gas zahlen? Das sind die Fragen, die viele stellen. Mit den Antworten tun sich Zelezny und seine Leute nicht leicht.

So groß wie die Abhängigkeit Deutschlands vom Gas ist die Angst vor Versorgungsengpässen oder Lieferstopps. Zwei Drittel der Heizungen hierzulande werden mit Erdgas befeuert, viele Industriebetriebe müssten ohne Gas die Produktion drosseln oder einstellen. Schon heute ächzen manche unter den historisch hohen Preisen, die sich im vergangenen Jahr an der Börse mehr als vervierfacht haben. Einige Versorger, die lange von günstigen Einkaufspreisen gelebt hatten, stellten vom einen Tag auf den anderen die Lieferung ein und zwangen Kunden damit in die deutlich teurere Ersatzversorgung des örtlichen Grunddienstleisters. Von Wildwestmethoden am Energiemarkt war die Rede.

Die Kitzinger Licht-, Kraft- und Wasserwerke decken einen Großteil des Erdgasbedarfs im Landkreis.
Foto: Barbara Herrmann | Die Kitzinger Licht-, Kraft- und Wasserwerke decken einen Großteil des Erdgasbedarfs im Landkreis.

Kurzfristig lieferbares Gas kostet in Europa heute mehr als 200 Euro pro Megawattstunde, gut zehnmal so viel wie vor einem Jahr. Europa hat mittlerweile die höchsten Gaspreise der Welt. Auch Marek Zelezny spricht von einer "einzigartigen Situation", wie er sie in seinem langen Berufsleben noch nicht erlebt habe. Es geht – im wahren Wortsinn – ums Eingemachte. Etliche Gasspeicher sind leer oder hart am Anschlag, viele der angebotenen Erdgas-Kontingente auf dem angespannten Weltmarkt sind bereits verkauft – so war es erst dieser Tage wieder zu lesen. Und trotzdem will der Chef der Kitzinger LKW nicht einstimmen in den Chor der Kassandrarufe. Er wählt eher das Wort "ungewöhnlich".

Beim Einkauf des Erdgases gehen die LKW kein Risiko ein

Entscheidungen, für die er sonst Tage Zeit hatte, werden ihm nun in Minuten abverlangt. "Mega hektisch" gehe es derzeit bei Angebotsverhandlungen zu, spiegelbildlich zur sprunghaften Preisentwicklung. Aber Zelezny lässt sich nicht treiben. Die LKW sei kein Hasardeur am Markt, wie ihr Chef sagt, sie sichert sich Erdgas-Kontingente schon zwei bis drei Jahre im Voraus. Dafür gibt es ein eigenes Risikomanagement, dessen oberstes Prinzip lautet: eben kein Risiko einzugehen. "Unsere Strategie ist, immer spätestens zu Beginn eines Lieferjahres mit Erdgas eingedeckt zu sein", sagt Zelezny.

Explodierende Gaspreise auch im Landkreis Kitzingen? Das sagen die Versorger

Der Großteil der Lieferungen unterliegt also langfristigen Verträgen mit niedrigeren Preisen. Die Frage bleibt: Was, wenn Russland den Gashahn zudreht? Die LKW ist mit bis zu 15 verschiedenen Lieferanten schon breit aufgestellt. Woher das Gas stammt, das sein Unternehmen einkauft, kann Zelezny nicht sagen. Da die Bundesrepublik jedoch rund 55 Prozent ihres Erdgases aus Russland bezieht, träfen ein Lieferstopp oder ein Embargo auch die LKW und ihre Kunden. Zelezny spricht in diesen Wochen viel mit Vorlieferanten – und leitet daraus vorsichtige Hoffnung ab. "Wir gehen weiter von einer gesicherten Versorgungslage aus und sehen keine Anzeichen für Lieferengpässe", sagt er.

Die Gasversorgung Unterfranken (Gasuf) bestätigt diese Erfahrungen. Ruft man die Nummer der Zentrale in Würzburg an, hängt man erst einmal mehrere Minuten in der Warteschleife, bis sich eine freundliche Dame meldet und zu Thomas Merker verbindet. Merker ist Geschäftsführer des Unternehmens, das 27.000 Haushalte in der Region, darunter auch den nördlichen Landkreis Kitzingen, mit Erdgas beliefert. Auch die Gasuf kann sich auf ein Netz von einem Dutzend Lieferanten stützen und kauft bei ihnen weit im Voraus ein. Den ausgehenden Winter und auch den Sommer werde man gut überstehen. Aber was dann? "Ich glaube", sagt Merker, "dass die Versorgung in Deutschland gesichert ist."

Die Preise für Erdgas sind in den vergangenen Wochen deutlich gestiegen – nicht immer nur wegen knapper Kapazitäten.
Foto: Patrick Pleul, dpa | Die Preise für Erdgas sind in den vergangenen Wochen deutlich gestiegen – nicht immer nur wegen knapper Kapazitäten.

Tritt der Ernstfall doch ein, greift hierzulande der Notfallplan Gas. Dann übernimmt die Bundesnetzagentur in Bonn das Kommando und entscheidet, wer bevorzugt mit Erdgas versorgt wird. Laut Gesetz wären das private Haushalte und soziale Einrichtungen wie Kliniken und Pflegeheime, aber auch Gaskraftwerke, die wichtig für die Netzstabilität sind.

Diese Abnehmer verbrauchen zusammen rund 40 Prozent des deutschen Erdgases und müssten im Notfall auch von anderen europäischen Staaten mit Gas versorgt werden, so ist es innerhalb der EU geregelt. Nicht unter den Schutz des Gesetzes fallen die großen Industrie- und Gewerbebetriebe, an die zuletzt etwa 36 Prozent des Erdgases flossen. Bei ihnen gingen im Fall eines Lieferstopps als Erstes die Öfen aus. Doch danach sieht es derzeit nicht aus.

"Ich kann mir nicht vorstellen, dass man auf Dauer mit Preissteigerungen von 200 Prozent leben kann."
Marek Zelezny, Geschäftsführer der LKW Kitzingen

Zelezny bei der LKW, Merker bei der Gasuf – beide sind weit von Panikmache entfernt. Um Preiserhöhungen aber kommen auch sie nicht herum. Die LKW hat ihre Tarife für Bestandskunden zu Jahresbeginn um 20 bis 30 Prozent erhöht. Ein Durchschnittshaushalt mit etwa 20.000 Kilowattstunden Verbrauch zahlt damit etwa 1700 Euro im Jahr, Neukunden deutlich mehr. Die Gasuf wird zum 1. April nachziehen und ihre Preise um 50 Prozent erhöhen. Damit zahlt ein durchschnittlicher Haushalt jährlich etwa 2000 Euro, was immer noch "sehr günstig" sei, wie Merker betont.

Weil LKW und Gasuf als örtliche Grundversorger gelten, müssen sie auch Kunden aufnehmen, die gerade bei den Billiganbietern aus den Verträgen geflogen sind. Die Bundesregierung will solche unterschiedlichen Tarife zwischen Bestands- und Neukunden künftig weitgehend verbieten. Das Problem dabei: Die höheren Beschaffungskosten für kurzfristig eingekauftes Gas müssten dann auf alle Kunden umgelegt werden.

Außerdem plant die Ampel-Koalition eine gesetzliche Vorgabe für die Betreiber von Erdgasspeichern: Sie hätten ihre Vorräte dann im Jahresverlauf Zug um Zug aufzufüllen: bis August auf mindestens 65 Prozent, bis Oktober auf 80 Prozent und bis Dezember auf 90 Prozent der Kapazitäten.

Für Merker ist es im Moment weniger eine reale Knappheit beim Gas, die den Preis treibt, sondern mehr die Angst. Die Preise "am langen Horizont" seien schon wieder im Fallen. Auch Zelezny glaubt, dass der Markt sich beruhigen werde. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass man auf Dauer mit Preissteigerungen von 200 Prozent leben kann", sagt er. Aber das niedrige Niveau wie 2020 oder 2021 während der Pandemie würden die Preise wohl nicht mehr erreichen.

 
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