
Über sie wurde viel gesprochen, wobei es "sie" als Gruppe eigentlich gar nicht gibt. Die Rede ist von Menschen, die aus ihrer Heimat geflohen sind und für die in Volkach ein Wohnheim für maximal 90 Menschen gebaut werden sollte. Ein umstrittenes Projekt, dem der Stadtrat wegen der Lage im Industriegebiet eine Absage erteilt hat. Im Zuge der Diskussion um die Gemeinschaftsunterkunft tauchten aber auch Vorbehalte gegenüber Geflüchteten auf.
Diese sind in Volkach längst angekommen, leben in der Stadt oder den Ortsteilen. Beim Gespräch am Rande des Begegnungscafés im katholischen Pfarrheim berichten drei Frauen und ihre Kinder von ihren Schicksalen – und ihrem neuen Leben in Unterfranken.

Was die eint, ist ihre Dankbarkeit gegenüber Klaus Leckel und seinen Mitstreiterinnen des Helferkreises Flüchtlingshilfe Mainschleife. Denn deutlich wird: Ohne diese unermüdlichen Ehrenamtlichen, deren Sprachkurse und die der Volkshochschule (VHS) und Kontakt zu Nachbarn ist der Neustart kaum zu meistern.
1. Familie Hashemi gefällt es in Volkach besser als in Magdeburg

Malika Hashemi sagt ehrlich: "Ich habe vorher nicht gewusst, was uns in Deutschland erwartet." Vor acht Jahren ist die Afghanin mit ihrem Mann Mohsen und damals zwei Kindern aus dem Iran geflohen – schwanger mit dem dritten Kind. Die gelernte Schneiderin spricht in gebrochenem Deutsch von "guten Leuten" im Iran, aber die Polizei sei willkürlich vorgegangen und für alles müsse man Geld bezahlen: offizielle Papiere, Genehmigungen.
Nach der "schlimmen Flucht" kamen sie kurz vor Weihnachten 2016 schließlich an der Mainschleife an. Gerlinde Martin, Volkachs Dritte Bürgermeisterin, habe sie damals in Astheim willkommen geheißen, erinnert sich Malika Hashemi. Anfangs wohnten sie gemeinsam mit vier Familien in einem großen Haus, heute leben sie alleine in einer Wohnung.
Um die Miete und das Leben hier zu finanzieren, arbeitet der Vater bei einer Elektrofirma als Helfer und in einem Restaurant, seine Frau geht vormittags in einem Hotel putzen. Ihr Ziel ist, dauerhaft in Deutschland zu bleiben. "Ich möchte hier bleiben, weil es gut für die Kinder ist, vor allem für die Mädchen", sagt die 31-Jährige. Darum besucht Malika Hashemi fleißig die Deutschkurse der VHS und ist dankbar, hilfsbereite Nachbarn zu haben.
Da sie Verwandte in Magdeburg hat, suchte die Familie zwischenzeitlich ihr Glück in der Großstadt. Doch dort machten die Hashemis schlimme Erfahrungen: "Die Leute hier sind netter." Nun sind die Eltern froh, zurück in Volkach zu sein, wo ihre fünf Kinder in den Kindergarten und die Schule gehen. Der Traum ihrer Mutter: Eines Tages möchte sie ein Haus kaufen in Volkach.
2. Olha Vykrieva findet Volkach "supertoll" und möchte gerne bleiben

Kurz nach Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine ist Olha Vykrieva von dort geflohen. Sie stammt aus Butscha in der Nähe von Kiew, wo ihr Mann bleiben musste. "Sehr schwer" sei das, sagt die 40-Jährige. Aber die Menschen in Volkach seien "total freundlich und hilfsbereit". Sie lebt mit Sohn, Tochter und Mutter, die bereits einen Arbeitsplatz gefunden hat, in der Stadt. Die bezeichnet sie als "supertoll", nur der ÖPNV sei nicht gut.
Im Begegnungscafé Einheimische zu treffen, aber auch andere Geflüchtete aus der Ukraine und andere Ausländer nennt Olha Vykrieva "sehr wichtig für uns". Am einfachsten war der Neuanfang in Deutschland für ihre dreijährige Tochter, die in den Kindergarten geht. Schwieriger ist es anfangs für den jugendlichen Sohn gewesen. Doch nun sei auch er glücklich, sagt seine Mutter: Der 18-Jährige war lange Leistungsschwimmer in der Ukraine, nun macht er im Volkacher Schwimmbad eine Ausbildung zum Bademeister.
Beruflich Fuß fassen möchte auch Olha Vykrieva schnell. Sie ist Druckingenieurin von Beruf, ihr Diplom konnte sie bislang aber nicht anerkennen lassen. Jetzt, wo sie den Deutschkurs B1 erfolgreich abgeschlossen hat und weitermacht mit B2, hofft sie aber auf eine feste Arbeitsstelle im kaufmännischen Bereich: "Ich muss noch viel lernen, ich will hier bleiben."
3. Familie Ibrahim ist dankbar, vermisst in Obervolkach aber nicht nur die Öffis

Aus der syrischen Großstadt Damaskus geflüchtet und im kleinen Obervolkach gelandet ist Rasha Mohammad 2016, damals mit drei Töchtern. Möglich war das über den Familiennachzug, da ihr Mann bereits 2015 nach Deutschland gekommen war und dort anfangs in Nürnberg in einer großen Halle untergebracht war. Seit April 2023 hat die sechsköpfige Familie, Sohn Ammar wurde hier geboren, deutsche Pässe.
Viel Arbeit haben sie in das ältere Haus gesteckt, in dem sie in dem Ortsteil wohnen. Bei der Frage, ob sie auch bleiben möchten, fallen die Antworten von Mutter und Töchtern allerdings unterschiedlich aus. Nach einem schweren Start mit Mobbing wegen der fehlenden Sprachkenntnisse fühlen sich die Jugendlichen heute gut integriert und sprechen perfekt Deutsch. Die 17-jährige Tochter Yara Ibrahim sieht ihre Zukunft dennoch nicht in Obervolkach. Sie macht eine Ausbildung zur Kinderpflegerin – und erlebt täglich, wie umständlich die Fahrt nach Würzburg ist.
Die fehlenden öffentlichen Verkehrsmittel in dem Dorf machen der Familie das Leben schwer. Ihre Mutter lacht und sagt: "Ich bin wie eine Taxifahrerin." Ohne Auto geht wenig auf dem Land – und das braucht die ausgebildete Englischlehrerin für ihren Job als Assistentin in einer Schweinfurter Grundschule ebenso wie ihr Mann für seine Arbeit bei Amazon.
Neben den alltäglichen Herausforderungen spricht die Familie noch einen weiteren Aspekt an: Die Geschwister von Rasha Mohammad leben heute in Europa verstreut, fünf davon in Deutschland. An Weihnachten sind Besuche in Dortmund und Berlin geplant. "In Damaskus haben wir uns alle jeden Tag gesehen", sagt Tochter Lamar. Dieses "Familiengefühl" vermisse sie.
Ihre Mutter hingegen hebt die positiven Aspekte hervor – und lobt vor allem "die ehrenamtlichen Leute, die uns immer helfen". Dafür sei sie sehr dankbar und das dürfe man nicht vergessen: "Sie sind jetzt meine Freunde und wie eine Familie."