
Mit der Kleinen Gartenschau kam die Wende: Als sich im April 2011 das östliche Kitzinger Mainufer in eine verzückende Blühlandschaft verwandelte, wurde die Alte Mainbrücke für den Autoverkehr gesperrt; dabei ist es bis heute geblieben. Nur Fußgänger und Radfahrer dürfen den Übergang seither noch benutzen, was sie rege tun. Man kann nicht sagen, dass die Alte Mainbrücke an Anziehungskraft verloren habe. Im Gegenteil: Sie ist zur Marke geworden, etwa durch den 2017 eingeführten Brückenschoppen; viele queren sie täglich auf dem Weg zur Arbeit, und manch kuriose Geschichte, von der noch zu reden sein wird, ranken sich um sie.
Doch es gibt ein Problem. Denn obwohl man dem jahrhundertealten Bauwerk sein Alter nicht ansieht und es nach außen hin solide dasteht, nagt an vielen Stellen der Zahn der Zeit. Die Sperrung für den Autoverkehr hat Belastungen von der Brücke genommen. „Dadurch haben wir Zeit gewonnen“, sagt Tobias Haupt vom Kitzinger Bauamt. Die Frage bleibt: Wie sicher und standhaft ist das Bauwerk?
Wer am Fluss lebt, kommt ohne Brücken nicht aus. Sie sind die Klammern, die Städte zusammenhalten und Menschen verbinden. In Kitzingen ist das nicht anders. Die Alte Mainbrücke – um das 1300 Jahr erstmals in Urkunden erwähnt – ziert das Stadtwappen, ist heute als Baudenkmal eingestuft, und seit einigen Jahren gibt es einen Wikipedia-Eintrag über sie. Von vielen Pendlerinnen und Pendlern, die am Bleichwasen kostenlos ihr Auto parken, wird sie tagein, tagaus als Übergang in die Stadt genutzt. Sobald es warm wird, spült sie allerhand Gäste auf dem Rad in die Altstadt. Im Juli 2017 gab es den ersten Brückenschoppen: mit Landrätin Tamara Bischof als Ehrengast, die den Bogen in die nächstgrößere Stadt am Main spannte. „Wir brauchen uns vor Würzburg nicht zu verstecken“, so Bischof.
Selbst Balthasar Neumann dokterte einst an der Brücke herum
Immer wieder wurde an der Brücke herumgedoktert. Bögen wurden angebaut und weggesprengt, Hochwasser, Eis und der ständige Wellenschlag setzen dem Bauwerk seit Jahrhunderten zu. 1744 war der große Baumeister Balthasar Neumann, der auch den Bau der in Sichtweite stehenden Kreuzkapelle leitete, an der Instandsetzung beteiligt. Die Stadt weiß, dass sie auch jetzt um eine teure Sanierung nicht herumkommen wird. Die Brücke ist seit langem undicht, weist Wasserschäden auf. Bei einer Untersuchung im Jahr 2014 war von drei Millionen Euro Kosten die Rede. Das dürfte heute kaum mehr reichen. Sicherheitsbedenken gibt es laut Tobias Haupt aber gegenwärtig nicht, zumal man der Brücke erst vor drei Jahren eine Art Korsett verpasst hat: einen Aufprallschutz an den sensiblen Stellen der Brückenpfeiler.
Zehn Stahlrohre, fünf auf jeder Seite, wurden bei Flusskilometer 286,76 zwischen den Brückenbögen im Flussgrund verankert. Die Schiffe prallen jetzt, wenn sie vom Kurs der vorgesehenen Fahrrinne abkommen, nicht mehr gegen die Brücke, sondern gegen die Stahlrohre, werden abgebremst und von der Brücke weggelenkt. Rund eine Million Euro hat dieser Rammschutz gekostet, die Hälfte kam von der Stadt, weil sie seit geraumer Zeit die Baulast an der Brücke trägt. Solange es den Tangentenring rund um Kitzingen noch nicht gab, verlief die Kreisstraße über die Alte Mainbrücke und mitten durch Etwashausen. Tausende Autos zwängten sich an manchen Tagen von der Innenstadt kommend durch das Nadelöhr am Gustav-Adolf-Platz, nicht immer geräuschlos. Das kleine Nieserhaus an der Auffahrt zur Brücke bekam regelmäßig Schrammen ab. Mit der Abstufung der Straße fiel die Brücke vom Landkreis zurück an die Stadt.

Das ist nur eine der vielen Geschichten, die sich um das Bauwerk ranken. Eine andere, vielleicht die schönste und skurrilste, trug sich vor etwa 20 Jahren zu. Es war die Zeit, als die Brücke noch lebhaft von Autos befahren wurde und der Stadtrat überlegte, was zu tun sei. Robert Haaß, damals Ratsmitglied der KIK, kam mit dem wegweisenden Einfall, die Alte Mainbrücke zur Einbahnstraße zu machen. Eine Mehrheit fand das gut und stimmte dem Antrag zu. Doch dann ging es um die Frage der Richtung, es folgte eine Sternstunde des Stadtrats. Abgestimmt wurde zunächst die Variante stadtauswärts Richtung Etwashausen. Das lehnte die Mehrheit ab.
Die einzige Einbahnstraße, die in beide Richtungen geht
Wer dachte, damit gehe es automatisch in die andere Richtung, der irrte. Eine weitere Entscheidung wurde nötig: stadteinwärts Richtung Kitzingen. Wieder wurde abgestimmt, wieder war eine Mehrheit dagegen. Kitzingen hatte laut Ratsbeschluss zwar eine Einbahnstraße, aber auch wieder nicht, weil irgendwie die Richtung fehlte. Der Beobachter dieser Redaktion notierte im April 2008, schon mit etwas Abstand zu dem Ereignis: „Mit diesem eher einmaligen Phänomen lebt die Stadt heute noch. Der Beschluss ist nie aufgehoben worden. Also ist die Alte Mainbrücke weltweit vermutlich die einzige Einbahnstraße, die in beiden Richtungen befahren werden darf. Und das muss uns erst einmal einer nachmachen.“

Auch aktuell gibt es wieder Ideen zur Alten Mainbrücke, und die könnten nicht weniger bahnbrechend sein. Neben der eigentlichen Sanierung geht es nämlich um das äußere Erscheinungsbild, den Blick, wie wir alle auf die Brücke schauen. Das Stahlgeländer, an das man sich im Laufe der Jahrzehnte gewöhnt hat, könnte beim jetzigen Umbau verschwinden und durch eine steinerne Brüstung ersetzt werden. Laut Tobias Haupt vom Bauamt ist die Stahlkonstruktion nämlich nicht historisch begründet. Gut möglich, dass die Stadt einen Kreativwettbewerb ausschreibt, um weitere spannende Ideen zu gewinnen. Eines steht jetzt schon fest: Autos werden so bald nicht mehr über die Alte Mainbrücke fahren.