Fenster und Türen verrammelt, kein Mensch zu sehen, kein Blick zu erhaschen. Die Kitzinger Touristinfo, sonst ein wimmelnder Hotspot, wirkt in diesen Tagen wie von allen guten Geistern verlassen. Fragt man Johannes Schrauth, ob die Sanierung im Zeitplan liege, dann antwortet der Leiter des Sachgebiets Hochbau bei der Stadt nicht nur mit einem klaren Ja, sondern ist auch bemüht, dem Eindruck von Stillstand entgegenzuwirken. In den nächsten Tagen, sagt Schrauth, werde man „sehen, dass etwas weitergeht“. Aber was tut sich eigentlich gerade hinter den Kulissen? Wie wird Kitzingen künftig seine Gäste empfangen an diesem „Tor zur Innenstadt“, wie Corinna Weinkirn, die stellvertretende Leiterin der Touristinfo, sagt? Und was ist aus der Debatte um ein umstrittenes Bauteil an dem historischen Gebäude geworden?
Jeder in Kitzingen kennt das Gebäude, das eng mit der alten Mainbrücke verbunden, ja verwachsen scheint. Wer einst mit dem Auto von der Schrannenstraße auf die Brücke abbiegen wollte, als das noch möglich war, hat dieses Eck verflucht. Die Maler und Tüncher kamen gar nicht so schnell hinterher, um all die Schäden an der Hauswand auszubessern. Aber das ist Geschichte, wie so vieles bei diesem Anwesen, in dessen Kern noch ein Teil der alten Stadtbefestigung aus dem 15. Jahrhundert steckt.
Seit Corona gilt Urlaub im eigenen Land nicht mehr als spießig
Irgendwann Ende der 1980er-Jahre wurde es von den Touristikern gekapert – zu Zeiten, als Urlaub im eigenen Land noch eher als spießig galt und hipp nur der war, der auf die Malediven, nach Mauritius oder mindestens Mallorca flog. Auch das hat sich – spätestens seit Ausbruch der Corona-Pandemie – grundlegend geändert. Und dürfte noch eine Zeit lang so bleiben, selbst wenn die Masken wieder aus dem Alltag verschwunden sein sollten.
An einem regnerischen Septembernachmittag sitzt Corinna Weinkirn in der Behelfs-Touristinfo am Kitzinger Marktplatz und sagt: „Selbst an Tagen wie diesen ist mittlerweile unheimlich viel los.“ Der Gast sei anspruchsvoller, die „Beratungsleistung“ intensiver geworden – eine Einschätzung, die sie mit vielen anderen Touristik-Fachleuten teilt. Deshalb freut sie sich, wenn das Domizil an der alten Mainbrücke umgebaut und bezugsfertig ist. Nicht weniger als „ein Welcome-Center mit Wohlfühlatmosphäre“ soll dort bis zum nächsten Jahr entstehen. Was sich genau dahinter verbirgt, erklärt Weinkirn so: ein heller, geräumiger, moderner Raum, in dem die Gäste empfangen und bestmöglich betreut werden. Die Büros und Aufenthaltsräume der insgesamt zehn Beschäftigten befinden sich künftig im Obergeschoss.
Spätestens im Herbst 2022 soll die neue Touristinfo fertig sein
Noch sieht es in dem Haus ziemlich wüst aus. Wände sind eingerissen, Decken entfernt worden – profane Abbrucharbeiten. Auf Fotos von Anfang Juli, als es losging mit der Sanierung, sieht man den Schutt im Gebäude liegen. In den nächsten Monaten, so sagt Johannes Schrauth, gehe es an den Wiederaufbau. Fenster werden ausgetauscht, eine neue Heizung verbaut, Kabel und Rohre verlegt. Bis zum Sommer 2022 wolle man das Gebäude übergeben. Corinna Weinkirn lächelt, als man ihr den Termin nennt. „Sommer wäre schön. Uns wurde Herbst gesagt.“ So oder so, das Haus wird mit Atmosphäre und mit Bedeutung aufgeladen. Bei etwas mehr als einer Million Euro liegen die Baukosten.
Auf eines werden Gäste und Personal der Touristinfo dabei verzichten müssen: einen Balkon mit Weitblick auf den Main. Vanessa Feineis, seit 2018 Leiterin der Touristinfo, wollte ihn, Stadtheimatpfleger Harald Knobling bekämpfte ihn. Zwei Sichtweisen standen sich gegenüber. Feineis bewarb den Balkon als Attraktion, auf dem Gäste „in Ruhe Materialien über die Stadt studieren können“, Knobling sah ihn als Fetisch und empfahl einen Blick in die städtische Gestaltungssatzung. Mit einer solchen Funktion lasse sich kein Balkonanbau rechtfertigen.
Der Stadtrat schlug sich im Februar 2020 mit 23 gegen fünf Stimmen auf die Seite Knoblings, der den Erhalt von Baudenkmälern zwar „in engem Zusammenhang mit deren Nutzung“ sah, aber davor gewarnt hatte, historische Bausubstanz „auf dem Altar der Nutzung“ zu opfern.
Jetzt kommt der Balkon nicht; Corinna Weinkirn sieht’s pragmatisch. Entsteht der zweite Eingang eben auf der Seite der Mainbrücke. Dafür verschwinden die vorgelagerten Arkaden, die eher der jüngeren Baugeschichte des Hauses zuzuordnen sind. Unter ihnen suchten Radfahrgruppen gerne Schutz vor Regen, und des Nachts verkroch sich dort so manches verliebte Pärchen.
Bis der Umbau vollzogen ist, wird die Touristinfo ihre Stellung im Ausweichquartier am Marktplatz halten. Den Schriftzug des vormals dort ansässigen Schuh- und Modegeschäfts hätte man eigentlich belassen können; er schmeichelt dem Gast und hat etwas von Sonne, Strand und Meer: „Bellissimo.“ Dort, wo es besonders hübsch ist.