Landkreis Kitzingen Anette vom Berg-Erbar spricht ruhig am Telefon, argumentiert sachlich. Damit hat die Frau an der Spitze des BBV-Kreisverbands Kitzingen vielen ihrer Berufskollegen etwas voraus. Es gärt an der Basis der Landwirtschaft. Trockenheit, steigende Energiepreise, überbordende Bürokratie, immer strengere Vorschriften bei der Betriebsführung, Tierwohl, Düngemittelverordnung, Konkurrenz aus Ländern, in denen die Vorgaben eben nicht so streng sind: Die Landwirte kämpfen an vielen Fronten.
Jetzt hatte die Regierung, um das Loch in ihrem Etat zu stopfen, unter anderem die Agrardieselvergütung und die Befreiung von der Kfz-Steuer ins Visier genommen. Keine kleinen Tropfen in den Augen der Bauern. Vom Berg-Erbar widerspricht nicht, wenn man fragt, ob sie das Fass zum Überlaufen gebracht haben. „Das sind zwei Posten, die jeden Betrieb treffen“, sagt die BBV-Kreis-Chefin.
Die Bauern sind besorgt, das Telefon in der BBV-Geschäftsstelle stehe nicht still, so vom Berg-Erbar. Die Entscheidung hätte Auswirkungen auf alle, egal ob Tierhalter oder Ackerbauer, ob Waldbesitzer, ob öko, bio oder konventionell. Ohne ihre Maschinen können die Landwirte ihre Arbeit nicht verrichten. Ein Blick in die Statistik zeigt, wie viele Familien in der Region das Thema beschäftigt: Im Landkreis Kitzingen gibt es 1222 landwirtschaftliche Betriebe, in Stadt und Landkreis Würzburg 1406.
Betroffen sind laut Kreisbäuerin auch jene, die nur ein Stück Wald haben und für die Bewirtschaftung zwei, drei Mal im Jahr den Traktor brauchen. „Die überlegen sich dann schon, ob es sich noch lohnt, den Wald weiter zu bewirtschaften.“ Auch hier ein Blick in die Statistik: Im Landkreis Kitzingen gibt es 4144 Waldbesitzer, im Landkreis Würzburg 7592.
Entsprechend groß ist die Unterstützung der Bauern für die geplanten Protestaktionen. An zwei Tagen werden die Landwirte im Kreis Kitzingen auf – oder neben – die Straße gehen. BBV und der Verein „Landwirtschaft verbindet Bayern – LSV“ arbeiten dabei zusammen, haben sich abgestimmt. Sie wollen auf ihre Probleme aufmerksam machen, mit Bürgern ins Gespräch kommen, die Politik umstimmen – aber sie wollen nicht den gesamten Verkehr lahmlegen, niemanden gefährden. „Wir wollen nicht blockieren wie die Klimakleber“, sagt der Atzhausener Tizian Klein, stellvertretender Vorstand des LSV Bayern. Und, am wichtigsten: „Die Aktionen müssen friedlich bleiben“, betont vom Berg-Erbar.
An vier Feldwegen stehen am Freitag rund um Volkach Schlepper
Der BBV ist federführend für eine Aktion am Freitag, 5. Januar, rund um Volkach. Dort findet der Winterzauber statt, dort sind viele Menschen, dort erhofft man sich Aufmerksamkeit. Die Bauern werden, so die Planung bis gestern Abend, ab 16.30 Uhr ihre Fahrzeuge auf Feldwegen parallel zu den Einfallsstraßen aufstellen, informierte Petra Reppert vom BBV.
In der Innenstadt soll es zwei Informationsstände geben. Und ab 18 Uhr ein Mahnfeuer nahe der Straße von Sommerach nach Volkach, mit Bratwürsten und Getränken, mit Landwirten, dem BBV-Geschäftsführer Wilfried Distler und dem Kreisvorstand, die für Gespräche mit Interessierten zur Verfügung stehen. Auch Mitglieder vom LSV werden anwesend sein.
Für Montag, 8. Januar, haben laut Tizian Klein „einzelne Landwirte“ Aktionen an zwei Autobahnauffahrten im Landkreis angemeldet, auch Klein selbst wird mitmachen. Die Aktionen laufen vom frühen Morgen bis zum frühen Nachmittag. Genehmigt sind in Absprache mit Landratsamt und Polizei nur wenige Fahrzeuge, die Autobahnabfahrten bleiben offen, so Klein.
LSV lädt zur Kundgebung am Montag um 16 Uhr nahe des Biebelrieder Kreuzes ein
Um 16 Uhr ist dann eine Kundgebung des LSV am Biebelrieder Kreuz, oberhalb der Total-Tankstelle, geplant. Aus Volkach, Karlstadt, Werneck und Fuchsstadt wollen sich Protestzüge von Landwirten dorthin auf den Weg machen. Wie Klein sagt, kommt womöglich noch ein Zug aus dem Raum Geiselwind zu dieser Sternfahrt hinzu. Bei der Kundgebung wird Klein als Vertreter des LSV sprechen. Jeder Interessierte kann kommen, sich informieren, sich mit anderen austauschen.
Was genau passiert am 8. Januar? Die Unsicherheit ist selbst bei den Veranstaltern groß
So ruhig und sachlich zu bleiben wie die Kitzinger Kreisbäuerin Anette vom Berg-Erbar fällt nicht jedem leicht, dem die Einsparungen drohen. Man habe fast Bedenken, dass der Aktionismus gerade bei jungen Bauern womöglich zu groß sei, gibt sie zu. Und dann sind da noch all jene, die im Zusammenhang mit dem 8. Januar von einem „Generalstreik“ reden, die mit der Regierung insgesamt unzufrieden sind und Leute, die radikaler denken. Den Landwirten ist bewusst, dass sie nicht wissen, wer sich so anhängen möchte an ihre Aktionen. Er habe schon „Bauchschmerzen“ deswegen, sagt der Atzhausener.
Die Absprachen mit dem Landratsamt und der Polizei sind klar, und an die will man sich halten, auf jeden Fall im rechtlichen Rahmen bleiben. Schließen sich zu viele an oder jemand, „der nicht in unserem Sinn denkt“, so Klein, werde man sich an die Polizei wenden und klären, ob der oder die mitmachen dürfe oder eben nicht. Unklar war zu Redaktionsschluss, ob und wie sich eine Meldung vom späten Donnerstagnachmittag auf die geplanten Proteste auswirken könnte: Die Ampel-Koalition will geplante Kürzungen von Subventionen nun doch zurücknehmen. Die Bunderegierung teilte mit, dass die Kfz-Steuerbefreiung nicht gestrichen wird, die Steuerbegünstigungen beim Agrardiesel sollen nicht auf einmal, sondern schrittweise reduziert werden.