Was Eberns Bürgermeister jetzt zu Schuljahresbeginn beobachtet hat, hat ihn darin bestätigt, dass es richtig war, in der kommenden Woche die Schirmherrschaft über die erste "Europäische Mobilitätswoche" im Landkreis zu übernehmen: "Seit die Schule losgegangen ist haben wir ständig Probleme mit den Elterntaxis." Viel zu viel Verkehr: Die Privatautos behinderten vor den Schulen vor allem die Schulbusse, klagt Jürgen Hennemann.
"So kann es doch nicht weitergehen", meint der Sozialdemokrat. Und weil er zum Beispiel auch findet, dass zu viele Bürger seiner Stadt alleine im Auto zur Arbeit fahren, obwohl sie mit ein bisschen guten Willen Kollegen, Nachbarn oder Bekannte mitnehmen könnten, erhofft er sich von der Mobilitätswoche wichtige Impulse. "Wir brauchen in Zukunft mehr Gemeinschaftsverkehre", lautet Hennemanns Credo.
Es geht um konkrete Handlungsansätze
Die Europäische Mobilitätswoche ist eine Kampagne der Europäischen Kommission, die es seit knapp 20 Jahren Kommunen ermöglicht, ihren Bürgern "die komplette Bandbreite nachhaltiger Mobilität vor Ort näher zu bringen", wie der Homepage des Umweltbundesamtes zu entnehmen ist. Veranstalter der Eberner Mobilitätswoche von Mittwoch, 16. September bis Sonntag, 20. September, ist der Verein "Wir gestalten Heimat", der sich selbst als Klimaschutznetzwerk definiert. Dessen Vorsitzender Oliver Kunkel (Zeil) bekräftigte am Donnerstag im Gespräch mit dieser Redaktion, dass es bei dem mehrtägigen Ereignis nicht um die schöne Theorie, sondern um konkrete Handlungsansätze gehe.
"Unsere Experten kommen aus der Praxis. Sie berichten über ihre Erfahrungen an Orten, an denen man schon weiter ist als wir", sagte Kunkel. Soll heißen: In Ebern muss das Rad nicht neu erfunden werden; es kommt darauf an, dass Lokalpolitik und Bürger offen für die Erfolgsmodelle sind und die Ideen aufgreifen.
In der Region noch recht unbekannt: die App "Fahrkreis"
Entsprechenden Input erwartet sich der Heimat-Verein vom Nachhaltigkeitsforum am Donnerstagabend. Etwa, wenn Prof. Jorge Marx Gómez, Wirtschaftsinformatiker an der Universität Oldenburg, die seit Jahresbeginn in ganz Deutschland verfügbare App "Fahrkreis" vorstellt. Die Anwendung verbindet zum Beispiel Interessenten, die ein privates Auto haben, mit jenen, die eine Mitfahrgelegenheit suchen, koordiniert die Bildung von Fahrgemeinschaften und plant die Route. Vom Max-Planck-Institut für Dynamik in Göttingen wird das Publikum erfahren, wie Bürger dank intelligenter Datenanalyse dafür sorgen können, dass außerhalb des Linienverkehrs ein Kleinbus zu ihnen kommt.
Experten diskutieren am Donnerstag mit Bürgern
Es soll bei der Mobilitätswoche um große Konzepte ebenso wie um scheinbar kleine Alltagsprobleme gehen. Etwa: Wohin mit all den Lastenrädern, die immer mehr werden? Am Samstagnachmittag stellen sich die Experten im Rahmen eines "Bürgerdialogs" im Alten Rathaus unter dem Motto "Wie geht mobiler und nachhaltiger?" den Fragen und Anregungen aus der Bevölkerung.
Es ist nicht so, dass sich der Landkreis noch keine Gedanken um die Mobilität der Zukunft gemacht hätte. Immerhin liegt seit gut eineinhalb Jahren ein über 100-seitiges Mobilitätskonzept vor, das den Status quo etwa beim ÖPNV, beim Radwegnetz oder beim Angebot an Bürgerbussen beschreibt, Prognosen zu Pendlerströmen oder Schülerverkehren macht, Defizite analysiert, die Wünsche der Bürger reflektiert und Handlungsempfehlungen gibt. Zu den Leitprojekten gehören etwa die Anschaffung von E-Dorfautos oder die grenzüberschreitende CO2-neutrale ÖPNV-Verbindung von Ebern nach Bad Rodach. Kritiker finden jedoch, dass das Konzept arg akademisch ist und die Mühlen obendrein zu langsam mahlen.
Landrat fordert flexibleren, schnelleren, individuelleren ÖPNV
Landrat Wilhelm Schneider (CSU) stellt auf Anfrage der Redaktion gleichwohl heraus, welch wichtiges Zukunftsthema die Mobilität für die Kreispolitik ist. Dass in Sachen ÖPNV für den Haßbergkreis die Situation durch seine Lage zwischen den zwei Verkehrsverbünden VGN (Nürnberg) und VVM (Würzburg) noch schwieriger als es für Flächenlandkreise ohnehin ist, gehört für Schneider zu den großen Herausforderungen - auch in finanzieller Hinsicht durch den Beitritt zu beiden Verbünden. Der Landrat verweist auf das Nahverkehrskonzept des Landkreises, das in den vergangenen Jahren viele Verbesserungen beim Bus- und Bahnverkehr gebracht habe, stellt aber dennoch fest: "Wir brauchen in Zukunft flexiblere, schnellere und individuellere Möglichkeiten beim ÖPNV."
Kommt der Schnellbus zwischen Haßfurt und Ebern?
Untätig ist der Kreis indes nicht, geht aus Schneiders Antworten hervor. Der Landrat will, dass künftig Ortschaften in den Busverkehr eingezogen werden, die aufgrund ihrer Einwohnerzahl nach aktuellen Richtlinien zu klein sind. Auch soll es zukünftig Bedarfsverkehre geben. Handlungsbedarf sieht er zudem am Abend und den Wochenenden, weswegen Schneider Verbesserungen ankündigt: Ab Frühjahr führt der Landkreis zwei neue Freizeitlinien ein, die von Mai bis November sonntags in den nördlichen Landkreis (Burgenwinkel) und den südlichen Steigerwald verkehren. Ein Schnellbus Haßfurt-Ebern sei in Planung.
Dass die Ansätze des Landkreises in Sachen Mobilität vielfältiger sind als an den Bus- oder Bahnlinien zu schrauben, macht Wilhelm Schneider auch klar. Es geht ihm etwa darum, durch Behördenverlagerungen und den Aufbau neuer Einrichtungen "Arbeitsplätze zu den Menschen zu bringen" und damit Verkehr zu vermeiden. Oder die Menschen mit Schulungen für den Fahrkartenverkauf oder das Lesen von Fahrplänen überhaupt erst einmal fit zu machen für den ÖPNV.
Da sind sie wieder, die Flugtaxis...
In der Digitalisierung sieht der 61-Jährige dabei viele Chancen, etwa wenn Homeoffice viele Wege unnötig macht. Oder Bürger bequem Fahrpläne online studieren und ihre Tickets über das Smartphone kaufen können und Bus und Bahn über WLAN verfügen. Und abschließend ist der CSU-Politiker ganz bei Digitalministerin Dorothee Bär, wenn er verrät: "Langfristig verspreche ich mir von der Digitalisierung autonome Fahrzeuge - elektro und Wasserstoff - und Flugtaxis".
Die nächste Woche wird zeigen, ob auch die Passagierdrohnen zu den Zukunftsvisionen für den Landkreis gehören und was die Eberner Mobilitätswoche sonst noch an aufgreifbahren Anregungen bringt. Die Ergebnisse der Veranstaltung will "Wir gestalten Heimat" dann zeitnah in die einzelnen Kommunen tragen.