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Zeil
"Heimat" will den Landkreis Haßberge energieautark machen
Bei der Mitgliederversammlung in Zeil gab es Vorträge zur Energiewende. Doch für Vereinschef Oliver Kunkel bedeutet Nachhaltigkeit noch viel mehr.
In Freiflächen-Photovoltaikanlage wie hier entlang der Maintalautobahn A70 in der Gemarkung Knetzgau könnte ein großes Potenzial für die Energiegewinnung im Landkreis Haßberge stecken.
Foto: Südwerk | In Freiflächen-Photovoltaikanlage wie hier entlang der Maintalautobahn A70 in der Gemarkung Knetzgau könnte ein großes Potenzial für die Energiegewinnung im Landkreis Haßberge stecken.
Peter Schmieder
 |  aktualisiert: 15.02.2024 06:00 Uhr

Auch für den relativ jungen Verein "Wir gestalten Heimat" bedeutete die Corona-Pandemie einen Einschnitt. Doch auch wenn die Kontaktbeschränkungen sämtliche Veranstaltungen unmöglich gemacht hatten, habe die Spitze des Vereins die Zeit "intensiv genutzt", berichtet Vorsitzender Oliver Kunkel. So habe es Telefonkonferenzen und später auch wieder Treffen gegeben. "Wir sind im Vorstand unwahrscheinlich zusammengewachsen", sagt Kunkel im Gespräch mit dieser Redaktion. Am Mittwoch war es nun wieder so weit, dass der Verein zu einer Veranstaltung einladen konnte: Am Abend hielt er in Zeil seine Mitgliederversammlung.

Gemüse aus eigenem Anbau

Rund 40 Besucher hatten den Weg ins Rudolf-Winkler-Haus gefunden. Dass sich der Verein dem Kampf für die Umwelt, für mehr Nachhaltigkeit und gegen den Klimawandel verschrieben hat, zeigte sich auch im Veranstaltungssaal: An der Seite war ein Tisch aufgebaut, von dem sich die Besucher der Versammlung gegen eine Spende Gemüse mitnehmen konnten. Das stammt von einem Acker, den Mitglieder des Vereins am Biobauernhof Lenhart in Horhausen gemeinsam bewirtschaften.

Am Rand gab es einen Tisch, an dem sich die Besucher Gemüse mitnehmen konnten. Das stammt vom gemeinsam bewirtschafteten Acker des Vereins.
Foto: Peter Schmieder | Am Rand gab es einen Tisch, an dem sich die Besucher Gemüse mitnehmen konnten. Das stammt vom gemeinsam bewirtschafteten Acker des Vereins.

Insgesamt versucht der Verein auf verschiedenen Ebenen, sich für mehr Nachhaltigkeit einzusetzen. Dazu gehören Info-Veranstaltungen, auf denen die Menschen Ideen hören und austauschen können. Hierzu ist es Kunkel bereits gelungen, hochkarätige Referenten wie den ehemaligen Bundestagsabgeordneten und Energieexperten Hans-Josef Fell (Bündnis 90/Die Grünen) zu gewinnen.

Außerdem gibt es Projekte, bei denen die Mitglieder selbst mit anpacken können, wie beispielsweise der Gemüsegarten in Horhausen. Und schließlich will der Verein ein Netzwerk sein, das verschiedene etablierte Akteure der Energiewende im Landkreis Haßberge zusammenbringt. Viele wichtige Partner dafür haben Kunkel und seine Mitstreiter bereits ins Boot holen können, vom als besonders innovativ bekannten Haßfurter Stadtwerk über das Umweltbildungszentrum (UBiZ, Oberschleichach) bis hin zur Gesellschaft zur Umsetzung erneuerbarer Technologieprojekte (GUT).

"Keine Konkurrenz zur Landwirtschaft"

So machten auch zwei Vorträge den Hauptteil der Mitgliederversammlung aus. GUT-Geschäftsführer Marco Siller sprach vor allem darüber, welche Formen von erneuerbarer Energie sich im Landkreis Haßberge weiter ausbauen lassen und welche Flächen dafür zur Verfügung stehen würden. Er setzt dabei vor allem Hoffnung in die Freiflächen-Photovoltaik, also Anlagen, die auf Ackerflächen aufgebaut werden. Dabei betonte er: "Wir wollen keine Konkurrenz zur Landwirtschaft sein." Solche Anlagen sollten demnach nicht auf guten Böden entstehen, sondern eher da, wo Bauern sowieso aufgrund der schlechten Bodenqualtät nur geringe Erträge erwirtschaften.

GUT-Geschäftsführer Marco Siller sieht noch einiges Potenzial an Flächen für Photovoltaik im Landkreis Haßberge.
Foto: Peter Schmieder | GUT-Geschäftsführer Marco Siller sieht noch einiges Potenzial an Flächen für Photovoltaik im Landkreis Haßberge.

Weiter zeigte er sich überzeugt: "Wir sollten die Energiewende im Landkreis halten." Das sei besser geeignet, als über die Hochspannungsleitungen von Suedlink Windstrom aus dem Norden Deutschlands über hunderte Kilometer in den Süden zu bringen. Dabei kam er auch auf eines der großen Probleme bei der Energiegewinnung zu sprechen: Für Anwohner bringt sie oft gewisse Unannehmlichkeiten mit sich. "Energie will jeder, aber nicht vor der Haustür."

Speicherung galt vor zehn Jahren noch als unmöglich

Eine Herausforderung der erneuerbaren Energien ist allerdings der größere Bedarf an Speichermöglichkeiten. Da die Stromgewinnung hier stark vom Wetter abhängt, lässt sich mit egal wie vielen Anlagen nicht zu jeder Zeit beliebig Strom viel Strom zur Verfügung stellen. Nötig sind also Möglichkeiten, die Energie zu speichern. Das war das große Thema des Vortrags des Haßfurter Stadtwerksleiters Norbert Zösch. Dieser ist schon lange in der Forschung zur Energiespeicherung aktiv und ermöglicht es unter anderem Forschungseinrichtungen, in Haßfurt Energiespeicher im Realbetrieb zu testen.

Norbert Zösch zeigt mit dem Haßfurter Stadtwerk, wie sich Energie speichern lässt.
Foto: Peter Schmieder | Norbert Zösch zeigt mit dem Haßfurter Stadtwerk, wie sich Energie speichern lässt.

Immer wieder kam er in seinem Vortrag darauf zu sprechen, wie die Fortschritte der letzten Jahre Kritikern gezeigt hätten, dass viel mehr möglich ist, als noch vor einiger Zeit angenommen. So sprach er über die Power-to-Gas-Anlage und das Wasserstoff-Blockheizkraftwerk im Haßfurter Hafen. Durch Elektrolyse wird mit überschüssigem Strom Wasserstoff erzeugt, aus dem dann bei Bedarf im Blockheizkraftwerk wieder Strom gewonnen werden kann.

"Die Technik ist relativ einfach, die beherrscht man sogar in Haßfurt", sagte Zösch und hatte die Lacher auf seiner Seite. Er betonte, dass das Blockheizkraftwerk zu 100 Prozent mit Wasserstoff betrieben werden kann. "Vor zehn Jahren hieß es noch, das sei nicht möglich."

Insgesamt kamen beide Experten in ihren Vorträgen zu dem Ergebnis: Es sei möglich, den Landkreis Haßberge energieautark zu machen, und das in relativ kurzer Zeit. Immer wieder war in Beispielrechnungen vom Jahr 2030 die Rede.

Keine Klimawende ohne soziale Wende

Vereinschef Oliver Kunkel meinte, "aus der Provinz heraus" einen Beitrag zu leisten, der beim Klimawandel noch etwas aufhalten kann, sei "nur ein Funke Hoffnung". "Der Wandel ist ein viel größerer als nur erneuerbare Energie", sagte er. Beispielsweise zitierte er den Kulturphilosophen Charles Eisenstein, der soziale Veränderungen und ein Umdenken der Menschen als Vorraussetzung für die Klimawende sieht.

Für Vorsitzenden Oliver Kunkel bedeutet Nachhaltigkeit mehr als nur die Arbeit an erneuerbaren Energien.
Foto: Peter Schmieder | Für Vorsitzenden Oliver Kunkel bedeutet Nachhaltigkeit mehr als nur die Arbeit an erneuerbaren Energien.

Dabei spielte auch Oliver Kunkels Arbeitsalltag eine Rolle: Als Studiendirektor an einem Schweinfurter Gymnasium beschäftigt er sich viel mit Schul- und Bildungsthemen – und somit auch mit der Frage, was nötig ist, um einen bewussteren Umgang mit bestimmten Themen in den Köpfen zu verankern. Im Gespräch mit dieser Redaktion zog er auch Parallelen zum Umgang mit der Corona-Pandemie. Bei der Eindämmung der Krankheit und der Einhaltung der Maßnahmen sei in Deutschland weitestgehend recht gut reagiert worden, vor allem haben Bürger und Verantwortungsträger weitgehend auf die Experten – in diesem Fall die Virologen – gehört.

"Wir sehen keine Leichensäcke"

Beim Klimawandel dagegen funktioniere das nicht im gleichen Maß, was Kunkel vor allem darauf zurückführt, dass die Bedrohung hier nicht so präsent ist wie im Fall der schnellen Ausbreitung einer gefährlichen Krankheit. "Beim Klima sehen wir eben nicht die Leichensäcke aus Italien", spielt er darauf an, dass Deutschland in der Corona-Krise gewarnt war, da es andere Länder etwas früher erwischt hatte.

Ungewöhnlicher Anblick bei der Mitgliederversammlung: Oliver Kunkel rief zu Lockerungsübungen auf.
Foto: Peter Schmieder | Ungewöhnlicher Anblick bei der Mitgliederversammlung: Oliver Kunkel rief zu Lockerungsübungen auf.

Dass Kunkel Lehrer von Beruf ist, kam auch in einem anderen Programmpunkt der Mitgliederversammlung zum Ausdruck: "Singen dürfen wir zwar nicht", sagte er, denn auch das würde in Corona-Zeiten die Gefahr der Tröpfcheninfektion erhöhen. Dennoch nahm er sich Zeit, seine Vereinskollegen aufzufordern, mit ihm zusammen ein paar Lockerungsübungen zu machen.

 
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