
Alle fünf Wochen muss Max Breitwieser mittwochs und freitags in die Augenklinik nach Schweinfurt. "Ich sehe nur noch drei Prozent und werde langsam blind", erklärt er und deutet auf sein rechtes Auge. Um nach Schweinfurt zu kommen, nutzt der 82-Jährige den Bus. Von Hofheim aus geht es für ihn zunächst nach Haßfurt und von dort aus weiter in die Kugellagerstadt.
Doch seit dem 1. Januar – dem Starttag des neuen Verkehrsverbunds "Nahverkehr Mainfranken" (NVM) – steht Breitwieser vor einem Problem: Die Sechserkarte, die er bisher immer vor Ort gelöst hat, um nach Schweinfurt zum Augenarzt zu kommen, gibt es ab sofort nur noch digital und nicht mehr in Papierform zu kaufen. Eine Fahrt hat er noch auf seiner aktuellen Karte. Aber dann?
Zwei ÖPNV-Tickets gibt es nur in der App zu kaufen
Ein Handy hat der Hofheimer zwar, aber keines, mit dem sich die digitale Fahrkarte lösen lässt. "Ich bin sicher nicht der einzige Ältere, den das betrifft", fügt Breitwieser an. Alle Fahrgäste, die kein Smartphone oder kein Internet haben oder ihre Daten nicht digital preisgeben wollen, seien ebenso von der Umstellung betroffen.
Der NVM und das Landratsamt Haßberge bestätigen auf Anfrage der Redaktion, dass die Sechserkarte nun ausschließlich digital erhältlich ist. Neben dem Mainfranken-Ticket ist sie damit eines von zwei Ticketangeboten, die nur über die "NVM Tickets-App" gekauft werden können. Diese Entscheidung sei getroffen worden, "um erhebliche Investitionskosten einzusparen", heißt es dazu.
Gerade in finanziell angespannten Zeiten, insbesondere in den Kommunen, sei das eine pragmatische Lösung. Durch den Verzicht auf zusätzliche Infrastruktur – wie Entwerter an den Haltestellen oder in den Bussen – habe man die Kosten für die Einführung neuer Ticketarten, wie zum Beispiel die der digitalen Sechserkarte, deutlich reduzieren können, so NVM und Landratsamt.
Bislang wurde die Sechserkarte in Papierform allerdings ebenfalls ohne Entwerter, also per Hand oder mit einem Stempel, entwertet. Wieso also nicht auch weiterhin? Diese Methode sei nicht fälschungssicher und berge das Risiko von Missbrauch, erklären NVM und Landratsamt. "Um eine einheitliche, sichere und moderne Handhabung zu gewährleisten, wurde die Entscheidung getroffen, auf eine digitale Version der Sechserkarte umzusteigen."
Statt 36 Euro kosten sechs Fahrten jetzt 57 Euro
Was aber heißt das nun für Fahrgäste wie Max Breitwieser, die sich keine digitalen Fahrkarten kaufen können? Tickets könnten direkt im Bus oder an Bahnhaltepunkten am Fahrkartenautomaten erworben werden, antworten NVM und Landratsamt. "Hier stehen verschiedene Angebote zur Verfügung, darunter Einzeltickets, Tagestickets, Monatskarten für Erwachsene sowie Monatskarten für Auszubildende." Mit Ausnahme eben der Sechserkarte, die der Hofheimer bislang nutzte.
Auch Breitwieser hat sich vor Ort zwischenzeitlich noch einmal informiert, was die Fahrkarten betrifft. Nun ist er zwar nicht zum Schwarzfahren gezwungen, wie anfangs halb im Spaß, halb im Ernst befürchtet, muss aber für die weiter in Papierform verfügbaren Tickets tiefer in die Tasche greifen als bisher für die Sechserkarte.
Diese kostete zuletzt knapp 42 Euro. Breitwieser erhielt sie mit einem Zuschuss für 36 Euro, wie er berichtet. Die einfache Strecke "Hofheim-Schweinfurt" kostet im NVM 10,80 Euro – in Summe für sechs Fahrten also knapp 65 Euro. Alternativ kommt bei den weiterhin in Papierform verfügbaren Tickets, wenn man nach der Website des NVM geht, zudem die "Tageskarte Solo" in Frage – mit einem Preis von 19 Euro für beliebig viele Fahrten an einem Tag, was dann in Breitwiesers Fall analog zu seiner früheren Sechserkarte zusammengenommen 57 Euro entsprechen würde.
Woanders gibt es die Sechserkarte aus Papier noch
Kurios ist zudem, dass es andernorts die Sechserkarte nach wie vor in den Bussen oder am Automaten zu kaufen gibt. Dies gelte lediglich für die Stadt und den Landkreis Würzburg sowie die Landkreise Kitzingen und Main-Spessart, informiert der NVM dazu auf seiner Website. "Diskriminierend" sei das, sagt Max Breitwieser.
Dort, wo die Sechserkarte weiterhin vor Ort erhältlich ist, seien bereits seit Langem Entwerter im Einsatz, erklären NVM und Landratsamt hierzu. "Dadurch war keine neue Infrastruktur erforderlich, um die Karten weiterhin in Papierform anbieten zu können." Anders als in der Region Main-Rhön, zu der der Landkreis Haßberge zählt.

Änderungen an der neuen Verkaufsstruktur der Tickets seien nicht geplant. Eine Benachteiligung gerade älterer Menschen sehen NVM und Landratsamt nicht. Es gebe weiterhin die Möglichkeit, wichtige Tickets im Bus oder am Fahrkartenautomaten zu erwerben. Zusätzlich werde durch Beratungsstellen wie das Videoreisezentrum am Haßfurter Bahnhof oder bei den Verkehrsunternehmen sichergestellt, dass ältere Menschen Unterstützung erhalten.
Das Thema an sich ist indes keines, das nur den Landkreis Haßberge betrifft. So zeigte zum Beispiel eine Umfrage der Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen (BAGSO), deren Ergebnisse Ende 2022 veröffentlicht wurden, dass über 60-Jährige "in nahezu allen Lebensbereichen" Ausgrenzungserfahrungen machen.
Viele Situationen würden Barrieren im Bereich der Mobilität und insbesondere die Nutzung des ÖPNV betreffen, heißt es unter anderem. "Fehlende gedruckte Fahrpläne, weniger Automaten und Schalter zum Lösen von Tickets und Sparangebote, die nur digital verfügbar sind, führen dazu, dass die Nutzung erschwert wird und finanzielle Mehrkosten in Kauf genommen werden müssen." So wie es nun auch der Hofheimer Max Breitwieser bei seinen Fahrten im NVM erfahren muss.
Es kommt so rüber wie der Versuch Menschen in die "Digitalisierung" zwingen zu wollen. So wird das nichts mit der Umsetzung der TEN-V-Verordnung (202/1679) der EU, werte Kommunen im NVM-Verband.
Von möglicher, unzulässiger, Diskriminierung rede ich dabei noch gar nicht.
Das Wort ÖPNV in den Haßbergen und auch in Haßfurt kann ich nicht mehr hören. Wo bitte haben wir einen ÖPNV, der diesen Namen verdient? Wo bitte das Deutschlandticket benutzen? Haben wir nicht nur Schulbussystem, das ÖPNV genannt wird? Und anrufen, damit ein BUS eine Linienhaltestelle bedient? Wenn man überhaupt irgendwo hinkommt? Warum hält er nicht einfach, wenn er bei Stellen, die er sowieso anfährt, wenn dort jemand steht und sich bemerkbar macht? Klar anrufen muss man, wenn eine Haltestelle angefahren werden soll, die sonst nicht angefahren wird. Aber was soll es … von der gut ausgebauten Bushaltestelle Großer Anger zum Bahnhof, ins Einkaufzentrum Godelstatt oder zum Krankenhaus zu kommen – nicht so einfach, oder?
Und immer wieder ... Wann bitte startet zumindest auch in Haßfurt und den Ortsteilen, wegen der hohen Bevölkerungsdichte, nicht endlich Callheinz?
im ländlichen Raum zu hören war
könnte man fast glauben,
daß Unterfranken als Modellregion besonders verkorksten ÖPNV erschafft, um so die Notwendigkeit der Autoindustrie und der individuellen Mobilität zu verdeutlichen.
Auch die Zeitung ist seit geraumer Zeit damit beschäftigt, Schwachstellen im öffentlichen Personennahverkehr aufzuzeigen, deutliche Verbesserungen deswegen sehe ich noch nicht.
Und warum gibt es keinen Bus zwischen Schweinfurt und Coburg?
Wer von Hofheim die gut zwanzig km nach Schweinfurt mit Bus und Bahn fahren will fährt erstmal eine halbe Stunde durch den idyllischen Haßgau nach Haßfurt, sieht von der Brücke aus den Zug nach Schweinfurt wegfahren und wartet dann 45 Minuten auf die nächste Verbindung.
Wenn man wollte , dann könnte es besser gehen mit dem ÖPNV.