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Haßfurt
Scharfe Kontrollen wegen Brandgefahr: Wie die Zeiler mit dem Fachwerk umgingen – und wie es wieder in Mode kam
Immer wieder gab es damals Brandkatastrophen in der Zeiler Altstadt. Für den Bau von Steinhäusern wurden Steuern nachgelassen. Doch zwei Männer sorgten für Umdenken.
In den frühen 1930er Jahren zeigten bereits diese drei Häuser ihr Fachwerk.
Foto: Bildarchiv Ludwig Leisentritt | In den frühen 1930er Jahren zeigten bereits diese drei Häuser ihr Fachwerk.
Ludwig Leisentritt
 |  aktualisiert: 03.09.2023 03:49 Uhr

Die meisten Fachwerkhäuser in Zeil, sowie der engeren Heimat, stammen aus dem 17. Jahrhundert. Die Gebäude davor gingen zumeist im Dreißigjährigen Krieg verlustig. Doch auch immer wiederkehrende Brandkatastrophen fügten der Altstadt ziemliche Verluste an der Bausubstanz zu. Die früheren Stadtväter sahen mit Argusaugen auf ihre Mitbürger. Sie visitierten regelmäßig alle Häuser in der Stadt, besichtigten die Feuerstätten und prüften, ob im Hausflur vor der Türe der vorgeschriebene Eimer mit Wasser stand.

Und auch sonst achtete der Stadtrat darauf, dass Feuer erst gar nicht entstehen konnten. Wenn die Feuersicherheit nicht gewährleistet erschien, musste sich der Bewohner oder die Bewohnerin jemand ins Haus nehmen, oder es räumen und bei Verwandten unterkommen.

Von Stroh- auf Ziegeldächer umgestellt

Bei der Bauweise der Gebäude, die zum größten Teil aus Holz bestanden und oft mit Stroh bedeckt waren, genügte die geringste Unachtsamkeit, um einen Brand entstehen zu lassen. Die schon im 17. Jahrhundert versuchte Umstellung von Stroh- auf Ziegelbedachung ging nicht so rasch vonstatten. Mancherorts – wie im Nachbarort Krum – waren Strohdächer auf Nebengebäuden noch bis Mitte des 19. Jahrhunderts anzutreffen.

Der Marktplatz von Zeil ist heute dank der Fachwerkhäuser ein echter Blickfang (Archivbild).
Foto: René Ruprecht | Der Marktplatz von Zeil ist heute dank der Fachwerkhäuser ein echter Blickfang (Archivbild).

Schlimm wütete die Kriegsfurie während des 30-jährigen Krieges. Viele Gebäude verwandelten sich in Zeil 1631 in Schutt und Asche, als – nach einer zeitgenössischen Überlieferung – "die Häuser geplündert und etliche Gassen mit Feuer angesteckt wurden." Aschenspuren, verkohlte Balken und Bretter fanden sich noch in jüngster Zeit bei Neu- und Umbauten. Doch blühte bald wieder neues Leben aus den Ruinen. Die Fachwerkhäuser, die nun in den darauffolgenden Jahrzehnten entstanden, wurden oft größer, formenreicher und kunstvoller.

Nach dem Wiederaufbau der abgebrannten Gebäude waren fast überall die Wälder leer geholzt. Zusätzlich benötigten die Menschen in Zeil noch große Mengen an Holz für die Verbrennung der angeblichen Hexen. "Weil zu viel Holz draufgegangen ist", so schreibt Hans Langhans in sein Tagebuch, haben die Hexenrichter einen holz sparenden Brennofen vor der Stadt errichtet.

Steuernachlass für Steinhäuser

Für die abgebrannten Häuser benötigten die Zeilerinnen und Zeiler pro Gebäude zwischen 80 und 100 Baumstämme. 1699 erließ der Bamberger Fürstbischof Lothar-Franz von Schönborn einen Steuernachlass. Wer ein Haus "von puren Steinen" errichtet, dem gewährte er zehn Jahre lang Steuerfreiheit. Das hat in Bamberg und auch im Umland das Bauen von Steinhäusern gefördert. Plötzlich waren Fachwerkhäuser nicht mehr im Trend. Wer es sich leisten konnte, errichtete ein Steinhaus. Daher kommt das Wort: "steinreich". Die Steinindustrie in der Region stand vor einem großen Aufschwung. So wurden fast überall die Pfarrhäuser massiv erbaut.

Während des Preußischen Krieges (1762/63) drohte eine abgeordnete Ordonnanz des Regiments von Kleist und 1796 Napoleons Soldaten die Stadt zu plündern und anzuzünden. Beide Male konnte das nur durch die Zahlung einer großen Geldsumme abgewendet werden. Bürgermeister Grau beschwerte sich später, der Rat habe ihn allein gelassen, als ihn die Franzosen wegen einer noch fehlenden Summe als Geisel durch die Gassen trieben und misshandelten. Grau musste sich noch nach Jahren mit der Stadt herumstreiten, um das verauslagte Geld erstattet zu bekommen.

Fachwerk mit Kalkputz verdeckt

Nach der Einführung der Feuerversicherung um 1770, verlangte die Brandversicherung, Fachwerk unter Putz zu legen. Dabei wurde das Holz mit Beilhieben aufgeraut, um dem Kalkputz eine bessere Haftung zu geben. An fast allen Fachwerkhäusern sind noch heute die Spuren zu sehen. Bedauerlich ist, dass bei dieser "Bilderstürmerei" bei einigen Häusern Schnitzelemente für immer verloren gingen.

1937 wurde der nicht mehr zum Fachwerk passende Steinobelisk abgebrochen. Die Ziegel auf den Dächern waren noch mit Mörtel eingespeist und das echte Fachwerk des Rathauses zu sehen.
Foto: Bildarchiv Ludwig Leisentritt | 1937 wurde der nicht mehr zum Fachwerk passende Steinobelisk abgebrochen. Die Ziegel auf den Dächern waren noch mit Mörtel eingespeist und das echte Fachwerk des Rathauses zu sehen.

1906 initiierte der Apotheker Carl Theodor Speth zusammen mit dem damaligen Bürgermeister Adam Kraus in Zeil den Fremdenverkehrs- und Verschönerungsverein. Der schrieb sich vor allem die Freilegung der unter Putz verborgenen Fachwerkhäuser auf seine Fahne. Speth ging selbst mit gutem Beispiel voran und ließ zunächst das Fachwerk an der Vorderseite seines Hauses in der Oberen Vorstadt freilegen. Er gab damit seinen Mitbürgern einen entscheidenden Anstoß, der dazu führte, dass immer mehr seinem Beispiel folgten.

Lob gab es aus München

Der Eifer der Zeiler hat sich offenbar bis nach München herumgesprochen. 1921 weilte der für die Denkmalpflege zuständige Professor Angermayer in Zeil. Er nahm die freigelegten Fachwerkhäuser "altfränkischer Bauweise" in Augenschein. Sein Urteil ehrte sowohl die Hausbesitzer als auch die Firmen, welche die saubere, von Kunstverständnis zeugende Arbeiten ausführten.

Das Jörg-Hofmann-Haus, wie es ursprünglich einmal aussah.
Foto: Jakob Schneyer | Das Jörg-Hofmann-Haus, wie es ursprünglich einmal aussah.

1929 ist zu lesen, dass der Zeiler Marktplatz durch die in letzter Zeit erfolgte Freilegung verschiedener Fachwerkbauten "schönheitlich" gewonnen hat. Dabei wussten nur Ortskundige, dass das imposante Fachwerk des Rathauses auch unter Putz verborgen ist. Zu sehen war jedoch ein fast identisch aufgemaltes Fachwerk. Es wurde immer deutlicher: Der platzprägende Steinobelisk passte nicht mehr zur Fachwerkkulisse. Er war 1824 errichtet worden, als das Fachwerk schon hinter Putz verborgen war.

Marktplatz wurde zum Blickfang

Zehn Jahre später wird die Verschönerung des gesamten Stadtbildes hervorgehoben, obwohl erst die Hälfte der Häuser ihr Fachwerk zeigten. Nachdem 1936 das wirkliche Fachwerk des Rathauses wieder sichtbar, 1937 der 14 Meter hohe Steinobelisk abgebrochen war und 1938 auch das neben dem Rathaus stehende Kolbs-Anwesen sein Fachwerk zeigte, war der Marktplatz zu einem Blickfang für Einheimische und Fremde geworden.

1912 war noch das ganze Fachwerk des Marktplatzes unter Putz. Das des Rathauses war aufgemalt.
Foto: Die Kunstdenkmäler des Königreichs Bayern, Band IV | 1912 war noch das ganze Fachwerk des Marktplatzes unter Putz. Das des Rathauses war aufgemalt.

Im 19. Jahrhundert wurde Zeil von mehreren, zum Teil schweren Brandkatastrophen heimgesucht. In der Speiersgasse und am Kaulberg brannten Fachwerkgebäude ab. Sie wurden, wie man heute sehen kann, durch Sandsteinbauten ersetzt. Die ältere Generation erzählte früher, dass angeblich Steinhauer gezündet haben sollen, um Arbeit und Brot zu finden. Doch mindestens eine große Brandkatastrophe wurde durch zündelnde Kinder verursacht.

Fachwerkhäuser blieben von Bomben verschont

Zuletzt stand noch einmal die Substanz der Altstadt während des letzten Krieges auf dem Spiel. Zum Schutz der Rüstungsindustrie in Schweinfurt und Ebelsbach waren auch im Zeiler Stadtbereich Flakgeschütze stationiert. Es war ein Glücksfall, dass diese Einheiten im Juni 1944 abgezogen wurden. Sonst wäre Zeil wohl mit großer Wahrscheinlichkeit mit Bomben belegt worden. Dem Artillerie- und Fliegerangriff mit Brandbomben kurz vor dem Einmarsch der Amerikaner fielen zwar 85 leicht entzündbare Scheunen, Stallungen und Nebengebäude, jedoch nur neun Wohnhäuser zum Opfer. Repräsentative Fachwerkhäuser waren nicht darunter.

In den letzten 200 Jahren hat sich das Ortsbild gravierend verändert. 1846 bestanden die Häuser, Scheunen und Stallungen in der Stadt Zeil noch zu 70 Prozent aus Fachwerk. Von den 136 Fachwerkhäusern von damals sind heute nur noch ein Drittel vorhanden. Manche Gebäude waren baufällig oder nicht erhaltungswürdig und wurden durch Steinbauten ersetzt. Einige Veränderungen müssen heute im Nachhinein als Bausünden betrachtet werden.

Zuschüsse für den Erhalt

Wegen des vom Fachwerk geprägten Ortsbildes zahlte die Stadt in Härtefällen auch schon mal die Mehrkosten für die Freilegung. Der morsche Fachwerkgiebel der "Kulmbacher Bierstube" in der Langgasse musste in den 60er Jahren vollständig erneuert werden. Die Stadt Zeil stellte hierfür die nicht mehr benötigte Balken aus dem gerade renovierten Rathaus zur Verfügung, damit das Fachwerk erhalten blieb. Die Stadt und auch die Denkmalpflege gewähren noch heute Zuschüsse für den Erhalt.

Mörtel für die Einspeisung der Ziegel auf der Annakapelle.
Foto: Christoph Winkler | Mörtel für die Einspeisung der Ziegel auf der Annakapelle.

In den Kernstädten des Landkreises steht die Stadt Königsberg mit 60 Fachwerkhäusern an der Spitze. Es folgt die Stadt Zeil mit 45. Haßfurt zählt mit den Stadtteilen zwar über 86 Fachwerkhäuser. Nach Mitteilung des Kreisheimatpflegers Wolfgang Jäger stehen in der Kernstadt jedoch nur 38. In Eltmann sind es 23, in Ebern und Hofheim jeweils rund 20. Der Arge Deutsche Fachwerkstraße gehört auch die Gemeinde Untermerzbach mit elf denkmalgeschützten Fachwerkhäusern an.

1983 kreierte Zeil den Werbeslogan "Fachwerk, Frohsinn, Frankenwein", der auch noch für ein gleichnamiges Stimmungslied Verwendung fand. Dass die Stadt Zeil vor Kurzem der Arbeitsgemeinschaft Deutsche Fachwerkstraße beitrat, verstand sich von selbst.

Wissenswertes zum Zeiler Fachwerk

Frauenhaare für die Denkmalpflege: Noch in den 1960er Jahren lagen auf vielen Fachwerkhäusern mit Kalkmörtel eingespeiste Hohlziegel. Was Zeiler Frauenhaare im Kalkmörtel zu tun haben, war einmal Gegenstand einer Diskussion im Stadtrat. Diese "Zutat", soll bei Temperaturschwankungen das Reiße des Mörtels verhindern. 2006 sammelte man für die Ziegel der Anna-Kapelle die Haare bei den Zeiler Friseuren. Das ermunterte einen Stadtrat zu der Bemerkung, die Friseure betrieben ohnedies "angewandte Denkmalpflege". Der Einwand, man hätte die Haare von Rindern nehmen können, provozierte allerdings eine andere Äußerung aus dem Gremium: "So viel Rindsviecher harn mer in Zeil nun a net."
Ochsenblut für das Holz: In früherer Zeit mischte man für den Anstrich des Fachwerkholzes rote Erde mit Ochsenblut zu einem dicken Brei und goss etwas Firnis hinzu. 1908 wurde dieses "Rezept" im Haßfurter Amtsblatt als Empfehlung abgedruckt. Dieser "historisch echte Anstrich" ist damals noch den Ölfarben vorgezogen worden, weil er bei gleicher Konservierung der Holzteile die Maserung zutage treten ließ.
Einzigartige Schnitzereien: Das bedeutendste und dekorativste Fachwerkhaus in Zeil stammt vom heimischen Zimmermann Jörg Hofmann. Ebenso das Rathaus in Burgkunstadt sowie das Zunfthaus in Scheßlitz. Alle drei gelten wegen der ungewöhnlichen Schnitzereien als einzigartig.
Quelle: ll

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