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Landkreis Haßberge
Als sich der Landkreis Haßberge vom Klappern der Hufe verabschiedete
Die „Gäulsbauern“ galten einmal als die Elite des Bauernstandes. Pferde hatten im Landkreis Haßberge einst eine große Bedeutung – nicht nur in der Landwirtschaft.
Acht Pferde zogen vor 100 Jahren diesen Steinkoloss der Zeiler Firma Wolf & Barth zur Verladestation am Güterbahnhof.
Foto: Luwig Leisentritt | Acht Pferde zogen vor 100 Jahren diesen Steinkoloss der Zeiler Firma Wolf & Barth zur Verladestation am Güterbahnhof.
Ludwig Leisentritt
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:24 Uhr

Die frühere Redensart „Weibersterben kein Verderben, Gäulsverrecken, des sen Schrecken“, war nicht so frauenverächtlich wie es sich anhört. Wenn einem Gäulsbauern die Frau im Kindbett starb, was früher häufig vorkam, konnte er leicht eine andere Frau heiraten, die vielleicht sogar noch etwas mit in die Ehe brachte. Wenn aber das Zugpferd für den Pflug starb und das Geld für ein neues fehlte, war der Bauer oft ruiniert.

Kein anderes Tier hat den Menschen so schicksalhaft durch die Geschichte begleitet: Als Nutz- und Reittier und auch als Statussymbol. In den beiden Weltkriegen war es auf den Schlachtfeldern unverzichtbar. Zuletzt spielte es noch in der Landwirtschaft eine große Rolle. Es hat jedoch seit rund 60 Jahren seine einstige Bedeutung verloren.

In den frühen 80er Jahren brachen vom Schlosshof in Oberschwappach nur noch Reiter ohne Waffen zu Fuchsjagden, besser gesagt Schleppjagden mit Hunden, auf.
Foto: Archiv Ludwig Leisentritt | In den frühen 80er Jahren brachen vom Schlosshof in Oberschwappach nur noch Reiter ohne Waffen zu Fuchsjagden, besser gesagt Schleppjagden mit Hunden, auf.

Die Eisenbahn verdrängte nach ihrer Inbetriebnahme 1852 das Pferd auf den Straßen. Der königliche Poststallmeister Väth in Haßfurt, musste damals 25 Pferde und mehrere Wagen und Kutschen verkaufen.

Im Krieg zwischen Preußen und Bayern (1866) hielten Tage vor der Entscheidungsschlacht bei Bad Kissingen und Hammelburg unzählige Militärzüge beladen mit Soldaten und Pferde in den Bahnhöfen Eltmann, Zeil und Haßfurt an.

Pferdeomnibus

Nach dem deutsch-französischen Krieg 1870/71 stieg bei der Heeresverwaltung die Nachfrage nach Pferden stark an. Gottfried Freiherr von Rotenhan ließ aus Ostpreußen, dem „Mekka der Pferdezüchter“, einen Hengst nach Rentweinsdorf bringen. Mit ihm kam auch ein 14-jähriger ostpreußischer Junge. Später wurde er Gestütsmeister. Unter fachmännischer Anleitung schuf er eine Zuchtstätte, die – wie Elisabeth von Rotenhan rückblickend feststellte – in Bayern fast einzig war.

„Das Paradies der Erde liegt auf dem Rücken der Pferde, in der Gesundheit des Leibes und am Busen des Weibes“.
Altes Sprichwort

1875 eröffnete in Hofheim bis zur Inbetriebnahme der Regionalbahn 1892, Michael Fuß die erste "Privat-Omnibusfahrt" zwischen Hofheim und Haßfurt, damals ein mit Pferden bespannter Wagen mit mehreren Sitzen. Ebenso verkehrte mehrmals am Tag ein „Pferdeomnibus“ zwischen Königsberg und Haßfurt.

Die Honoratioren dieser Zeit pflegten sich „hoch zu Ross“ oder mit der Kutsche fortzubewegen. Der 1870 in Zeil praktizierende Arzt Dr. Hümmert ritt zu den Patienten der Umgebung mit einem Pferd. Die Stadtverwaltung stellte ihm einen Stall und eine Räumlichkeit für die Unterbringung des Futters zur Verfügung.

Getreide für Pferde statt für Menschen

Der Haßfurter Bezirksamtmann unternahm seine Inspektionsreisen in die Gemeinden in einem tiefschwarzen Landauer, bespannt mit zwei rassigen Schimmelpferden mit prunkvollem Geschirr. Franz Braunreuther aus Zell am Ebersberg erinnerte sich, dass der Amtmann mit dem Kutscher auf dem Bock wie ein König durch das Dorf fuhr. Ein langer weißer Bart zierte sein Gesicht. Von der Bevölkerung wurde er respektvoll gegrüßt.

Nach der Mobilmachung 1914 mussten die Gemeinden kriegsbrauchbare Pferde und kriegstaugliche Fahrzeuge stellen. In Prappach wurden damals neben zahlreichen Pferden auch fünf Leiterwagen eingezogen. Während des Krieges rationierte man das Getreide für die Zivilbevölkerung, um es an die Pferde an der Front zu verfüttern. An allen Kriegsschauplätzen waren schätzungsweise 16 Millionen Pferde im Einsatz. Allein auf deutscher Seite 2,75 Millionen. Wohl die Hälfte von ihnen hat den Krieg nicht überlebt.

Bei einem Manöver der deutschen Wehrmacht 1938, hier in der Krumerstraße in Zeil, dominierten noch Pferde-Gespanne.
Foto: Archiv Ludwig Leisentritt | Bei einem Manöver der deutschen Wehrmacht 1938, hier in der Krumerstraße in Zeil, dominierten noch Pferde-Gespanne.

Der Eltmanner Posthalter Johann Hußlein erwarb 1917 beim Pferdedepot Bamberg zwei von russischen Streitkräften erbeutete Pferde. Was er nicht wusste: Eines der Tiere war trächtig. Umso mehr freute er sich, als er eines Morgens im Stall ein munteres, kräftiges kohlschwarzes Fohlen vorfand. Die Mutter hat täglich die Post nach Unterschleichach gefahren.

Ab 1918 wurden Frontpferde in die Heimat gebracht, damit sie hier wieder zu Kräften kommen konnten. Im Haßfurter Amtsblatt suchte man Pferdehalter, welche den Tieren für eine kurze Zeit einen Erholungsplatz boten.

Als der Erste Weltkrieg vorbei war, ersteigerte 1919 der Trossenfurter Schmied Josef Hofmann ein braunes rumänisches Steppenpferd. Zuvor hatte es auf Russlands Schlachtfeldern der Artillerie gedient. Trotz seines „ehrwürdigen Greisenalters“ war die vierbeinige Stute namens Gretl noch sehr agil. Überrascht war der Trossenfurter, als 1936 das Beutepferd nachträglich mit dem Ehrenschild „Kriegskamerad“ ausgezeichnet wurde.

Vorfahrt für Pferde

Mit Beginn des 20. Jahrhunderts setzte die Motorisierung ein. Dass diese noch den Pferdefuhrwerken untergeordnet war, lässt sich an einer Vorschrift des Haßfurter Bezirksamtes ersehen: Motorfahrzeuge durften innerhalb von Ortschaften nicht schneller als 12 km/h fahren. Das ist die Geschwindigkeit eines trabenden Pferdes.  Es galt der Spruch: „Hott vor Mot“, das heißt Pferd vor Automobil.

Der schon seit den 20er Jahren in Haßfurt tätige Pferdezuchtverein informierte 1926 seine Mitglieder, dass – wegen des zunehmenden Autoverkehrs – die Fuhrwerke in Zukunft unbedingt die rechte Straßenseite einhalten müssen und das Fahren in der Mitte, wie es bislang üblich war, nicht mehr zulässig sei. Seit 1921 wurden erstmals Motorpostwagen im Bereich des Haßfurter Postamtes eingesetzt. Von Zeil aus war jedoch noch um 1930 ein Postpferd in den Steigerwald unterwegs. In einem Streiflicht der Heimatzeitung wurde schon in den 60er Jahren prophezeit, dass das Pferd „bald ein seltenes Tier“ sein würde.

Der Königlich-bayerische Posthalter Johann Hußlein 1920 in Eltmann.
Foto: Luwig Leisentritt | Der Königlich-bayerische Posthalter Johann Hußlein 1920 in Eltmann.

Einen der ersten Schlepper im Bereich des heutigen Landkreises dürften die Gutspächter Gebrüder Schmitt in Friesenhausen besessen haben. Voller Stolz führte man dort 1928 einen Lanz-Bulldog vor, den sich die gewöhnlichen Bauern unseres Kreises aber erst ab den 50er Jahren leisten konnten.

Aus einem Hermannsberger Steinbruchbetrieb wurde 1925 eine mehrere Tonnen schwere Steinwalze zum Bahnhof Ebelsbach gefahren. Das mit zehn Pferden gezogene Fuhrwerk benötigte für diesen schwierigen Transport fünf Stunden.

Die Bauern in Breitbrunn transportierten zwischen 1928 und 1930 mit ihren Pferden aus dem nahegelegenen Steinbruch die schweren Sandsteinquader für den Bau der Kirche. Nach Meinung des ehemaligen Pfarrers Glockner hätten sich beim Kirchenbau auch die Pferde große Verdienste erworben. „Wenn es einen Gäulshimmel gibt“, so Glockner, „kommen diese Pferde bestimmt hinein.“

Pferdekutschen warten um das Jahr 1890 vor dem Gasthaus Stern in Königsberg.
Foto: Archiv Ludwig Leisentritt | Pferdekutschen warten um das Jahr 1890 vor dem Gasthaus Stern in Königsberg.

Knetzgau galt früher nicht nur als Dorf der Schelchbauer. Eine Zeit lang waren Pferdehalter aus dem Ort als Leinreiter tätig, die mit ihren Pferden vom Ufer aus Kähne flussaufwärts schleppten. Später waren Knetzgauer mit ihren Pferden als Fuhrleute weithin bekannt. Als die Motorisierung die Pferde überflüssig machte, beklagte die Heimatzeitung das Verschwinden ländlicher Poesie.

Zuerst war es die Motorisierung, die – was Personen- und Lastverkehr betrifft – allmählich das Pferd zu ersetzen begann. 1932 zählte man im Bereich des heutigen Landkreises noch 3750 Pferde. Voller Wehmut schreibt das Heimatblatt: „Auch Haßfurt mit seinen 27 Pferden fängt an, sich vom schweren, aber melodischen Klappern der Hufe und Eisen, vom Knirschen der Räder und Bremsen auf das Hinpreschen der Motorfahrzeuge umzustellen. Haßfurt mit seinen 63 Autos und Lastwagen hat schon mehr Kraftfahrzeuge als Pferde.“

Vom Klepper zum Schlepper

1950 zählte man im Altlandkreis Haßfurt noch 1056 Pferde. Die „Gäulsbauern“ galten einmal als die Elite des Bauernstandes. Rackerten auf den Feldern 1950 nur 38 Zugmaschinen, waren es zehn Jahre später bereits 1223.  Der „Hafermotor“ begann fast gänzlich aus der Mode zu kommen. Die Heimatzeitung titelte „Vom Klepper zum Schlepper“.

Wenn das Pferd auch vom Kraftfahrzeug verdrängt wurde: Der Bezug zu ihm blieb in vielfältigster Form noch lange erhalten. Die Schlepper der Firma Fendt trugen rund 20 Jahre auf der Motorhaube die Aufschrift „Dieselross“. Und in den Prospekten warb man für den Trecker mit dem Slogan „Das beste Pferd in deinem Stall!“ Die Bauern im Grabfeld nannten ihren Traktor respektvoll Rhönkamel, weil er überall hinkommen konnte.

Pferdefuhrwerke vor der einstigen Brauereigaststätte Schwarzer Adler in Medlitz, Landkreis Bamberg, unweit von Rentweinsdorf.
Foto: Luwig Leisentritt | Pferdefuhrwerke vor der einstigen Brauereigaststätte Schwarzer Adler in Medlitz, Landkreis Bamberg, unweit von Rentweinsdorf.

Jahrhunderte lang wurden die Pferde nach einer Beanspruchung mit einer Decke zugedeckt. Als die kutschenartigen Automobile lernten, ohne Pferde zu fahren, hat sich diese Gewohnheit ins Autozeitalter hinübergerettet. So wurden einem Staffelbacher Doktor 1931 in Eltmann zwei Decken gestohlen. Er hatte sie beim Parken seiner Benzinkutsche vor dem Café Müller auf den Kühler gelegt.

Unterhalb der Mainbrücke gab es in Haßfurt eine in den Fluss gepflasterte, sogenannte Pferdeschwemme. Hier wurden Pferde nach der Arbeit ins Wasser geführt, wo sie gesäubert und getränkt wurden. Später pflegten hier oft Autobesitzer ihre Karossen zum Waschen zu fahren, was dann aber aus Gründen des Wasserschutzes verboten wurde.

Es ist eine Ironie der Geschichte, dass sich heute noch die Stärke der Auto- und Elektromotoren an der Leistung der Pferde orientiert. Obwohl diese Maßeinheit 1978 offiziell durch kW (Kilowatt) abgeschafft wurde, ist sie noch heute gebräuchlich.

Der letzte Zeiler Pferdekutscher Erich Zösch.
Foto: Archiv Ludwig Leisentritt | Der letzte Zeiler Pferdekutscher Erich Zösch.

In unserer modernen Zeit sind die Pferde für die Menschen nicht mehr unersetzlich. Manche haben jedoch noch eine besondere Beziehung zu ihnen. Pferde sind heute fast ausschließlich Freizeitkameraden. Sie müssen in der Regel nicht mehr schwere Lasten oder Ackergeräte ziehen, sondern nur noch Reiter tragen oder wie beispielsweise in Wien oder Kufstein vornehm eingeschirrt mit einer Kutsche Touristen durch die Stadt ziehen. Aber auch in Zeil konnte man bis vor einigen Jahren, mit dem letzten Zeiler Pferdekutscher Erich Zösch, unvergessliche Ausflüge unternehmen.

Pferde-Anekdoten aus dem Landkreis

Verwechslung: 1932 war ein Metzgermeister und Gastwirt mit seinem Pferdefuhrwerk unterwegs. Als sein Pferd vor dem Gasthaus Hopf in Köslau plötzlich ein Bierschild einer Coburger Brauerei sah, war die Rosinante nicht mehr zum Weiterfahren zu bewegen. Der Gaul hatte sich im Haus getäuscht, denn dasselbe Schild war auch am zwei Stunden entfernten Anwesen seines Herrn, der dasselbe Bier ausschenkte, angebracht. Von da an bekam das Tier Scheuklappen verpasst, wenn es auf dieser Strecke unterwegs war.
Wiedergeburt: Vor längerer Zeit lebte ein Oberamtsrichter in Haßfurt, der felsenfest an die Seelenwanderung glaubte. Er war überzeugt, während des 30-jährigen Krieges das tapfere Ross von König Gustav Adolf gewesen zu sein. Am Stammtisch im Walfisch war diese Marotte oft Gesprächsstoff. Der Richter begründete seinen Glauben unter anderem damit, dass er sich besonders gut mit Pferden verstehe. Er pflegte sie am Hals zu tätscheln und mit ihnen zu sprechen. Die große Frage der Stammtischbrüder war immer, was er ihnen ins Ohr flüsterte. Ein Lehre der höheren Lehranstalt glaubte es eines Tages zu wissen: „Tröste dich, Oberamtsrichter von Haßfurt kannst du immer noch werden.“
Gaul, kein Pfarrer: In Ebern trieb ein Landwirt sein Pferd mit einem Fuhrwerk den Berg hoch. Der entgegenkommende Pfarrer sah das und hatte Mitleid mit dem Tier. „Musst Du denn des Gäula so schwer ziech lass?“, wandte er sich an den Mann. Der entgegnete fast schon philosophisch: „Wenn der Gaul a Pfarrer wär, müsst er predig könn, so is er halt a Gaul und der muss  ziech.“
Pferdewette einmal anders: Um bei Berliner Feriengästen eine Wette zu gewinnen, ließ 1959 in der Pension Schaaf in Tretzendorf Konrad Albert einen über 16 Zentner schweren Gaul 16 Stufen eines Steintreppenaufganges in die Jägerstube hochkraxeln. Dort verabreichte man dem Pferd einige Schnäpse, worauf es wieder über das große Gastzimmer von angeblichen Koliken geheilt in den heimischen Stall stapfte. Die Berliner mussten einen Hektoliter Bier springen lassen. Dafür konnten sie daheim die Fotos mit dem Steigerwälder Gaul in der Gaststube herumreichen.
Mensch statt Pferd: Es gibt Situationen, in denen man auch mal auf Pferde verzichtete. Bei einem Wohnhausbrand im benachbarten Sand kam 1874 die Zeiler Feuerwehr fast gleichzeitig mit der jungen einheimischen Wehr am Brandplatz an. Ohne auf die Pferde zu warten, spannten sich die Zeiler Floriansjünger nach dem Notsignal höchstselbst an die vierrädrige Feuerspritze, um den Nachbarn schnell zu Hilfe zu eilen. 
Quelle: Ludwig Leisentritt
 
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  • P. H.
    1. "Als sich der Landkreis Haßberge vom Klappern der Hufe verabschiedete" - da gab es keinen Landkreis Haßberge.

    2. „Musst Du denn des Gäula so schwer ziech lass?“ / „Wenn der Gaul a Pfarrer wär, müsst er predig könn, so is er halt a Gaul und der muss ziech.“ - Die angebliche Story aus Ebern ist im falschen Dialekt wiedergegeben. In Ebern lässt man die Endsilben nicht weg und die Verkleinerungsform lautet -le, nicht -la.
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