Häufig stand früher ein Gänsebraten bereits schon vor der vorweihnachtlichen Fastenzeit - nämlich am Gedenktag des Heiligen St. Martin - auf den Tischen. Der fromme Mann, der gar nicht Bischof werden wollte, soll sich in einem Gänsestall versteckt haben. Die Gelbschnäbel schnatterten jedoch so laut, dass er gefunden und zum Bischof von Tours geweiht wurde. Mit der Christmette endet die Fastenzeit. Bei vielen Familien kommt an Weihnachten erneut ein Gänsebraten auf den Tisch.
Gänse hatten früher in manchen Gehöften die Funktion von Wachhunden. Sie vermochten fast jedes Geräusch wahrzunehmen und mit ihrem Geschnatter anzuzeigen. Im 15. Jahrhundert war es üblich, auf Burgen das Fehlen von Türmern oder Wächtern durch das Halten von Hunden oder Gänsen zu ersetzen. In der Antike sollen Gänse durch ihr Schnattern sogar Rom gerettet haben.
Schwingflügel als Werkzeug zur Ofenreinigung
Die Gans stand bei den Menschen nicht allein wegen des weihnachtlichen Feiertagsbratens hoch im Kurs. Ebenso begehrt waren ihre Federn für die Aussteuerbetten der Töchter. In den Nachkriegsjahren verlangte das Landratsamt Ebern für die zu versorgenden Heimatvertriebenen die Ablieferung von 150 beziehungsweise 100 Gramm Bettfedern je Gans. Das Fett der Tiere fand zudem Verwendung als Balsam bei Erkältungskrankheiten. Die Schwingflügel taten im Haushalt als "Federwisch" für die Öfen gute Dienste. In früherer Zeit benutzte man die äußeren fünf Federn eines Flügels als Schreibgeräte. Selbst wenn heute jemand auf dem PC etwas niederscheibt, greift er redensartlich zur Feder.
Der Zeiler Kilian Fritzmann hatte in französischer Gefangenschaft die Aufgabe, die Gelbschnäbel seines ihm freundlich gesonnenen Quartiergebers täglich mit Maisfutter zu stopfen. Wurden sie geschlachtet, verkaufte der Franzose dann die bei seinen Landsleuten so begehrte Gänseleber auf den Märkten in Paris.
Es kostete große Mühe, die Gänseküken hochzupäppeln, damit sie einmal Federn und einen saftigen Braten abgaben. Dem Ei entschlüpft, wurden sie zumeist in der Küche am Herd sorgsam gehegt und mit gehackten Brennnesseln und gekochten Eiern gefüttert.
Mensch und Tier leben in Zell verträglich zusammen
In der Regel verpflegten sich die gefräßigen Zweibeiner später auf dem Gänseanger zumeist selbst. In vielen Häusern hatten die Gänse und Enten sogar eine Art Wohnrecht. Pfarrer Karl aus Zell am Ebersberg notierte 1812, dass in seinem Dorf Menschen, Gänse und Hühner sehr verträglich zusammen im selben Raum wohnen. Ähnlich beklagte 1861 der Eltmanner Amtsarzt Dr. Schneider die Gewohnheit, junge Gänse und anderes Federvieh unter dem Ofen zu halten.
Manche Orte hielten sich früher Gänsehirten. Die Übergriffe des gefräßigen Federviehs auf Wiesen und Feldern war ständig Anlass für Ärger und Bestrafungen. In Krum überließ man - wie in vielen anderen Orten - gewöhnlich den Dorfarmen sowie Kindern das Hüten des Federviehs. Der Gänsehüter musste pfeifend durch das Dorf gehen und den Austrieb kundtun. Jeder Bürger war verpflichtet, seine Gänse und Enten treiben zu lassen, oder die hierfür festgesetzte Abgabe zu leisten. Zusätzlich durften die Hüter an Kirchweih Kuchen einsammeln und an Neujahr eine Naturalgabe oder 50 Pfennige einfordern.
Sogar der Bayerische Rundfunk berichtete aus Augsfeld
Die Gemeinde Augsfeld vertraute ihre vielen Gänse einer Gänseliesl an. Sie musste jeden Morgen die Tore und Pforten der Halter öffnen und die Gelbschnäbel zum Anger treiben. Über das "Gänseparadies" in Augsfeld berichtete sogar einmal der Bayerische Rundfunk im Rahmen einer Reportage. Noch 1949 stellte die Gemeinde Horhausen einen Gänsehirten an. Man gab so einem armen Mitbürger Arbeit, die Landwirte waren tagsüber die Sorge los, dass ihr Federvieh Schaden anrichtet.
Bei einer Visitation der Stadt Zeil durch das Haßfurter Bezirksamt bemängelte die Behörde 1898: "Vor dem Rathaus scheint der Hauptsammelpunkt sämtlicher Gänse zu sein, die durch ihr Geschrei die ganze Nachbarschaft vor allem auch den Schulunterricht im Rathaus ganz erheblich stören". Noch 1953 erließ der Stadtrat eine Anordnung, nach der das Auslaufen lassen von Gänsen innerhalb der Stadt verboten ist.
Der Wonfurter Sportplatz ist kein Gänseanger
Mit Hilfe eines Totozuschusses errichtete 1960 die Gemeinde Wonfurt einen Zaun um das Gelände des Fußballplatzes. Dadurch wollte man der leidigen Gänseplage begegnen. "Der Sportplatz ist kein Gänseanger", titelte damals die Heimatzeitung.
In den Zeiten der Not blühte der Diebstahl. So wurden Im Steigerwald Hühner, Gänse und Enten aus Ställen gestohlen. Relativ glimpflich bestrafte man 1736 eine Gänsediebin in Eltmann. Sie wurde dazu verurteilt, die gestohlene Gans durch die Straßen der Stadt zu tragen und sich mit ihr eine Zeit lang vor das Rathaus zu stellen. Die schnatternde Gans sorgte dafür, dass recht viele Eltmanner auf die Übeltäterin aufmerksam wurden.
Wenn das Federvieh Schäden anrichtet, droht ihm der Tod
Seltsam mutet eine Verordnung der Gemeinde Schmachtenberg aus dem Jahre 1827 an. Sie sah vor, dass Besitzer von Gänsen, welche einen Schaden verursachten, beim ersten Mal mit drei und beim zweiten Mal mit sechs Kreuzern Strafe belegt werden. Bei der dritten Übertretung sollten die gefräßigen Gänsevögel totgeschlagen werden. In anderen Orten wurde das Fleisch zu Gunsten der örtlichen Armenkasse versteigert.
Ähnlich wie in jüngster Zeit die Wildgänse in Sand, fielen in den 1950-er Jahren ganz normale Hausgänse aus Limbach über die Getreidefelder in Steinbach her. Nachdem sie in den Main getrieben wurden, schwammen sie gerne an das andere Ufer zu den Getreidefeldern. Die Steinbacher reagierten darauf und nahmen die Übeltäter in Gewahrsam, bis die Limbacher Besitzer Schadenersatz leisteten.
Gänsedieb schlug während des Gottesdienstes zu
1946 fuhr ein junger Mann aus Schweinfurt an einem Sonntag mit dem "Hofheimerle", um etwas Essbares zu ergattern. Bei Junkersdorf entdeckte er neben der Strecke grasende Gänse und Enten. Fast alle Einwohner waren zu dieser Zeit in der Kirche. Das hungrige Bürschchen sah nirgendwo eine Menschenseele und drehte zwei Gelbschnäbeln den Hals um. Der Städter hatte aber nicht berücksichtigt, dass das versammelte Federvieh ob des Eindringlings ein kräftiges Geschnatter von sich gab.
Ein nicht so eifriger Kirchgänger hörte den Lärm und sah den Frevler bei seinem Tun. Bei der Rückkehr zur Haltestelle nahm er den Räuber fest. Just als er den Übeltäter durchs Dorf führte, kamen die Junkersdorfer aus der Kirche und hätten den Übeltäter beinahe verprügelt, bevor der Gendarm aus Königsberg ihn abholte.
Bei einer Erhebung im Oktober 1941 wurden in den 300 Haushalten der Stadt Zeil 1383 Gänse und Enten gezählt. Die Federviehhaltung war nicht nur auf die kleinen Leute beschränkt. In diesem Kriegsjahr schnatterten sogar im Pfarrhof beim Geistlichen Rat Rüdenauer ebenso Gänse und Enten wie beim Regierungsrat Jackel, Hauptlehrer Alfred Becher oder Bürgermeister Martin Weinig. Kleine Ställe waren überall leicht zu errichten. 1956 waren im alten Landkreis Haßfurt rund 7000 Gänse und 1700 Enten gemeldet. Es waren wohl mehr. Das Schummeln bei Geflügelzählungen galt seinerzeit als Kavaliersdelikt.
Gemeinderat Sand hatte nichts gegen die Gänse am Altmain
1985 erlaubte der Sander Gemeinderat im Altmaingebiet grundsätzlich das Hüten von Gänsen. Man nahm in Kauf, dass Seerosen und andere Wasserpflanzen in Mitleidenschaft gezogen werden. Schließlich haben die Sander die Wiberla in ihr Herz geschlossen und besingen in froher Gesellschaft diese Wasservögel in den höchsten Tönen. Niemand dachte daran, dass sich eines Tages Wildgänse niederlassen die nicht nur Wasserpflanzen, sondern Getreide und Mais der Landwirte auffressen.
Es gab Zeiten, in denen im Bereich Riedbach Gänse gezüchtet und nach Thüringen zum Verkauf getrieben wurden. Der ehemalige Bürgermeister Theo Diem wusste noch, dass die Bauern die Füße der Gänse zuvor mit Teer einschmierten, damit sie die große Strecke bewältigen konnten.