zurück
Kreis Haßberge
Wolllieferant, Auslöser für Unglücke und der Grund für Kleinkriege: Die Rolle der Schafe in der Region
Hausschafe versorgten die Menschen jahrhundertelang nicht nur mit Nahrung, sondern auch mit Wolle. Doch die flauschigen Tiere sorgten auch für einige Querelen im Haßbergkreis.
Vor der Haßfurter Stadtsilhouette: Bei ruhigem Wetter stehen die Schafe nicht kreuz und quer auf der Weide herum. Oft dreht sich die ganze Herde in eine Richtung.
Foto: A. Kudella | Vor der Haßfurter Stadtsilhouette: Bei ruhigem Wetter stehen die Schafe nicht kreuz und quer auf der Weide herum. Oft dreht sich die ganze Herde in eine Richtung.
Ludwig Leisentritt
 |  aktualisiert: 15.07.2024 11:51 Uhr

Hausschafe sind schon seit 10.000 Jahre nachgewiesen. Sie gehören zu den ältesten Haustieren überhaupt. Im Steigerwald steht ein über 500 Jahre alter moosbewachsener Sühnestein, der einer Sage nach daran erinnern soll, dass hier ein Schäfer von einem Schafdieb erschlagen worden ist.

Während der Hase als ein heidnisches Frühlingssymbol für das Osterfest gilt, ist das christliche Symbol das Osterlamm, das "Agnus Dei". Dieses steht für die Erlösung und die Auferstehung Jesu Christi. Die Stadt Hofheim führt das Lamm mit Heiligenschein – wie viele andere Städte - schon seit Jahrhunderten in ihrem Wappen.

Drei Jahre Streit wegen eines Weideplatzes

Schon seit Jahrtausenden gilt das Schaf als Symbol des Lebens, weil es nicht nur Speis und Trank, sondern durch seine Wolle auch Kleidung gibt. Die Lämmer und Schafe führten jedoch wegen Weiderechten oft zu Streitereien, auch in der Region, die manchmal auch gewalttätig ausgeführt wurden. 1463 begann zwischen den beiden Fürstbischöfen von Bamberg und Würzburg – in ihrer Eigenschaft als weltliche Fürsten – ein fast dreijähriges kriegerisches Geplänkel. Ursache war ein strittiger Schafsweideplatz bei Unterhaid.

Bamberg ließ dort die weidende Schafherde in die Stadt treiben. Im weiteren Verlauf ließ Bamberg das würzburgische Dorf Stettfeld von 100 bewaffneten Untertanen plündern und anzünden. Unter den Bewohnerinnen und Bewohnern gab es einen Toten und mehrere Verwundete. Daraufhin ließ der Würzburger Bischof als Vergeltung für den Überfall auf sein Dorf von seinen Männern das bambergische Kloster Theres, sowie die gerade erst fertiggestellte Schmachtenburg, teilweise zerstören.

Zeil hatte eine Gemeindeschäferei

In Haßfurt konfiszierten man 13 mit Wein beladene Schelche – also spezielle Transportkähne – von Bamberger Kaufleuten. Von diesem Vorfall gibt es in der Würzburger Chronik sogar eine bildliche Darstellung. Nach einiger Zeit rechneten die beiden Fürstbischöfe die beträchtlichen Schäden gegeneinander auf. Und ausgelöst hat diesen Kleinkrieg ein Schafs-Weideplatz im Wert von drei Gulden.

"Es ist sehr vorteilhaft für eine zahlreiche Familie, wenn sie ohne besondere Kosten ihren Bedarf an Wolle deckt."
Zeiler Schafsbesitzer

In Zeil durfte jeder Bürger, dessen Haus seit 1806 bestand, zwei Schafe halten und diese zum fortwährenden Ärger der übrigen Mitbürger auf der Gemeindeflur weiden lassen. Ab 1820 leistete sich Zeil sogar eine Gemeindeschäferei. Gegenüber den nicht privilegierten Bürgern rechtfertigten die Hausbesitzer die Schafszucht unter anderem mit dem Ertrag der Wolle. "Es ist sehr vorteilhaft für eine zahlreiche Familie, wenn sie ohne besondere Kosten ihren Bedarf an Wolle deckt." Für die zahlreichen Zeiler Hausweber war die Wolle ein wichtiger Rohstoff.

Mitten im Winter weideten in den 50er Jahren auf dem Hang des verschneiten Zeiler Kapellenberges die Schafe.
Foto: J. Schneyer | Mitten im Winter weideten in den 50er Jahren auf dem Hang des verschneiten Zeiler Kapellenberges die Schafe.

Der Zeiler Stadtrat zählte gegenüber der Behörde die Vorteile dieser bürgerschaftlichen Schafhaltung auf. Die auf den Bergrücken liegenden Grundstücke könnten mit dem anfallenden Stallmist nur mit hohem Aufwand gedüngt werden. Durch die Pferchung werde der Schafsmist an Ort und Stelle aufgebracht.

Arme Buben und Mädchen bekamen Wollstrümpfe

Lange Zeit bestand auch in Krum eine Gemeindeschäferei. 1818 machte der Dorflehrer die Gemeindeväter darauf aufmerksam, dass einige arme Buben und Mädchen keine Strümpfe hätten. Die Schafbesitzer wurden aufgefordert, etwas Wolle abzugeben, damit die bedürftigen Kinder sich selbst ihre Strümpfe für den Winter stricken können. Eine Kollekte brachte dann auch die nötige Wolle zusammen. Die Armenkasse übernahm die Kosten für das Färben der Strümpfe.

Der Schulmeister stelle 1818 eine Liste aller Artikel zusammen, welche seine Schüler in der "lndustrieschule" – vergleichbar mit der späteren Handarbeitsschule – gefertigt haben. Dabei vermerkte er, dass keine Baumwolle verarbeitet wurde, weil diese zu kostspielig sei. Früher gehörte fast zu jedem bäuerlichen Haushalt ein Spinnrad. 1923 bot noch der Königsberger Christian Appold auf dem Haßfurter Weihnachtsmarkt Spinnräder für Wolle an.

Weil es immer wieder zu großen Unannehmlichkeiten, Streitereien und Feindseligkeiten kam, stellte Krum 1898 die gemeindliche Schafhaltung ein. Vorausgegangen war ein Rechtsstreit, der schließlich den 52 Rechtlern untersagte, weiterhin die Schafzucht zu betreiben. In den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg besannen sich jedoch einige Landwirte angesichts des sich immer fühlbar machenden Wollmangels, auf das alte Recht, Schafe zu halten.

1920 gab es wiederum Streitigkeiten wegen der Benutzung der gemeindeeigenen Wiesen. Die Nichtrechtler pochten darauf, das Futter in diesen schweren Zeiten für die Fütterung ihrer Kühe und Ziegen zu verwenden.

1936: Schäferei mit 500 Tieren in Eichelberg

Um 1890 sind im Bezirk Ebern fast in jedem Ort eine Gemeinde- beziehungsweise Herrschaftsschäferei nachgewiesen. 1936 gab es auf dem Rotenhan'schen Pachtgut in Eichelberg eine Schäferei mit 500 Tieren. In einer Versammlung in Zeil gründeten zur selben Zeit 15 Landwirte einen Zweckverband. Sie bestellten spontan für den Bezirk Haßfurt 20 Milchschafe. Den Zeiler Landwirt August von Raesfeld bestimmten sie zum Obmann. Während des Dritten Reiches gab es große Bemühungen des Milchschafzuchtverbandes, die Schafzucht zu fördern.

Bei einer Viehzählung wurden 1951 allein im damaligen Landkreis Haßfurt 3.127 Schafe gezählt. An der Spitze standen die Orte Obertheres (439), Hainert (340), Unterhohenried (333), Holzhausen (298), Knetzgau (290), Zeil, (271), Oberhohenried (227) und Zell (204). In den Landkreisen Ebern und Hofheim waren es 1459 beziehungsweise 4202 Schafe.

Schafe sorgten für zahlreiche Unglücke

Im Gegensatz zu den anderen Tieren waren die Schafe häufig gefährdet. 1914 fuhr in Haßfurt frühmorgens ein Regionalzug auf der Strecke nach Hofheim in eine Hammelherde, die auf den Gleisen war. Dabei wurden sechs Schafe getötet. Die Tiere waren ohne Aufsicht aus ihrem Pferch ausgebrochen.

So eine Schafherde gefahrlos über den Eisenbahnübergang in Zeil zu bringen war nur durch eine telefonische Abstimmung mit dem Fahrdienstleiter in Haßfurt möglich. Das Postamt befand sich damals nur wenige Schritte entfernt.
Foto: E. Trommler/Archiv | So eine Schafherde gefahrlos über den Eisenbahnübergang in Zeil zu bringen war nur durch eine telefonische Abstimmung mit dem Fahrdienstleiter in Haßfurt möglich.

Auf dem Bahngleis in der Nähe der damaligen Fabrik Mölter in Haßfurt kamen auf ähnlicher Weise 40 weitere Schafe ums Leben. Ein Güterzug aus Richtung Zeil war zwischen drei und vier Uhr morgens in eine Schafsherde gerast. Vermutlich wurden die unbeaufsichtigten 160 Schafe in einem Pferch an der Prappacher Straße durch streunende Hunde auseinandergetrieben und sind dann ruhelos umhergeirrt. Zahlreiche ermüdete Schafe hatten sich zwischen die Gleise gelegt, was die hohe Todeszahl erklärt. Den Schaden hatte ein Schafhutpächter aus Dinkelsbühl.

34 Schafe vom Blitz erschlagen

Ein wildernder Hund richtete 1958 in einem Schafpferch bei Limbach ein furchtbares Blutbad an. Das Tier aus Oberschleichach hatte damals 19 Schafe getötet. 1969 erschlug ein Blitz zwischen dem Haßfurter TV-Heim und dem Flugplatz in einer Sekunde 34 Schafe.

In den 50er und 60er Jahre weidete alle Jahre im Vorfrühling der Schäfer Johann Rienecker aus Sulzheim in Ober- und Neuschleichach. Der Schäfer übte dort mit seinen rund 300 Tieren die Winterschafhut aus. Seine beiden Schäferhunde waren darauf abgerichtet, dass sich keines seiner Schafe auf ein angesätes Feld verirrt und den Bauern kein Schaden entsteht.

Als Schäfer in Frankreich im Einsatz

Im Mai zog der Schäfer mit seiner Herde wie jedes Jahr in die Rhön zur Sommerweide unterhalb des Kreuzberges. Auch die Schafherde des Zeiler Schäfers Jakob Wegmann verbrachte dort in den 50er Jahren die Sommerweide. Seinen Schafstall hatte Wegmann unterhalb der Mainbrücke auf der Sander Seite. Im Inflationsjahr 1923 musste er als Pachtgeld für die städtischen Wiesen den Wert von sechs Zentner Wolle bezahlen.

Aus der "Schäferzeitung" hatte Hans Wegmann 1931 erfahren, dass ein Schafgut im elsässischen Saverne in Frankreich einen Schäfer sucht. Mit der Eisenbahn trat die ganze Familie die Reise an. Zusammen mit weiteren Schäfern war er auf dem Gut tätig. Beim Klauenputzen schlug ein Schaf derart aus, dass ihm sein Messer ins Auge ging. Der deutsche Gastarbeiter war seitdem einäugig.

90 Jahre als Schäferfamilie tätig

Nach der Machtergreifung Hitlers, wollten die Franzosen die Deutschen nicht mehr im Land haben, es sei denn, die Wegmanns hätten die Staatsbürgerschaft angenommen. So trat die Familie Ende 1933 die Rückreise an. Die Wegmanns waren in Zeil rund 90 Jahre als Schäfer tätig. Jakob Wegmann meldete die Wanderschäferei im Jahr 1960 wegen Mangel an Weidemöglichkeit ab.

Ein Stück Schäferromantik war noch in den 50er Jahren in der Gemeinde Holzhausen erhalten geblieben. Mit Eintritt der kälteren Jahreszeit zog der Gemeindeschäfer Konrad Reinfelder mit seinem Vater jeden Mittag durchs Dorf und forderte die Bauern durch schrille Pfiffe dazu auf, ihre Schafe aus den Ställen herauszulassen. Punkt zwölf Uhr ging es dann mit einer großen Herde bis zum Abend auf die Weide. 

Der Gemeindeschäfer Konrad Reinfelder in Holzhausen trieb 1956 mit seinem Vater die Schafe der Bauern zur Weide.
Foto: H. Schneier | Der Gemeindeschäfer Konrad Reinfelder in Holzhausen trieb 1956 mit seinem Vater die Schafe der Bauern zur Weide.

Über lange Zeit war die Schafzucht vor allem wegen der Wolle sehr attraktiv. 1950 bekam ein Schafhalter für ein Kilo Wolle umgerechnet 2,30 Euro. Das Scheren der Schafe kostet derzeit mehr, als mit der Wolle verdient wird.

Das Schaf, der nachhaltige Rasenmäher

Die 1999 im Landkreis gezählten 5.700 Schafe wurden in erster Linie des Fleisches wegen gehalten. 2016 gab es in der Region nur noch rund 3.000 Schafe. Aktuell dürften es noch weniger sein. Die Jahrhunderte lang knappen und umkämpften Weideflächen sind schon lange kein Thema mehr. Wegen der ständigen Zunahme der landwirtschaftlich nicht mehr genutzter Flächen stünde heute den Schafen genügend Lebensräume zur Verfügung und sie könnten so als vierbeinige Rasenmäher der Landschaftspflege und der Ökologie dienen.

Doch derzeit werden nur Flächen in Zeil am Schleifberg, Mönchshang und an der Hohen Wann mit Schafen beweidet. In Prappach ist es ein Hartrangen und bei Königsberg eine Fläche auf der Hohen Wart. Im Sinne der Landschaftspflege weiden noch extensiv Rinder bei Krum und Altershausen.

Die eierlegende Wollmilchsau

Die Redensart von der eierlegenden Wollmilchsau umschreibt die Vorstellung von einem idealen Nutztier. Würde das Schaf auch noch Eier legen, wäre dieses Tier ein solches Geschöpf. Kein anderes Haustier liefert den Menschen so viel Produkte wie das Schaf: Nämlich Fleisch, Wolle, Milch, Felle, Häute, Dünger und Darm. Dieser ist der zarteste und dünnste Naturdarm, der vor allem für Bratwürste verwendet wird.
Quelle: ll
 
Themen & Autoren / Autorinnen
Haßfurt
Ebern
Hofheim
Zeil
Eltmann
Königsberg
Ludwig Leisentritt
Fürstbischöfe
Haushunde
Jesus Christus
Landwirte und Bauern
Schafzucht
Stadt Hofheim
Wolle
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top