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Kreis Haßberge
Eine Bahnstrecke für den Steigerwald: Warum um 1900 vieles für die Trasse sprach – sie aber nie kam
Im Jahr 1899 begann die Planung einer Lokalbahn für den Steigerwald. Was sich die Gemeinden davon versprachen und warum sie letztlich doch nicht gebaut wurde.
Der Holztransport zu früheren Zeiten war beschwerlich. Unter anderem deswegen hofften Betriebe im Steigerwald auf den Bau einer Bahnstrecke.
Foto: Archiv Christian Blenk | Der Holztransport zu früheren Zeiten war beschwerlich. Unter anderem deswegen hofften Betriebe im Steigerwald auf den Bau einer Bahnstrecke.
Ludwig Leisentritt
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:16 Uhr

Es war eine illustre Gesellschaft, die sich am 7. April 1899 in Tretzendorf traf. Auf der Tagesordnung stand die Gründung eines "Comites zum Bau einer Lokalbahn von Bamberg nach Untersteinbach". Nach den 1892 und 1895 eröffneten Lokalbahnen nach Hofheim und Ebern war man überzeugt, dass so ein Projekt für die wirtschaftliche Entwicklung des nördlichen Steigerwalds von größter Bedeutung sei.

21 Gemeinden erhofften sich davon eine Belebung des Handels und eine allgemeine Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Situation. Die Hoffnung war, durch eine Bahn dem "Weltverkehr" angegliedert zu werden. Doch es fehlte das Geld für den nötigen Grunderwerb, zumal die Initiatoren wussten, dass sich die Begeisterung für die Lokalbahn bei einigen Gemeinden in Grenzen hielt.

Ein Bürgermeister kämpfte hartnäckig für die Bahn

Der damalige Untersteinbacher Bürgermeister Rüttinger zog alle Register seiner Überzeugungskraft. Er erwartete von Verantwortlichen des Distrikts Eltmann eine "hochherzige Unterstützung". Die Lokalbahn sollte dazu beitragen, alle Erzeugnisse in vorteilhafter Weise "an den Mann zu bringen": Getreide, Holz, Vieh und verschiedene landwirtschaftliche Produkte würden sich so besser verwerten lassen.

Steine und Holz waren die wichtigsten Exportschlager des Steigerwalds. Ein Beispiel dafür: die Steinmetzwerke Vetter in Tretzendorf und Trossenfurt.
Foto: Firma Vetter | Steine und Holz waren die wichtigsten Exportschlager des Steigerwalds. Ein Beispiel dafür: die Steinmetzwerke Vetter in Tretzendorf und Trossenfurt.

Großvieh wäre künftig in guter Verfassung auf den Markt nach Bamberg zu transportieren, um es angemessen zu verkaufen. Bisher, so rechnete der Bürgermeister vor, hätten sich die Bauern mit einem Spottpreis begnügen müssen, weil das Vieh durch den stundenlangen Weg nur abgetrieben und heruntergekommen auf den Markt gebracht werden konnte. Auch die für Menschen und Tiere gleichermaßen anstrengenden Holztransporte in die Städte sollten aufhören.

Hoffnung auf eine Belebung der Industrie im Steigerwald

Rüttinger lockte seine Bürgermeisterkollegen auch mit der Hoffnung auf eine Belebung der Industrie. Denn der Steigerwald verfügte über einen Reichtum an Steinen, Holz, Lehm, Sand und Quarz. Ohne Bahn vermochte bisher nur die Steinindustrie einen nennenswerten Aufschwung zu nehmen.

"Man verhelfe uns zu einer Bahn, und alle Schätze, die da ruhen und schlafen, werden gehoben."
Bürgermeister Rüttinger, Untersteinbach

"Man verhelfe uns zu einer Bahn, und alle Schätze, die da ruhen und schlafen, werden gehoben und wirtschaftlicher Aufschwung und Wohlstand werden ihren Einzug halten, wo dies bislang kaum möglich war", so Rüttinger. "Es werden Ziegeleien erbaut werden. Glas- und Papierfabriken finden zu ihrem Gedeihen die besten Vorbedingungen: Billige Arbeitskräfte und das nötige Rohmaterial. Niemand soll sagen, dass dies Luftschlösser seien!"

In Fabrikschleichach hatte es zuvor schon einmal eine Glasfabrik gegeben, die den Betrieb aber einstellen musste, weil die Transportkosten ein Konkurrieren "mit günstig gelegenen Fabriken" unmöglich machten. "Man gebe uns die gleichen Verkehrsbedingungen und jede Fabrik der angeführten Art vermag hier, der Konkurrenz zu trotzen."

Die Bahn sollte auch Aufschwung für den Tourismus bringen

Schließlich erhofften sich die Initiatoren von einer Lokalbahn noch einen außerordentlich gesteigerten Fremdenverkehr. Die Schönheiten des Steigerwalds seien weiten Kreisen nicht bekannt, weil sie ohne Bahnverbindung zu weit abseits lägen. Zwar habe sich trotzdem der Touristenverkehr in den letzten Jahren erheblich gesteigert. Mit der Bahn ließe sich aber noch einmal mit einem Schlag deutlich mehr erreichen.

Ein sehr optimistischer Straßenname: In Geusfeld gibt es eine 'Bahnhofsstraße', doch der dazugehörige Bahnhof und die Bahnstrecke wurden letztlich nie gebaut.
Foto: Oskar Ebert | Ein sehr optimistischer Straßenname: In Geusfeld gibt es eine "Bahnhofsstraße", doch der dazugehörige Bahnhof und die Bahnstrecke wurden letztlich nie gebaut.

Rüttinger bat den Distriktsrat, die Steigerwaldorte nicht im Stich zu lassen. Ahnungsvoll schloss er: "Wenn wir dieses Mal aus Mangel an eigenen Mitteln und aus Mangel an Hilfe und Unterstützung um die Bahn kommen, so bietet sich vielleicht lange Jahre keine solche Aussicht mehr. Die Bevölkerung des Steigerwaldes wäre verurteilt, auch weiterhin abgeschnitten von allem Verkehr in Armseligkeit dahin zu leben."

Stadt Eltmann wollte keinen Einfluss an Bamberg verlieren

Nun trat die Stadt Eltmann auf den Plan, musste sie doch fürchten, dass eine Bahnstrecke Bamberg-Untersteinbach sie wirtschaftlich vom Steigerwald abkoppeln würde. Im September 1899 bildete sich hier "ein provisorisches Eisenbahn-Comite", welches eine Lokalbahn von Ebelsbach-Eltmann über Trossenfurt, Kirchaich, Dankenfeld, Fürnbach, Prölsdorf, Falsbrunn, Theinheim und Unterschleichach nach Neuschleichach anstrebte. Von einer Anbindung Untersteinbachs war nur vage die Rede. Offenbar ging es darum, diese Orte samt Hinterland endgültig an Eltmann anzubinden.

Das Bezirksamt Haßfurt stand nun vor einem Dilemma, sollte es doch darüber entscheiden, welche Variante es fördern will. So teilte der damalige Bezirksamtmann Mahler mit, dass seinem Amt eine Parteinahme untersagt sei. Es werde aber die beiden Anträge "mit pflichtgemäßer Gründlichkeit und Objektivität prüfen".

Staatsregierung genehmigte Gelder – und zog sie gleich wieder zurück

1908 hatte sich die Eisenbahndirektion auf eine 39 Kilometer lange Trasse von Bamberg über Gaustadt, Mühlendorf, Aurachtal, Neuschleichach und Karbach nach Untersteinbach festgelegt und die Projektierungskosten errechnet. Im darauffolgenden Jahr übernahm die Gemeinde Stegaurach die Initiative.

Sie wandte sich an das Haßfurter Bezirksamt und teilte mit, dass bereits frühere Erhebungen eine Deckung der Betriebskosten erwarten ließen. Ohne Zweifel stünde fest, dass die erwünschte Bahn die wirtschaftlichen Verhältnisse der gesamten Gegend fördern würde. "Wie viele Lokalbahnen gibt es nicht in Bayern, deren finanzieller Ertrag auch viel zu wünschen übriglässt? Bahnen wurden aber gleichwohl gebaut, weil dadurch die wirtschaftlichen Verhältnisse gehoben wurden."

1912 setzte die Regierung in München einen Bus von Bamberg durch den Steigerwald nach Untersteinbach ein. Im Juli 1951 nahm dieser – der älteste Postbus Bayerns – an einem Autokorso in Bamberg teil.
Foto: Jakob Schneyer | 1912 setzte die Regierung in München einen Bus von Bamberg durch den Steigerwald nach Untersteinbach ein. Im Juli 1951 nahm dieser – der älteste Postbus Bayerns – an einem Autokorso in Bamberg teil.

Die Staatsregierung gab 1910 die Weisung, die zur Deckung der Projektierungskosten notwendigen Gelder bereitzustellen. Der Auftrag wurde aber kurz darauf zurückgenommen, weil die Regierung 1912 auf dieser Strecke versuchsweise einen Autopost-Verkehr einführte. Schon sehr bald lieferte die hohe Frequentierung dieser Buslinie Argumente für die Notwendigkeit einer Lokalbahn. Denn angenehm war die Fahrt mit dem Bus nicht. Die holprige Straße war für die Hartgummiräder des Fahrzeugs völlig ungeeignet.

Die Bahn sollte Aufschwung für die Steinbrüche bringen

Mit Beginn des Ersten Weltkriegs 1914 standen nur noch kriegswichtige Unternehmungen im Vordergrund. Doch kaum war der Krieg zu Ende, wies der Bamberger Oberbürgermeister Adolf Wächter in einem Schreiben an das Bayerische Verkehrsministerium erneut auf die Wichtigkeit einer Bahn von Bamberg nach Untersteinbach hin.

Offenbar wurden inzwischen neue Überlegungen angestellt. Nun waren es 50 Gemeinden, die auf einer Länge von 32 beziehungsweise 39 Kilometern im Einzugsbereich der Bahn gelegen hätten. Damit wären der größte Teil des Aurachgrunds und das obere Rauhe Ebrachtal durch die Bahn erschlossen worden.

Eine Ausstellung zeigt, was die Holzwarenfabrik Raab in Fabrikschleichach zwischen 1900 und 1963 herstellte.
Foto: Ludwig Leisentritt | Eine Ausstellung zeigt, was die Holzwarenfabrik Raab in Fabrikschleichach zwischen 1900 und 1963 herstellte.

Die Erbauung einer Bahn sollte den Steinbruchbetrieb im ganzen Gebiet wieder in Schwung bringen. Man ging davon aus, dass der Transport der Massengüter sich über das ganze Jahr verteilen würde: Der Holztransport würde hauptsächlich in die Winter- und Frühjahrsmonate fallen. Sommer und Herbst seien dagegen die Hauptzeiten für Steinlieferungen.

Nach dem ersten Weltkrieg war endgültig Schluss mit den Plänen

Für die Industrie sahen die Akteure im Aurach- und Ebrachtal günstige Bedingungen. Arbeitskräfte waren reichlich vorhanden. Holzindustrie, Papierfabriken oder Ziegeleien fänden die besten Voraussetzungen. Durch günstige Verkehrsverhältnisse würden bestehende Industriezweige gefördert und eingegangene wieder belebt. Bodenschätze, die bisher ungenutzt blieben, wie beispielsweise Ton, würden zutage gefördert und dem Erwerb zugeführt. Beim Güterverkehr spielten auch die landwirtschaftlichen Produkte eine wichtige Rolle.

Ein Haßfurter äußerte sich damals im Haßfurter Tagblatt diesen Plänen gegenüber kritisch. Die geplante Bahnlinie würde den lebhaften Personen- und Güterverkehr der Steigerwald-Bewohner von ihren bisherigen Amtsstädten nach Bamberg ablenken. Sie würde Eltmann, Zeil, Haßfurt und Gerolzhofen wirtschaftlich vollkommen brachlegen. Dass die Stadt Bamberg an solchen Plänen großes Interesse habe, sei verständlich.

Im April 1919 schließlich lehnte der Eltmanner Distrikts-Ausschuss die Bereitstellung der Projektierungskosten zur Erbauung einer Steigerwaldbahn ab.

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Kommentare
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  • O. S.
    Einer Frau Tandler (CSU Sympathisantin) sollte man die zu Unrecht erhaltenen Provisionen aus den Maskendeals einkassieren. Damit kann man dann die ganze Reaktivierung der Steigerwaldbahn ermöglichen.
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  • F. R.
    Super Artikel, immer wieder interessant was früher im Landkreis los war. Weiter so 👍
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