Ist es eine gute Nachricht für alle Eigentümerinnen und Eigentümer von Immobilien in Knetzgau? Oder eine verpasste Chance, für mehr finanzielle Stabilität der Gemeinde zu sorgen, was sich alsbald rächen könnte? Der Gemeinderat von Knetzgau hat am Mittwochabend, so wie es der Gesetzgeber verlangt, neue Hebesätze für die Grundsteuer festgelegt. Dabei entschied sich das Gremium bei der Grundsteuer B – sie betrifft alle bebauten und unbebauten privaten und gewerblichen Grundstücke – für einen moderateren Hebesatz, als es die Verwaltung vorgeschlagen hatte: Ab 1. Januar gilt für die Grundsteuer B in Knetzgau demnach ein Hebesatz von 175 Prozent (bislang 350).
Statt Plus von 200.000 Euro nur 100.000 Euro mehr
660.000 Euro nimmt die Gemeinde gegenwärtig pro Jahr über die Grundsteuer ein. Bei dem von der Finanzverwaltung empfohlenen Multiplikator für die Grundsteuer B von 200 Prozent hatte Kämmerer Marco Depner künftig mit 860.000 Euro gerechnet (der höhere Betrag trotz des im Vergleich zu bisher abgesenkten Hebesatzes ergibt sich dadurch, dass ab 2025 neue Grundsteuermessbeträge gelten). Doch nach dem Beschluss des Gemeinderats werden es nur rund 100.000 Euro mehr sein, die die Grundsteuer in die Rathauskasse spült.
Die Gewerbesteuer A für land- und forstwirtschaftliche Betriebe spielte bisher schon für die Einnahmensituation der Gemeinde eine geringe Rolle, ihre Bedeutung wird offenbar weiter sinken. Deshalb war es am Mittwochabend im Knetzgauer Rats- und Kultursaal auch unumstritten, dass ihr Hebesatz künftig bei 300 Prozent liegen wird (bislang 350).
Doch für ihren Hebesatz bei der Grundsteuer B kämpften Bürgermeister Stefan Paulus (CWG/SPD) und Kämmerer Marco Depner leidenschaftlich und eindringlich. Auf die Mehreinnahmen von rund 200.000 Euro sei die Gemeindekasse dringend angewiesen, erklärte Depner. Er verwies auf die Investitionskosten von über 34 Millionen Euro, die Knetzgau allein im Finanzplan bis 2027 vor sich herschiebe – mit zahlreichen Einzelmaßnahmen wie die Sanierung des Westheimer Kindergartens oder des Neubaus des Bauhofs, deren Finanzierung noch völlig unklar sei.
Hebesatz spielt auch in den Finanzausgleich hinein
Und: Warnend tauchte der Kämmerer in komplexe steuerrechtliche Materie ein. Die Berechnung der Steuerkraft einer Kommune beruhe auf dem Nivellierungshebesatz von Grundsteuer und Gewerbesteuer. "Je höher der örtliche Hebesatz über diesem Nivellierungssatz liegt, desto mehr bleibt der Kommune am eigentlichen Steuerertrag", führte Depner aus, desto weniger Steueranteile flössen also etwa über die Kreisumlage ab, jene Summe also, die Knetzgau Jahr für Jahr an den Landkreiszahlen muss.
Düstere Prognosen von Bürgermeister Paulus
Bürgermeister Paulus gar malte in der ersten Ratssitzung, seit er seinen Rückzug als Rathauschef für 2026 angekündigt hatte, ein düsteres Bild: Bayern- und deutschlandweit gerieten die Kommunen immer mehr in finanzielle Nöte. "Gemeinden, die sich diesen finanziellen Herausforderungen nicht stellen, wird es nicht mehr geben", sieht Paulus eine neue Gebietsreform auf das Land zukommen. Vielen Rathäusern drohe schon jetzt die Zwangsverwaltung.
Im Prinzip könne er es sich leicht machen für den Rest seiner Amtszeit, sagte Paulus wohl vor allem in Richtung der gut 60 Zuhörerinnen und Zuhörer, die die Sitzung aufmerksam verfolgten. Will heißen: Er könnte bei der Grundsteuer Geschenke an die Bürgerinnen und Bürger verteilen. Das aber will der 57-Jährige nicht: "Wir müssen jetzt für finanzielle Stabilität der Gemeinde sorgen, alles andere wäre verantwortungslos."
Doch am Ratstisch konnte sich Paulus mit seinen Vorstellungen bei der Grundsteuer B ebenso wenig durchsetzen wie kürzlich bei der Erhöhung der Kindergartengebühren. Mit 4 gegen 11 Stimmen scheiterte der Hebesatz von 200 Prozent bei der Abstimmung. Beschlossen hingegen mit 11 gegen 4 Stimmen wurde jener Antrag, den Bernhard Jilke (FDP/Freie Bürger) auch im Namen der Ratskolleginnen und - kollegen Stefan Seubert, Christina Stula, Barbara Ullrich und Mark Zehe (alle CSU), Robert Beetz (CWG) sowie Nina Köberich und Benjamin Schraven (beide Bündnis 90/Die Grünen) eingebracht hatte. Auch der Eschenauer Ortssprecher Rudolf Symank hatte den Antrag unterschrieben.
Einnahmequelle auf Rücken der Bürger?
Die Befürworterinnen und Befürworter des Hebesatzes von 175 Prozent verweisen darauf, dass die neue Grundsteuer eigentlich "aufkommensneutral" sein soll: Die Kommunen sollen sich nach dem Willen der hohen Politik nicht mehr Geld als bisher von den Eigentümerinnen und Eigentümern von Häusern, Wohnungen und Grundstücken holen, sondern die Belastungen nur neu verteilen. Doch angesichts der finanziell angespannten Situation von Knetzgau seien sie damit einverstanden, dass sich die Gemeinde einen gewissen Puffer verschafft.
Weil dies aber auf dem Rücken der Bürgerinnen und Bürger geschehe – etwa weil Vermieter die Grundsteuer komplett auf die Mieter umlegen könnten – hob Bernhard Jilke den sozialen Aspekt hervor. Sebastian Schierling (SPD), Gemeinderat und wie Jilke Betriebsratsvorsitzender in einem großen Unternehmen, machte auf die gegenwärtig schwierige und unsichere Lage vieler Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aufmerksam.
Offenbar schon im Vorfeld hatten sich die Gemeinderatsfraktionen auf diese Kompromisslösung zwischen der geforderten Aufkommensneutralität und dem Wunsch der Gemeinde nach Mehreinnahmen geeinigt. Bürgermeister Stefan Paulus kündigte nach der Abstimmung an, seine Knetzgauerinnen und Knetzgauer im November in einer Art Bürgerversammlung ausführlich über die finanzielle Lage der Gemeinde zu informieren.