
Freitagvormittag, 11.33 Uhr. Der Himmel über Haßfurt ist wolkenverhangen. Auf dem Floriansplatz in der Innenstadt, wo zu dieser Zeit eigentlich Blechkarossen parken, haben sich rund 40 Menschen versammelt. Sie lauschen der Rede einer Frau, die von einem Podium aus lautstark Begriffe wie "Klimaschutz", "Solidarität" und "Gerechtigkeit" in die Menge wirft. Die davon spricht, dass sich der Freistaat in den kommenden Jahren "ein weiteres Herumsödern und -aiwangern nicht mehr leisten" könne. Die Menge applaudiert. Katharina Schulze, Spitzenkandidatin der Grünen in Bayern und Oppositionsführerin im Landtag, ist zu Besuch in der Kreisstadt.
"Das ist doch alter Schnee", sagt ein Mann Mitte 70. Er steht rauchend am Rande der Versammlung. Zufällig sei er hier gelandet, sein Auto habe er gegenüber parken müssen. Nun befinde er sich auf dem Weg zum Arzt. Katharina Schulze kenne er aus dem Fernsehen. Vieles, was sie so erzähle, sage ihm gar nicht zu, "weil es zu extrem ist". Manches finde er trotzdem gut. Früher sei er in der CSU gewesen, als aktives Mitglied. Doch die Sache mit der Maut sei "eine Sauerei" gewesen.
Stärkendes Frühstück vor der Wahlkampfrede
Im Wahlkampf geht es bisweilen nicht immer so differenziert zu. Das erzählt Schulze eine Stunde vor ihrem Auftritt in Haßfurt. Sie sitzt an einem runden Tisch im Büro der Kreis-Grünen, nur wenige Meter entfernt vom Floriansplatz. Vor ihr: Kaffee, Brötchen, Käse. Stärkung nach einer langen Anreise mit dem Zug, von München über Nürnberg und Bamberg bis Haßfurt. Mitunter würde in Querdenkergruppen oder im Netz gegen ihre Veranstaltungen mobilisiert, sagt Schulze. "Das sind oft Leute, die leider gar kein Interesse haben an einer Diskussion." In Haßfurt bleibt an diesem Tag alles ruhig.

"Ich stelle schon eine zunehmende Verrohung des politischen Diskurses fest", fährt Schulze fort. Vor allem sie als Frau sei Ziel schlimmster Beleidigungen und Bedrohungen. Ein Umstand, von dem auch Politikerinnen aus anderen Parteien immer wieder berichten, wie etwa Dorothee Bär, CSU. Doch inzwischen, so Schulze, treffe es nicht mehr nur jene, die im Rampenlicht stehen. Auch Ehrenamtliche im Lokalen – ob in Vereinen oder in der Kommunalpolitik – sähen sich verstärkt dem Hass und der Hetze im Netz ausgesetzt.
Gewaltaufrufe gegen Grüne im Haßbergkreis
Nicht im Internet, sondern in der realen Welt wurden zuletzt auch die Grünen im Landkreis Haßberge Ziel solcher Attacken. Bislang unbekannte Personen hatten dort im April mehrere Banner mit der Parole "Hängt die Grünen" beschmiert. Der Staatsschutz nahm Ermittlungen auf. "Das war schon beängstigend", gesteht Lara Appel aus Obertheres, Listenkandidatin ihrer Partei für den Bayerischen Landtag. "Da habe ich kurz geschluckt."
Die 24-Jährige sitzt ebenfalls am Frühstückstisch im Haßfurter Grünen-Büro, wo Unbekannte im Frühjahr zudem das Türschloss mit Sekundenkleber präpariert und dadurch unbenutzbar gemacht hatten. Im Internet, erzählt Appel, sei sie aufgrund ihrer Bisexualität ebenso Ziel von persönlichen Attacken und Beleidigungen.

"Wir müssen dem einen Riegel vorschieben, weil wir sonst die Menschen verlieren, die es braucht in einer Demokratie – dafür wollen wir beispielsweise eine virtuelle Polizeiwache einrichten, dass dagegen schneller vorgegangen werden kann", sagt Schulze.
Holz als Energieträger wichtig in der Region
Zuletzt hatte die Debatte um das sogenannte Gebäudeenergiegesetz einen noch größeren Keil zwischen die politischen Lager im Land getrieben. Sogar die bayerischen Grünen hatten von Wirtschaftsminister Habeck Nachbesserungen gefordert, zugunsten von Holzheizungen wie Pellets im waldreichen Freistaat. Mit Erfolg. "Es ist gut, dass das Gesetz noch vor der Sommerpause kommt, die Handwerker, Bürgerinnen und Bürger haben dann Planungssicherheit", sagt Schulze. "Das löst auch ein paar Ängste, die zuvor unnötigerweise geschürt wurden."
Mindestens genauso erleichtert sein, dass das für sie leidvolle Thema den Wahlkampf nicht länger lähmt, dürften aber die bayerischen Grünen selbst. Das gilt besonders für die Kandidatinnen und Kandidaten aus den Stimmkreisen, wo die Forstwirtschaft eine große Rolle spielt, wie etwa im Steigerwald. Roland Baumann, der Direktkandidat seiner Partei, kommt aus Oberaurach. Am Rande des Besuchs aus München spricht er davon, dass "Holz als Energieträger in der Region eine wichtige Rolle" spiele, man dieses Thema "differenziert betrachten" müsse. "Gewachsene Strukturen der Holzverwertung dürfen nicht kaltgestellt werden", sagt Baumann. Eine flächendeckende Lösung des Energieproblems sieht er darin aber nicht.
Doppelbewirtschaftung gegen Flächenfraß
Einen großen Anteil dürfte hier künftig der durch die Sonne gewonnene Strom beitragen. Inzwischen landen auch im Haßbergkreis immer mehr Bauanträge für PV-Parks auf den Tagesordnungen der Gemeinderatssitzungen. Unternehmen wie die Fränkischen Rohrwerke in Königsberg oder ESN in Hofheim setzen ebenso verstärkt auf Freiflächenphotovoltaik. Landwirte sehen das teils kritisch, sie beklagen einen zunehmenden Flächenverbrauch.
Katharina Schulze nimmt einen kräftigen Schluck aus ihrer Tasse: "Um die vielen Herausforderungen zu lösen, Ernährungssicherheit zu gewährleisten, aber auch günstigen und sauberen Strom zu produzieren, dürfen wir das nicht immer gegeneinander ausspielen", fordert sie. Stattdessen müsse man schauen, wo "ein Miteinander" möglich sei. Etwa mittels Doppelbewirtschaftung durch Agri-Solar. Im Landkreis Haßberge gibt es bereits Bestrebungen, mit einem Pilotprojekt die Machbarkeit einer solchen Nutzung aufzuzeigen.
Andere Bedingungen wie in den Großstädten
Zurück auf den Haßfurter Floriansplatz. Dort hat Katharina Schulze ihre Rede inzwischen beendet. Zuvor hatte sie noch einmal kräftig gegen Hubert Aiwanger und dessen Aussage bei einer Protestveranstaltung in Erding ausgeteilt, wonach die Menschen sich die "Demokratie zurückholen" müssten: "Es ist absolut legitim, in einen harten Wettstreit der Ideen zu gehen", rief Schulze lautstark in die kleine Menge, und kämpfte dabei auch gegen den Lärm des Verkehrs in der Haßfurter Innenstadt an. "Es kommt darauf an, wie man es macht: Schüttet man Öl ins Feuer oder – noch schlimmer – sägt man an der Demokratie". Das jedenfalls wirft die Oppositionsführerin dem stellvertretenden Ministerpräsidenten vor.

Mit ihrem Auftritt sorgt Schulze an diesem Tag für einen Parteieintritt. Das vermeldet der Kreisverband der Grünen im Anschluss an die Veranstaltung erfreut. "Besuche wie diese sind für uns sehr wichtig", betont Roland Baumann. "Wir haben hier auf dem Land natürlich andere Ausgangsbedingungen wie die Grünenverbände in den Großstädten."
In den urbanen Zentren des Landes fährt die Partei regelmäßig die besten Wahlergebnisse ein. Für Schulze geht es nach dem Vormittagstermin in Haßfurt dann auch schon bald weiter. Auf ihrer kleinen Tour durch Unterfranken folgen an diesem Tag noch Auftritte in Bad Kissingen und abends Aschaffenburg. Dort dann zur besten Sendezeit.
Weiter viel Energie und Erfolg liebe Frau Schulze - unsere Kinder und alle Menschen die über den Tellerrand schauen werden es ihnen danken!
Dieser Satz ist so unglaublich daneben!
Ja logisch: die Spezialität Deutschlands besteht ja darin, die Welt in Chaos zu stürzen.
Das immerhin haben wir ja bereits mehrmals unter Beweis gestellt. Und bei den Umfragewerten für irgendwelche Alternativen sind wir gerade wieder auf dem dementsprechenden Kurs!
Sie wird in Bayern nie etwas zu sagen haben und das ist gut so!
Ich fürchte, ihr gehts wie einst dem Junghans beim FC Bayern: Aus dem wurde ein Althans und an Sepp Maier kam er immer noch nicht vorbei.....
Das kann stimmen, denn die Abwärts für Deutschland kann, ähnlich wie ihr ideeller Vorläufer Massenaufmärsche organisieren.
Bei Höcke hat es allerdings in Würzburg vor kurzem nicht ganz so geklappt.