Tag für Tag für Tag rollt eine Blechlawine durch die Haßfurter Innenstadt. Besonders betroffen ist der einspurige Teil der Hauptstraße. Er dient als wichtiges Bindeglied zwischen dem Süden und dem Osten der Stadt. Entsprechend hoch ist die Verkehrsbelastung: Laut einer Zählung aus dem Jahr 2020 nutzen täglich bis zu 7500 Fahrzeuge dieses Nadelöhr. Im Schnitt passiert damit alle zwölf Sekunden ein Auto das historische Obere Tor.
Geht es nach Michael Schulz, dem Beauftragten der Stadt Haßfurt für die Belange von Menschen mit Behinderung, ist damit schon bald Schluss. Der 78-Jährige forderte in der jüngsten Sitzung des Seniorenbeirats die Einführung einer autofreien Zone: beschränkt auf den Bereich zwischen Kunsthaus und Oberem Tor, begrenzt auf den Zeitraum von Ostern bis Oktober. "Es braucht einen Ort der Begegnung, an dem die Menschen keine Angst haben müssen, überfahren zu werden", belebt Schulz die bereits seit Jahren bestehende Debatte wieder – und fügt an: "Je schneller, desto besser." Wie aber stehen die Parteien im Stadtrat zur autofreien Zone in der Hauptstraße? Diese Redaktion hat bei den Vorsitzenden der vier größten Fraktionen und dem Bürgermeister nachgefragt.
1. Felix Zösch (Grüne): Entscheidung immer wieder verschleppt
"Wir gehen bei diesem Vorschlag voll mit", sagt Felix Zösch, Fraktionsvorsitzender der Grünen im Haßfurter Stadtrat. Seine Partei habe vor einigen Jahren bereits einen Antrag eingereicht, der sich mit diesem Thema befasse und eine autofreie Hauptstraße fordere. Bislang, so Zösch, sei hier aber nichts passiert. Eine Entscheidung ist nicht gefallen. Vielmehr sei diese vonseiten des Bürgermeisters und seiner Verwaltung "immer wieder verschleppt" worden, vor allem mit Verweis auf das integrierte Stadtentwicklungskonzept ISEK, das derzeit erstellt werde. Darin soll es auch um die künftige Verkehrsführung in der Kreisstadt gehen.
Nun eine Art zeitlich befristeten Testballon zu starten, ist in den Augen des Grünen-Stadtrats der richtige Schritt, auch um die Hauptstraße wieder mit mehr Leben zu füllen, mit Fußgängerinnen und Radfahrern, mit Kundschaft für Geschäfte und Restaurants. Derzeit sei die viel befahrene Verkehrsader mit Autos zugeparkt und vollgestopft, darunter leide die Attraktivität der Innenstadt. "Es gibt meiner Meinung nach außerhalb der Hauptstraße genügend Parkmöglichkeiten", sagt Zösch. "Und die Wege in Haßfurt sind kurz."
2. Michael Spies (WG): Umsetzung nicht übers Knie brechen
Auch Michael Spies, Fraktionsvorsitzender der Wählergemeinschaft (WG), sieht in einer autofreien Zone vom Kunsthaus bis zum Oberen Tor vor allem eine Chance: "Ich denke, das könnte eine Idee für die Belebung der Innenstadt sein", sagt er und drückt zugleich auf die Bremse: "Das ist eine Frage, für die es ein ganzheitliches Konzept braucht." Spies verweist auf das ISEK. Eine Umsetzung könne man nicht über das Knie brechen, sagt er. "Die Straße ist schnell gesperrt, aber was dann?"
Der Stadtrat der Wählergemeinschaft nennt Schwierigkeiten bei der alternativen Streckenführung, etwa durch die Ringstraße. "Dort gibt es nicht nur eine Scheune, die im Weg steht, sondern auch Anwohner, die nicht wollen, dass der Durchgangsverkehr bei ihnen vorbeirollt." Und auch mit dem Einzelhandel müsse man reden. "Ich weiß, dass es Händler gibt, die Abstand halten von dieser Idee", erklärt Spies. "Wir wollen die Innenstadt nicht mehr schädigen." Statt eines "Schnellschusses" brauche es nun einen "breiten Dialog".
3. Manfred Stühler (SPD): Genügend Parkplätze vorhanden
"Grundsätzlich befürworte ich die Forderung des Seniorenbeirats", sagt Manfred Stühler, Fraktionsvorsitzender der SPD im Haßfurter Stadtrat. "Die Frage ist nur: Wo soll der Verkehr dann künftig fließen? Da sehe ich aktuell noch das Haupthindernis." Das Ringen um die Ringstraße sieht er als zentrales Problem. Parkplätze hingegen, die gebe es in unmittelbarer Nähe zur Hauptstraße in ausreichender Zahl.
In seinen Augen sollte die Debatte über das Thema im zuständigen Gremium wieder an Fahrt aufnehmen. "Es sollte wieder auf die Tagesordnung des Stadtrates gesetzt werden", sagt Manfred Stühler. Das sei die Aufgabe des Bürgermeisters, der in dieser Sache bislang "nicht zu Potte kommt", wie es der Sozialdemokrat formuliert. Ob die gesamte SPD-Fraktion der Forderung nach einer autofreien Hauptstraße zustimmen würde, weiß Stühler noch nicht: "Darüber müssen wir erst sprechen."
4. Volker Ortloff (CSU): Verkehrsberuhigte Zone statt autofreie Straße
Volker Ortloff kann sich eine Veränderung bei der Verkehrsführung in Haßfurt ebenfalls vorstellen. Der schnelle Schritt hin zu einer autofreien Hauptstraße sei in seinen Augen aber "zu groß", sagt der CSU-Fraktionsvorsitzende. Stattdessen setze er auf eine verkehrsberuhigte Zone. "In absehbarer Zeit werden wir hier die Priorisierung des Autos reduzieren und den Fußgängern und Fahrradfahrern Vorrang geben müssen", so Ortloff. Wegfallende Parkplätze würden der Gastronomie die Möglichkeit geben, sich auszubreiten.
Im Falle einer zeitlich befristeten Umsetzung befürchtet Ortloff auch mögliche Probleme: So müsse der organisatorische und bürokratische Aufwand durch die nötigen Änderungen bei der Beschilderung und der Straßenführung bereits vorab sorgfältig abgeschätzt werden. Der CSU-Politiker bevorzugt deshalb eine dauerhafte Lösung, die die Innenstadt nicht nur in den schönen Monaten des Jahres aufwertet. Den Weg dorthin sieht Ortloff jedoch als einen langfristigen Prozess, in dem viel Überzeugungsarbeit nötig sei: "Das ist eine Sache, die macht man nicht einfach mal innerhalb eines Jahres."
5. Günther Werner, Bürgermeister (WG): ISEK ist Grundvoraussetzung
Geht es nach dem Haßfurter Bürgermeister Günther Werner, so gibt es Argumente für und gegen die autofreie Hauptstraße. Einer schnellen Verwirklichung der Forderungen aus dem Seniorenrat erteilt das Stadtoberhaupt allerdings eine Absage, und zwar mit Verweis auf das ISEK.
Dessen Ausarbeitung sei Grundvoraussetzung für einen derartigen Eingriff in die Verkehrsführung. "Vor der Verabschiedung des Stadtentwicklungskonzepts wird es keine Umsetzung geben", sagt Werner im Gespräch mit dieser Redaktion. Und auch mit Konzept scheint die Einführung einer autofreien Zone nicht gewiss: "Ich will dem nicht vorgreifen", bleibt Werner vage. Wie es mit dem Thema weitergehen wird, ist also offen.