
Das Pflegeheim in Schloss Gleusdorf ist Geschichte: Der Träger ist zahlungsunfähig, die Betriebserlaubnis erloschen. Zwei Jahrzehnte beherbergte der einstige Adelssitz in Untermerzbach im Landkreis Haßberge pflegebedürftige Menschen. Zuletzt war vom früheren Glanz nicht mehr viel übrig: Skandale um mögliche Missstände in der Pflegeeinrichtung hatten deutschlandweit immer wieder für Schlagzeilen gesorgt.
Peter Friedrich leitet seit 2018 die "Fachstelle für Pflege und Behinderte, Qualitätsmanagement und Aufsicht" (FQA) im Landratsamt Haßberge. Der 38-Jährige erlebte, wie die frühere Geschäftsführerin, gegen die auch die Staatsanwaltschaft ermittelt hatte, ging - und im August 2021 an die Spitze des Hauses zurückkehrte. Die Folge: ein Großteil des Personals erschien nicht mehr zur Arbeit, eine Unterversorgung der 42 Bewohnerinnen und Bewohner drohte.
Friedrich entschied sich für eine "Ersatzvornahme", ein Zwangsmittel zur Vollstreckung behördlicher Anordnung. Er veranlasste einen Aufnahmestopp und die Verlegung aller Bewohnerinnen und Bewohner in andere Pflegeeinrichtung in der Region. Seither steht das Schloss leer. Die ehemalige Geschäftsführerin ließ bislang alle Anfragen dieser Redaktion unbeantwortet. Der Leiter der Heimaufsicht dagegen spricht nun darüber, ob der Fall Gleusdorf hätte verhindert werden können und welche Folgen das Ende der Einrichtung hat.
Peter Friedrich: Ich sehe das ganz wertfrei. Für uns ist der Fall Gleusdorf erst einmal abgeschlossen, weil es keine stationäre Einrichtung mehr ist. Bis zum Auszug des letzten Bewohners und der letzten Bewohnerin im Zuge der Geschäftsaufgabe haben wir die Einrichtung begleitet. Das ist nun vorbei.
Friedrich: Ob der Träger noch über finanzielle Mittel verfügt, entzieht sich unserer Kenntnis. Das ist zunächst auch Sache des Insolvenzverwalters. Die offenen Forderungen des Landratsamtes beziehen sich einmal auf die Bescheidkosten für verschiedene Anordnungen: den Aufnahmestopp, die Fristen, um Personal zu gewinnen. Und dann gibt es noch den Kostenbescheid für die Ersatzvornahme. Das sind die tatsächlich angefallenen Kosten, die uns in Rechnung gestellt wurden vom BRK Haßberge, das uns bei der Notbetreuung und Verlegung im August 2021 unterstützt hat. Insgesamt sind aktuell noch Forderungen in Höhe von 14.158,29 Euro nicht beglichen und an den Insolvenzverwalter gemeldet.

Friedrich: Richtig. Eine so große Ersatzvornahme wie im August gab es meines Wissens nach in Bayern noch nicht, besonders nicht bei einem zum Großteil beschützend untergebrachten Bewohnerklientel. Es gibt Fälle in anderen Landkreisen, in denen Personal von ambulanten oder stationären Diensten ausgeliehen wurde, bis der betroffene Träger wieder auf die Beine kam. Selbst diese Ersatzvornahmen waren meines Wissens nach teurer als das, was das BRK uns in Rechnung gestellt hat. Das lag wohl auch daran, dass es sich um ehrenamtliche Einsatzkräfte des BRK's gehandelt hat.
Friedrich: Die Heimaufsicht heißt heute zurecht "Fachstelle für Pflege und Behinderte, Qualitätsmanagement und Aufsicht". Letztlich sind wir eine Art steuerfinanzierte Unternehmensberatung und Aufsicht in einem. Wir geben Rückmeldung: Ist das, was sich die Einrichtungen an Regeln und Abläufen vorgeben, sinnvoll? Und kommen diese auch bei den Bewohnerinnen und Bewohnern an? Wir prüfen und spiegeln. Es ist eine Art Selbstreflektion für die Pflegeeinrichtungen.
Friedrich: Dass eine ganze Einrichtung derartig in Schieflage gerät wie jene in Gleusdorf, ist nicht die Regel. Aber: Wenn es niemanden gibt, der hinschaut, würde vielleicht viel mehr in Schieflage geraten. Aus meiner Sicht ist die Arbeit der Aufsichtsbehörden deshalb unendlich wichtig, um eine gute Pflege zu gewährleisten.
Friedrich: Der gesamte Fall – auch vor der versuchten Betriebsuntersagung Ende 2018 – ist aus meiner Sicht auf ein massives strukturelles Versagen des Trägers zurückzuführen.
Friedrich: Viele Dinge, die sich vor dem Trägerwechsel 2019 ereignet hatten und die wir aufgedeckt haben, sind an die Staatsanwaltschaft gegangen. Mit bekanntem Ausgang. Durch die von uns angestrebte Betriebsuntersagung sind weitere Sachen ans Licht gekommen, die wir dann zur Anzeige gebracht haben. Aber: Unsere Aufgabe ist es, die vorhandene Qualität zu analysieren und weiterzuentwickeln. Wir sind keine Strafverfolgungsbehörde.
Friedrich: Der Versuch, die Qualität der Pflege in der Einrichtung mit allen möglichen Maßnahmen zu verbessern, war da. Ich spreche noch immer über den Zeitraum vor 2019. Normalerweise begehen wir Pflegeeinrichtungen einmal im Jahr unangekündigt, in Gleusdorf haben wir das wöchentlich gemacht – über Jahre. Immer wieder wurden neue Mängel aufgedeckt.
Wir haben eine kommissarische Einrichtungsleitung eingesetzt und ein externes Qualitätsmanagement angeordnet. Es gab ein Bildungsinstitut, dass die Einrichtung begleitet hat. All das hat aufgrund der Struktur, die hinter der Einrichtung stand, nicht zum gewünschten Erfolg geführt. Es reicht nicht, wenn die Bewohner nur "satt und sauber" sind. Diese Devise herrschte damals aber offenbar. Die Menschen verbringen in einer solchen Einrichtung ihren letzten Lebensabschnitt, und der sollte auch von pflegerischer Qualität geprägt sein. Durch den Trägerwechsel mit einem neuen Geschäftsführer haben wir direkt gemerkt, dass strukturelle Veränderungen vorangebracht werden. Vorher mussten wir anordnen, dass für jeden Bewohner ein Rasierer und genügend Inkontinenzmaterial vorhanden ist. Das war danach nicht mehr der Fall. Im August 2021 kam es dann zur kompletten Rolle rückwärts.
Friedrich: Völlig! Ich war zu diesem Zeitpunkt im Urlaub. Am Montagmorgen bekam meine Behörde die Meldung, Montagmittag bin ich angerufen worden, dann sind wir unverzüglich nach Gleusdorf gefahren. Niemand von uns hatte damit gerechnet.
Friedrich: Nein! Als es 2018 um die Betriebsuntersagung ging, wussten wir nicht, ob der Träger das Verfahren durchhält – oder womöglich schon vorher insolvent geht. Damals haben wir einen Notfallplan erstellt, damit wir sofort handeln können, sofern die Pflege nicht aufrechterhalten werden kann. Dieser Plan lag in meiner Schublade und war abgesprochen mit allen Akteuren im Landkreis: Polizei, Gericht, BRK. Wir sind in der Pflege die letzte Instanz. Als solche sollte man für alle Eventualitäten vorbereitet sein – und das waren wir.

Friedrich: In meinen Augen ist die Ersatzvornahme vorbildlich gelaufen. Wir sind nicht verantwortlich dafür, was die Geschäftsführung oder die Eigentümer privatwirtschaftlich umsetzen. Wenn der Träger entscheidet, dass er die Geschäftsführung wechselt, dann ist das seine Sache. Uns hier eine Verantwortung zuzuschreiben, kann ich nicht teilen. Wir sind eingesprungen, um das Wohl der Bewohner sicherzustellen und zu schützen. Das haben wir erreicht. In den Jahren zuvor haben wir den Träger engmaschig begleitet und Mängel in der Einrichtung aufgezeigt. Außerdem haben wir ein Betriebsuntersagungsverfahren angestrengt.
Friedrich: Ich bin mir sicher: Wäre die Betriebsuntersagung erfolgreich gewesen, hätten wir trotzdem das gleiche Szenario erlebt - nur früher.
Friedrich: Trotz der unzähligen Mängelberichte, der immensen Zwangsgelder, der offenkundigen Fehler der Geschäftsführung und der fehlenden Aussicht auf Besserung war die Betriebsuntersagung zum Schutz der Bewohner nicht erfolgreich. Aus meiner persönlichen Sicht wäre eine Novellierung der Gesetzeslage wünschenswert.
Friedrich: Im Landkreis Coburg gibt es eine solche gerontopsychiatrische Einrichtung. Der Bedarf für dafür steigt allerdings deutschlandweit. Und: Es ist aktuell nicht leicht, mit einer neuen Einrichtung bei null zu starten, da aufgrund des Fachkräftemangels das entsprechende Stammpersonal fehlt. Jeder stationäre Pflegeplatz, der verloren geht, reißt eine Lücke, die aktuell nicht gefüllt werden kann. Wie die Immobilie zukünftig genutzt wird, ist uns nicht bekannt. Eine Betriebsaufnahme als Pflegeeinrichtung jedenfalls ist auch auf Grund der baulichen Gegebenheiten aktuell nicht möglich.
Dass die Behörde am Ende endlich effektiv gehandelt hat, ist vor allen Dingen dem öffentlichen Druck und der hervorragenden Arbeit des Fränkischen Tags zu verdanken!
Außerdem gibt es auch noch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen mit der damaligen Leiterin Randzio. Das Haus Gleusdorf wurde damals mit der Note 1,7 bewertet! Eine irreführende Bewertung, die Randzio später als schlechte Bewertung verstanden wissen wollte. Da lag und liegt noch viel mehr im Argen!
https://www.bild.de/regional/muenchen/altenheim/vernachlaessigte-patienten-systematisch-49249964.bild.html