
Die in die Schlagzeilen geratene Pflegeeinrichtung in Gleusdorf im Landkreis Haßberge steht wohl endgültig vor dem Aus. Das geht aus der Verhandlung hervor, die an diesem Mittwoch vor der Schweinfurter Kammer des Arbeitsgerichts Würzburg stattfand. Dort hatten sieben ehemalige Beschäftigte der Pflegeeinrichtung gegen ihre fristlose Kündigung von August 2021 und für entsprechende Lohnfortzahlung geklagt. Und sie erhielten jetzt Recht. Der beklagte Heimbetreiber- die MCC Seniorenresidenz Duisburg - war zur Verhandlung nicht erschienen.
Der Zivilprozess förderte zudem Hintergründe über die Umstände des plötzlichen Personalmangels in der Pflegeeinrichtung zutage. 13 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hatten sich im vergangenen August innerhalb weniger Tage krank gemeldet. In der Folge konnten die 42 Bewohnerinnen und Bewohner nicht mehr versorgt werden. Das Landratsamt Haßberge ordnete ihre Verlegung in andere Einrichtungen an und verhängte einen Aufnahmestopp.
Laut dem Vorsitzenden Richter hat der Träger an diesem Dienstag nun Antrag auf Insolvenz gestellt. Dies habe der Anwalt des Unternehmens mitgeteilt. Das zuständige Amtsgericht in Bamberg bestätigte den Insolvenzantrag am Mittwoch auf Nachfrage noch nicht.
Um welche Vorwürfe es ging
Die sieben ehemaligen Beschäftigten wehrten sich vor dem Arbeitsgericht nicht nur gegen die fristlosen Kündigungen, die der Träger von Schloss Gleusdorf zum 21. August 2021 ausgesprochen hatte. Sie kämpften auch gegen die Anschuldigung ihres ehemaligen Arbeitgebers, wonach es ein abgesprochenes gemeinschaftliches "Krankfeiern" gegeben habe.
Die Belegschaft hatte dem Vorsitzenden Richter zufolge am 6. August 2021 vom Wechsel an der Spitze der Einrichtung erfahren. Die neue Geschäftsführerin war für sie keine Unbekannte: Sie hatte das Haus bereits von 2002 bis 2019 geleitet. In dieser Zeit hatten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Einrichtung wiederholt Meldungen über massive Missstände in der Pflege gemacht - und damit für einen Aufschrei in der Öffentlichkeit gesorgt.
Am 8. August 2021, so lautete der Vorwurf der zurückgekehrten Geschäftsführerin, gab es dann ein Treffen einiger Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in einer Pizzeria der Region. Zwei Tage darauf, am 10. August, reichten sieben Beschäftigte aus der Pflege eine Krankmeldung ein. Wenig später sollen laut Träger 13 Pflegerinnen und Pfleger krankheitsbedingt gefehlt haben.
Kündigungen des Arbeitgebers waren unberechtigt
Der Vorsitzende Richter zweifelte in der Verhandlung am Vorwurf der gemeinschaftlichen Absprache. Die sieben Klägerinnen und Kläger hätten ihre Arbeitsunfähigkeit durch Atteste belegen können: "Und die kamen von unterschiedlichen Ärzten - Allgemeinmedizinern, Chirurgen, Neurologen." Dies habe einen hohen Beweiswert. Bei einem Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Krankmeldungen hätte der Arbeitgeber außerdem ein sogenanntes Begutachtungsverfahren anstoßen können, so der Vorsitzende. Dies sei nicht geschehen. Die Kündigungen seien somit nicht rechtmäßig.
Was den Vorwurf des Mitarbeitertreffens betrifft, sei die vom Träger genannte Zeugin selbst gar nicht vor Ort gewesen, so der Vorsitzende Richter. "Zudem ist der Arbeitnehmer nicht dazu verpflichtet, positiv über seinen Arbeitgeber zu denken oder zu sprechen."
Beschäftigte sprechen von schlechter Stimmung
Am Rande der Verhandlung äußerten sich am Mittwoch ehemalige Beschäftigte über die Zustände in der Pflegeeinrichtung in Gleusdorf. So sei die Stimmung bereits vor dem Wechsel an der Spitze schlecht gewesen. Putz sei von der Decke gefallen. Beim Duschen sei teilweise nur lauwarmes oder gar kaltes Wasser vorhanden gewesen, mitunter habe es an Inkontinenzmaterial gefehlt. Die aktuelle Geschäftsführung des Trägers wie auch ihr Vorgänger haben auf die Anfrage der Redaktion zu den Vorwürfen bislang nicht reagiert.
Wie geht es nach dem Verfahren weiter?
Seit August ist die Pflegeeinrichtung an der Itz nun geschlossen. Offen bleibt mit Blick auf das wohl bevorstehende Insolvenzverfahren, ob die unrechtmäßig gekündigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter das ihnen zugesprochene Geld vom einstigen Arbeitgeber auch erhalten werden. Der Anwalt einer Klägerin sagt: "Sollte sich infolge des Insolvenzverfahrens herausstellen, dass das Vermögen nicht ausreicht, werden wir ein Insolvenzausfallgeld bei der Bundesagentur für Arbeit beantragen."
Ende Januar und im Februar stehen weitere Verhandlungen an, in denen ehemalige Beschäftigte des Pflegeheims gegen ihre Kündigung vor dem Arbeitsgericht klagen.