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Gleusdorf
Angehöriger im Fall Gleusdorf: Von den Pflegekräften "im Stich gelassen" gefühlt
Nach dem Personalnotstand hat das Landratsamt Haßberge einen Aufnahmestopp für die Pflegeeinrichtung im Schloss verhängt. Die neue Geschäftsführung hält sich weiter bedeckt.
'Die Bürokratie ist belastend', sagt Rudolf Koch aus Ebern (Lkr. Haßberge). Seine Frau war in der Pflegeeinrichtung in Schloss Gleusdorf untergebracht - und wurde nach Bad Rodach (Lkr. Coburg) verlegt.
Foto: Lukas Reinhardt | "Die Bürokratie ist belastend", sagt Rudolf Koch aus Ebern (Lkr. Haßberge). Seine Frau war in der Pflegeeinrichtung in Schloss Gleusdorf untergebracht - und wurde nach Bad Rodach (Lkr. Coburg) verlegt.
Lukas Reinhardt
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:27 Uhr

"Ende Juli war doch alles noch normal." Rudolf Koch nimmt sein Smartphone und zeigt Bilder. "Hier, die Fotos vom Sommerfest." Die Aufnahmen stammen vom 27. Juli, sagt Koch. Sie zeigen seine Frau Elke im historischen Innenhof von Schloss Gleusdorf (Lkr. Haßberge). "Zwei Musiker haben gespielt", erinnert sich der 76-Jährige aus Ebern. "Die Stimmung unter den Bewohnern war gut." Mittlerweile aber - ist von dieser Normalität nichts mehr übrig.

Seine demenzkranke Frau musste Schloss Gleusdorf verlassen

Elke Koch, vor Jahren an schwerer Demenz erkrankt und seit März 2020 in der Einrichtung in Untermerzbach, musste das Haus im Park verlassen. Wie die 41 anderen Bewohnerinnen und Bewohner auch ist die 76-Jährige am vergangenen Donnerstag in ein Pflegeheim in der Region verlegt worden. Sie kam nach Bad Rodach im Kreis Coburg, berichtet Rudolf Koch.

Das Haus im Park in Gleusdorf hatte in der vergangenen Woche wegen fehlenden Personals die Betreuung nicht mehr gewährleisten können. Das Landratsamt Haßberge als zuständige Aufsichtsbehörde schritt ein – und zog die Notbremse.

Am 12. August zog das Landratsamt Haßberge die Notbremse und ordnete die Verlegung der 42 Bewohnerinnen und Bewohner der Plegeeinrichtung in Schloss Gleusdorf an.
Foto: Lukas Reinhardt | Am 12. August zog das Landratsamt Haßberge die Notbremse und ordnete die Verlegung der 42 Bewohnerinnen und Bewohner der Plegeeinrichtung in Schloss Gleusdorf an.

"Den Anruf vom Gesundheitsamt, dass meine Frau verlegt werden soll, habe ich am Mittwochabend erhalten", sagt Koch. Ganz überraschend sei das für ihn nicht gekommen. Der 76-Jährige aus Ebern  besuchte seine demente Frau jeden Tag im rund fünf Kilometer entfernten Gleusdorf. Schon am Montag habe er gemerkt, dass etwas nicht stimme. Dass Personal fehlte. Und dann sei da plötzlich das Bayerische Rote Kreuz (BRK) gewesen. "Aber was im Hintergrund passiert ist, weiß ich nicht."

Hat die Vergangenheit das Schloss Gleusdorf eingeholt?

Im Fall Gleusdorf sind tatsächlich weiterhin zahlreiche Fragen offen. Etwa, weshalb es zum plötzlichen Notstand beim Personal kam. Klar ist, dass es am 6. August, sechs Tage vor der Anordnung des Landratsamtes zur Verlegung der Bewohner, einen Wechsel an der Spitze der Pflegeeinrichtung gegeben hat. Und klar ist inzwischen auch, dass die neue Geschäftsführerin der privaten Trägergesellschaft keine Unbekannte ist. Sie hatte das Haus bereits von 2002 bis 2019 geleitet, wie das Landratsamt auf Nachfrage bestätigt.

Schon damals war die Pflegeeinrichtung in Gleusdorf in die Schlagzeilen geraten. Die Staatsanwaltschaft hatte gegen eben jene Geschäftsführerin, einen Pflegedienstleiter und einen Arzt ermittelt, unter anderem wegen Totschlags durch Unterlassung und Misshandlung von Schutzbefohlenen. Im späteren Prozess sprach das Landgericht Bamberg im März 2020 alle drei Angeklagten von den Vorwürfen frei.

Recherchen dieser Redaktion legen nahe, dass der Ausfall des Personals mit der Rückkehr der Geschäftsführerin zusammenhängen könnte. Demnach waren von 15 Pflegekräften im Haus am Montag, drei Tage nach Bekanntgabe des Leitungswechsels, nur noch drei erschienen. Im Hintergrund ist die Rede davon, dass dieser Wechsel zu unvermittelt kam, zu überstürzt.

"Gerade in diesem Beruf kann ich nicht einfach über Nacht hinschmeißen, die Bewohner sind angewiesen auf die Pfleger."
Rudolf Koch, Angehöriger

Überstürzt, so empfand Rudolf Koch die Entscheidung des Personals, nicht mehr in Schloss Gleusdorf zu erscheinen. "Ich habe mich im Stich gelassen gefühlt", sagt Koch. "Jeder Arbeitnehmer hat das Recht zu kündigen, kein Zweifel. Aber gerade in diesem Beruf kann ich nicht einfach über Nacht hinschmeißen, die Bewohner sind angewiesen auf die Pfleger."

Vorheriger Betreiber wollte Schloss offenbar ausbauen

Der Ebener hatte fest damit gerechnet, dass seine Frau hier, im Schloss am Ufer der Itz, ihren Lebensabend verbringen würde. Noch im Herbst, sagt Koch, habe der damalige Betreiber MCC Deutschland den Angehörigen in einer Veranstaltung große Pläne für die Zukunft präsentiert. Von einer Aufwertung des in die Jahre gekommenen Anwesens sei da die Rede gewesen, von einem zusätzlichen Neubau. Die Einrichtung mit ihren bislang laut Landratsamt 54 zugelassenen Betten sollte damit wohl auch rentabler gemacht werden.

Verlegung: Das Bayerische Rote Kreuz hat am Donnerstag die Bewohnerinnen und Bewohner von Schloss Gleusdorf in Einrichtungen in den umliegenden Landkreisen gebracht. 
Foto: Lukas Reinhardt | Verlegung: Das Bayerische Rote Kreuz hat am Donnerstag die Bewohnerinnen und Bewohner von Schloss Gleusdorf in Einrichtungen in den umliegenden Landkreisen gebracht. 

Dafür wollte das Unternehmen, seit der Übernahme der Senioreneinrichtung 2019 nur Mieter der Immobilie, das Schloss nach eigenen Angaben erwerben. Doch dazu kam es am Ende nicht. Den Grund dafür nennt MCC Deutschland in der Pressemitteilung vom 6. August, in der die Abgabe der Trägergesellschaft bekannt gegeben wurde: Demnach habe "kein den wirtschaftlichen Interessen beider Parteien entsprechender Kaufvertrag geschlossen werden" können. Die zweite Partei, also die Eigentümerin des Schlosses, ist nach Recherchen dieser Redaktion eine Immobilien-GmbH mit dem Namen der neuen und zugleich alten Geschäftsführerin.

Geschäftsführung der Pflegeeinrichtung gibt keine Antworten

Alle schriftlichen und telefonischen Anfragen der Redaktion ließ die aktuelle Geschäftsführung bislang unbeantwortet. "Wir dürfen hierzu nichts sagen. Und uns wurde es verboten, Kontaktdaten weiterzugeben", lautete die Auskunft am Telefon.

Wie geht es weiter mit der Einrichtung im Schloss Gleusdorf? Das Landratsamt Haßberge als zuständige Aufsichtsbehörde hält sich mit konkreten Informationen bedeckt und teilt nur mit: "Es wurde ein vorübergehender Aufnahmestopp verhängt. Sollten die Qualitätsanforderungen wieder erfüllt sein, dann könnte der Aufnahmestopp aufgehoben werden." Zur weiteren Zukunft könne nach aktuellem Stand keine Aussage getroffen werden.

"Ich merke, dass sich meine Frau in der neuen Einrichtung sehr wohl fühlt."
Rudolf Koch, Angehöriger

Für Elke Koch aber muss es weiter gehen. Wenn nicht in Gleusdorf, dann in der neuen Pflegeeinrichtung in Bad Rodach. "Ich merke, dass meine Frau sich dort sehr wohl fühlt", sagt Rudolf Koch. "Sie ist offener, spricht mehr mit den anderen Bewohnern, von denen sie einige aus Gleusdorf kennt."

Er spiele schon jetzt mit dem Gedanken, die Pflegeeinrichtung für seine Frau dauerhaft zu wechseln. Auch wenn er in Gleusdorf bis zur vergangenen Woche keine schlechten Erfahrungen gemacht habe. Und auch wenn es dann über 40 statt fünf Kilometer sein würden, die er täglich fahren müsste - einfach. "Das belastet mich nicht", sagt der 76-Jährige. "Die ganze Bürokratie, die damit einhergeht, schon."

 
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Kommentare
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  • hans-martin.hoffmann@t-online.de
    Irgendwo hat Herr Koch sicher Recht

    aber je nachdem was da vorher vorgefallen war, könnte ich es auch verstehen, wenn irgendjemand sagt "nicht eine Sekunde mehr unter diesem Management"... und dass es nicht nur eine Person war sondern der weitaus überwiegende Teil, spricht schon sehr dafür, dass es da wirklich schlimm zugegangen sein muss. Auch Arbeitnehmer dürfen unter bestimmten Voraussetzungen fristlos kündigen!
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  • MelanieS
    Die Pflegekräfte hatten bestimmt einen Grund den letzt möglichen Rettungsanker zu ziehen !!Das ist denen bestimmt nicht leicht gefallen.Ich denke die können und wollen vielleicht die alten Seilschaften nicht mehr ertragen?! Lieber ein Ende mit Schrecken,als ein Schrecken ohne Ende.
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