Ob männlich, weiblich, divers: Idealerweise wird es ein Elektroingenieur oder ein Wirtschaftsingenieur. Und sollte die Wahl doch auf einen Betriebswirt fallen, so müsste er fundierte technische Kenntnisse vorweisen können, heißt es in der Stellenanzeige. Die "Gesellschaft zur Umsetzung erneuerbarer Technologieprojekte im Landkreis Haßberge mbH", die GUT, sucht zum nächstmöglichen Zeitpunkt einen neuen Geschäftsführer.
2017 musste der Ingenieur gehen
Wer sich für die GUT und die Energiewende im Landkreis Haßberge interessiert, horcht ob dieser Stellenausschreibung in doppelter Hinsicht auf: Erstens: Im Sommer 2017 hatte sich die Gesellschaft mit Gunter Häckner ausgerechnet vom einzigen Ingenieur in der Geschäftsführung getrennt, zwei Jahre früher als vorgesehen. Die Begründung lautete damals, dass sich das Unternehmen nach dem Scheitern verschiedener Windkraftprojekte verschlanken müsse.
Zweitens sind ja noch zwei Herren in der Geschäftsführung - Wilfried Neubauer und Günter Mendel. Beide bekleiden ihre Posten, anders als dies bei Häckner der Fall war, als Nebentätigkeit. Was also ist los bei der GUT, wollte die Redaktion von den Beteiligten wissen. Und bekam Auskunft vor allem von Landrat Wilhelm Schneider, dem Aufsichtsratsvorsitzenden des Unternehmens, das sich als Ideenschmiede für den Umstieg auf regenerative Energien definiert. Erklärtes Ziel der GUT ist die Entwicklung von Projekten, die sie dann an Betreiber verkauft. Bislang ist der Gesellschaft ein großer Wurf gelungen, das 45-Millionen-Euro-Projekt "Windpark im Sailershäuser Wald", den die Bürgerwindpark Sailershäuser Wald GmbH & Co.KG als Betreiber übernommen hat. Die GUT gehört jeweils knapp zur Hälfte dem Landkreis und den Kommunen im Haßbergkreis, kleine Anteile halten die Städtischen Betriebe Haßfurt und die bbv-Landsiedlung.
Einst gab es 15 potenzielle Windkraftgebiete
"Wir machen mit der GUT schon einen Neuanfang", erklärte nun Landrat Schneider gegenüber dieser Redaktion. Das bedeutet in erster Linie den Abschied von der ursprünglichen Vorstellung, die Ideenschmiede könne ihren Schwerpunkt auf Windkraft setzen. 15 Standorte im Kreisgebiet hatte die GUT grundsätzlich als tauglich für Windräder oder Windparks erkannt. Doch der rechtliche und politische Rahmen lässt derzeit nicht erwarten, dass auch nur ein einziges weiteres Projekt Realität wird. Damit begründete der Aufsichtsratsvorsitzende Schneider auch die Personalentscheidung von 2017. Gunter Häckner sei auf Windkraft spezialisiert gewesen, für die es aber bei der GUT kaum Zukunft gegeben habe.
"Wir suchen einen technischen Allrounder, einen Generalisten mit viel Herzblut für die erneuerbaren Energien", brachte Schneider das Anforderungsprofil auf Kurzform. Von der oder dem Neuen erwartet der Landrat, dass sie oder er ganz neue Wege beschreitet - wozu etwa die Umsetzung derjenigen Kernpunkte gehören, die sich aus dem digitalen Energienutzungskonzept ergeben, welches der Umwelt- und Werkausschuss des Kreistag in Kürze in Auftrag geben soll. Die Konzepte zeigen auf, wie sich regenerative und dezentrale Erzeugungsanlagen im Sinne der Ressourcen-Schonung und Energieeffizienz intelligent steuern und verknüpfen lassen; und wo Verbesserungsbedarf - ergo Handlungsbedarf - besteht. Die Stadt Haßfurt hat sich als eine der ersten Kommunen in Bayern bereits auf den Weg gemacht, ein digitales Energienutzungskonzept zu erstellen.
Was ist mit der Geothermie?
Wilhelm Schneider, aber auch Wilfried Neubauer und Günter Mendel können sich viele Bereiche vorstellen, in denen der künftige Geschäftsführer tätig wird. Zum Beispiel in der Geothermie. Immerhin haben Geologen der Universität Erlangen per seismischer Erkundung im südöstlichen Haßbergkreis einen großen Granitkörper im Zentrum einer Wärmeanomalie zwischen Bamberg und Coburg entdeckt. Bohrungen und weitere Untersuchungen müssen erst noch zeigen, inwieweit sich das geothermische Potenzial nutzen lässt. Noch ist das Zukunftsmusik, aber in jedem Fall "wäre das ein ganz großes Projekt", heißt es seitens der GUT. Ein Vorhaben, das vermutlich nur zusammen mit dem Bezirk oder dem Freistaat gestemmt werden könnte. "Aber grundsätzlich trauen wir uns an alles ran", verkündete Landrat Schneider. Aber es wird eben Aufgabe der neuen Spitzenkraft sein, zu eruieren, was tatsächlich möglich ist und was nicht. Weil der neue Geschäftsführer Einzelkämpfer sein wird, braucht er neben den technischen Kompetenzen auch betriebswirtschaftliches Verständnis. "Was die GUT bewegen kann, hängt ganz entscheidend vom Engagement dieser einzelnen Person ab", erklärt Schneider. Denn Günter Mendel geht in den Ruhestand und auch Wilfried Neubauer steigt aus der Geschäftsführung aus, Stichtag für beide ist der 30. April. Der neue Geschäftsführer soll sein Hauptamt am 1. Mai antreten, ein Stellvertreter im Nebenamt ist vorgesehen.
Seine Aufgabe sei es ja ursprünglich gewesen, den rechtlichen und betriebswirtschaftlichen Rahmen für die Existenz der GUT zu schaffen, nachdem der damalige Landrat Rudolf Handwerker 2011 die Gründung der Gesellschaft initiiert habe, blickte Neubauer jetzt zurück. Heute habe man eine feste Plattform, auf der sich der Landkreis, Kommunen und Energieversorger auf Augenhöhe begegnen - damit ist sein Job gewissermaßen getan.
Lob für das Klärschlammkonzept
Kritik, dass die GUT seit dem Ausscheiden von Gunter Häckner nur noch vor sich hindümpelt, lässt Wilhelm Schneider nicht gelten. Das Gegenteil sei der Fall, wenn das auch öffentlich nicht so deutlich werde. Der Landrat meint damit in erster Linie das Klärschlammkonzept. Die Entsorgung der Schlämme ist Aufgabe der Gemeinden. Doch die GUT hat das für die meisten Kommunen im Haßbergkreis übernommen. 2021 will sie in Hofheim eine zentrale Trocknungsanlage bauen und dazu die Abwärme der benachbarten Biogasanlage nutzen. Der Landkreis hat sich als einziger am Gemeinschaftskraftwerk Schweinfurt (GKS) beteiligter Kreis das Recht gesichert, das getrocknete Material im GKS verbrennen zu lassen: Ein großer Erfolg für die GUT, weil die beteiligten Kommunen damit der Entsorgungsproblematik entledigt sind - denn die Kapazitäten in der Schweinfurter Müllverbrennung sind begrenzt. "Diese Riesenaufgabe hat Herr Neubauer hervorragend erledigt", lobt Schneider den Sprecher der GUT-Geschäftsführung.
Wunsch: Mehr Förderung für Projektentwicklung
Damit es viel Lob irgendwann auch für die neue Kraft an der Spitze der GUT geben kann, wünscht sich das Trio Schneider, Neubauer und Mendel auch Unterstützung von Land und Bund. Es müsste dickere Fördertöpfe geben, die es den Ideenschmieden erleichterten, Projekte vorzudenken und auf Machbarkeit abzuklopfen. Andernfalls sei bei der Nichtrealisierung einfach zu viel Geld weg oder im Vornherein nun noch wenig Bereitschaft vorhanden, neue Wege zu wagen.
Die GUT wurde in erster Linie gegründet um im Landkreis Windräder zu errichten.
Die Kommunen und der Landkreis mit dem Landratsamt wurden ins Boot geholt. Von den Gemeinden war damit eher kein Widerstand zu erwarten. Dass das Landratsamt auch die Genehmigungsbehörde für die 200m hohen Industriebauten sein würde, war durchaus im Kalkül der Initiatoren der GUT. Ein Konstrukt wurde gegründet, bei dem Antragsteller und Genehmiger von Windrädern unter einem Dach sitzen.
Unglaublich aber wahr. Dass jetzt Gott sei Dank keine Windräder mehr gebaut werden, ist als Gewinn für die Bevölkerung, die Tierwelt und die Landschaft zu werten. Da damit aber die Existenzgrundlage der GUT abhanden gekommen ist, sollten die Kosten für einen Ingenieur besser an sinnvollerer Stelle ausgegeben werden. Die Umsetzung von Projekten ist in der Privatwirtschaft besser aufgehoben.
Auch könnten Interessenkonflikte wie oben beschrieben vermieden werden.