Vor drei Monaten trat Oliver Kunkel an die Öffentlichkeit, zwei zentrale Botschaften im Gepäck. Die eine lautete, dass er mit seinem Konzept "heimat." ein Programm entwickelt hatte, mit dem man den ökologischen und sozialen Folgen des Klimawandels auf regionaler Ebene begegnen könnte. Die andere war zwar für ihn nicht so wichtig, für den Normalbürger umso mehr. Er würde nämlich in Kauf nehmen, zur Umsetzung seines Programms quasi nebenbei Landrat sein zu müssen. Das klingt seltsam, bedeutet im Klartext aber: Kunkel war bereit, Landratskandidat der Grünen im Landkreis Haßberge zu werden.
Darüber hat der in Schweinfurt beschäftigte Studiendirektor nun ein Vierteljahr nachdenken, zahllose Gespräche mit vielen Menschen führen können. Dass Amtsinhaber Wilhelm Schneider erneut für die CSU antritt, ist logisch. Für Kunkel wäre es aber eine Voraussetzung gewesen, einen Konsens zu erreichen, für alle übrigen Parteien als gemeinsamer, quasi überparteilicher Kandidat antreten zu können. Die wollten davon aber nichts wissen. Und so entschied sich der 51-Jährige, sich nicht als Landratskandidat allein für die Grünen zur Verfügung stellen zu wollen. In den Kreistag, ja, das könne er sich vorstellen, aber nicht Landrat. "Als Landrat wird man vor einen Karren gespannt, instrumentalisiert und vereinnahmt."
Eine strategische Entscheidung
"Es war eine strategische Entscheidung", so Kunkel im Gespräch mit dieser Redaktion. Zum einen besitze man als Landrat einen großen Gestaltungsspielraum. Andererseits unterliege man in so einem Amt auch vielen Zwängen. Ohne dieses Amt sieht Kunkel viel bessere Möglichkeiten, sein Konzept auf den Weg zu bringen. Wenn schon nicht überparteilicher Kandidat, so doch zumindest ein überparteiliches Konzept. Bei der Umsetzung von "heimat." läuft für Oliver Kunkel die Zeit. Die Folgen des Klimawandel müssen seiner Meinung nach jetzt bekämpft werden. Der Zeitpunkt, an dem man die Folgen des zu hohen CO2-Ausstoßes noch verhindern oder aufhalten könnte, ist laut Kunkel vorbei. "Wir sind am Kipp-Punkt des Klimas. Es reicht nicht mehr, Einsparungen auf den Weg zu bringen, wir müssen die Gesellschaft ändern zu einer Kooperation, in der jeder Verantwortung trägt. "
Für den im Landkreis Haßberge als Musiker bekannten Zeiler geht es nun darum, in der Gesellschaft einen breiten Konsens für Nachhaltigkeit herzustellen. "Es muss ein Prozess einsetzen mit einer Kultur des Zuhörens, des Aufeinanderzugehens des Miteinanderringens um Lösungen. Ich habe bei den vielen Kontakten in den vergangenen Monaten ganz viel Gemeinschaft erfahren, dass wir in dieser Hinsicht unsere Gesellschaft verändern können." Der Mensch neige eigentlich nicht zu einer kompromisslosen Wachstumsgesellschaft. "In der Evolution haben sich immer Systeme durchgesetzt, in denen man zusammengearbeitet hat."
Eine "Blaupause" für den Mittelstand der Welt
"Gerade in der Größe eines Landkreises", so Kunkel, "wo man sich noch begegnet, muss es ein Gemeingut sein, dass Menschen gemeinsam intelligente Lösungen entwickeln. Die Verrohung in der Ego-Kultur wird man so immer stärker eindämmen." Kunkel ist optimistisch, wenn man eine Entwicklung zur Nachhaltigkeit im Landkreis hinbekommt, in Deutschland, in Europa, "wird das die Blaupause sein für das Leben von rund vier Milliarden Menschen im neuen weltweiten Mittelstand. Wenn wir das vorleben können, haben wir die kleine Chance, dass über 50 Prozent des Mittelstands in der Welt das nachvollziehen."
Das Programm von Oliver Kunkel geht nun in seine aktive Phase. Am 28.September startet der Reigen der Veranstaltungen mit einem Waldforum. Hier sollen die unterschiedlichen Sichtweisen von Experten, von Forstfachleuten mit denen von Bürgern zusammengebracht werden. Dabei werden Fragen im Mittelpunkt stehen, wie die Bürger den Forst unterstützen können. Im November steht ein Nachhaltigkeitsforum auf dem Programm mit dem Stadtwerk Haßfurt und dem Bürgerbüro Aidhausen. Hier sollen Ideen gesammelt werden, wie ein neues Miteinander, eine andere Haltung zum Leben entwickelt werden könnte.
Und auch an der Demo "Fridays for Future" an diesem Freitag um 11.30 Uhr in Haßfurt wird Oliver Kunkel teilnehmen und das Wort ergreifen. "Ich möchte anregen, welche Projekte und Initiativen Menschen unterstützen können, wie Jugendliche auf Senioren zugehen können. Kunkel möchte viele Leute einladen, im Landkreis über ein Mobilitätskonzept nachzudenken, zum Beispiel mit einer Mitfahr-App der Vereinsamung entgegenzuwirken. "Die Begegnung der Generationen soll dabei im Mittelpunkt stehen."
Historische Chance
Kunkel unterstreicht, warum er nicht Landrat werden, sondern lieber sein Konzept nach vorne bringen will: "Es geht um eine historische Chance." Er habe alle Tätigkeiten - außer seiner beruflichen - derzeit stark eingeschränkt, um sein Ziel zu verfolgen. "Wir müssen jetzt vorleben, dass Nachhaltigkeit aus einer begrenzten Region heraus möglich ist. Ich hoffe, dass viele Parteien, und Einzelkandidaten sich zu dem parteiübergreifenden Programm bekennen, dass sie sich in dieses Konzept mit einbringen." Diesem Ziel ordnet Kunkel derzeit sein ganzes Tun unter. "Dieses Programm für einen nachhaltigen Landkreis will ich in der nächsten Zeit - soweit möglich - umsetzen. Deshalb kann ich nicht für das Amt des Landrats kandidieren."