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Kreis Haßberge
Gegen den Regulierungswahn: 9 Beispiele, was der Bürokratieabbau im Landkreis Haßberge bewirken könnte
Der Landtagsabgeordnete Steffen Vogel leitet die Landtagskommission zum Bürokratieabbau. Er will weniger Vorschriften und mehr Eigenverantwortung.
Ein Millionengrab? Die Franz-Hofmann-Halle in Knetzgau ist aus Brandschutzgründen geschlossen. Der Landtagsabgeordnete Steffen Vogel hat dafür wenig Verständnis.
Foto: René Ruprecht (Archivfoto) | Ein Millionengrab? Die Franz-Hofmann-Halle in Knetzgau ist aus Brandschutzgründen geschlossen. Der Landtagsabgeordnete Steffen Vogel hat dafür wenig Verständnis.
Martin Sage
 |  aktualisiert: 13.01.2025 02:29 Uhr

Bayern meint es ernst mit dem Bürokratieabbau, verspricht der Landtagsabgeordnete und unterfränkische CSU-Vorsitzende Steffen Vogel aus Theres. Schließlich habe Ministerpräsident Markus Söder nicht nur den schlankeren Staat zum Leitthema seiner Staatsregierung bis 2030 erklärt; er habe auch das Parlament mit einbezogen, sprich: jene Enquete-Kommission einberufen, die eigene Vorschläge unterbreiten soll, wie die Verwaltungen im Lande schlanker, moderner, digitaler werden können. Diese Kommission leitet Vogel selbst. 

Der Bürokratieabbau soll für die Menschen, die Kommunen und die Wirtschaft spürbare und nachvollziehbare Erleichterungen bringen. Die Redaktion hat den 50-jährigen Juristen und Politikwissenschaftler gebeten, einige Beispiele zu nennen, was das im Landkreis Haßberge bedeuten könnte.

1. Abstriche beim Brandschutz, das Beispiel Franz-Hofmann-Halle:

Die Franz-Hofmann-Halle in Knetzgau ist seit fast zehn Jahren aus Gründen des Brandschutzes gesperrt. Steffen Vogel ist selbst Feuerwehrmann, und er verweist drauf, dass 96 Prozent der Brandopfer in der eigenen Wohnung ums Leben kommen und zwei Prozent in Pflegeheimen. Nur wenige Menschen würden also in öffentlichen Gebäuden sterben. Trotzdem sei Brandschutz hier ein Riesenthema, das Staat und Gesellschaft Milliarden koste. Da entscheide jemand, dass die Franz-Hofmann-Halle nicht mehr genutzt werden kann; und sie könne nicht so umgebaut werden, dass eine Nutzung noch möglich ist. Dabei sei Rauchen verboten, in der Halle gibt es kein offenes Feuer, stellt Vogel fest: "Da hat doch niemand mehr Verständnis dafür, dass man die Halle nicht mehr für den Landfrauentag oder für einen Fahrradbasar oder sonst wie nutzen kann", findet er und kündigt an: "Wir werden deshalb die Brandschutzvorgaben auf ein vernünftiges Maß begrenzen, um gerne genutzte Gebäude nicht einfach stillzulegen." Das sei eine unnötige Verschwendung von Volksvermögen.

2. Lockerungen von Sicherheitsvorschriften: Beispiel Sander Faschingszug

Wer mit einem Wagen am Faschingszug teilnehmen will, muss dafür sorgen, dass an jeder Achse des Gefährts und jeweils an beiden Seiten eine Sicherungsperson mitläuft. Es sind Regeln wie diese, die MdL Vogel für übertrieben hält. "Ich gehe davon aus, dass in den letzten 50 Jahren niemand im Landkreis von einem Faschingswagen überrollt worden ist", sagt er. Trotzdem würden die Auflagen für die Durchführung von Faschingsumzügen immer höher und gerade für die Veranstalter zu einem immer größer werdenden Risiko. Hinzu komme, dass praktisch von jedem Wagen eine TÜV-Abnahme verlangt werde. "Das ist doch Wahnsinn. Irgendwann regulieren wir uns zu Tode und es wird keinen Faschingsumzug und auch keine großen Vereinsfeste mehr geben, weil die Ehrenamtlichen keine Lust haben, ihren Kopf hinzuhalten", setzt Vogel auf eine Verschlankung der Reglements etwa mit Bick auf den Sander Faschingszug.

Immer mehr Sicherheitsvorschriften? Dann wird es Faschingszüge wie den in Sand am Main (im Bild) irgendwann nicht mehr geben, sagt MdL Steffen Vogel voraus. 
Foto: René Ruprecht (Archivfoto) | Immer mehr Sicherheitsvorschriften? Dann wird es Faschingszüge wie den in Sand am Main (im Bild) irgendwann nicht mehr geben, sagt MdL Steffen Vogel voraus. 

3. Vereinfachungen beim Datenschutz, etwa im Sozialamt Haßfurt und der ARGE

Das Sozialamt in Haßfurt kann nicht auf Daten des Jobcenters Haßberge zurückgreifen, weil es sich um zwei verschiedene Rechtsträger handelt. Die Daten müssten also doppelt erhoben werden, sagt Steffen Vogel. Das verstehe doch kein Mensch mehr. "Warum nicht das Once-only-Prinzip, eine staatliche Datennummer, auf die dann alle Behörden zugreifen können?" Der missbräuchlichen Verwendung der Daten werde dadurch vorgebeugt, dass jeder Bürger und jede Bürgerin immer nachschauen könne, wer mit welcher Begründungen seine oder ihre Daten abgerufen habe, "was bei missbräuchlicher Verwendung sanktioniert werden würde".

4. Weniger Hürden bei Nutzungsänderungen von Immobilien: Beispiel Innenstadt von Haßfurt

In den deutschen Innenstädten stehen immer mehr Geschäftsgebäude leer. Hohe Mieten, der rasant zunehmende Online-Handel und die Einkaufsmärkte auf der grünen Wiese verhindern oft die gewerbliche Weiternutzung. "Glauben Sie, die Haßfurter Innenstadt wird in zehn Jahren noch diesselbe sein wie heute?", fragt Steffen Vogel. Und macht darauf aufmerksam, dass, wer aus einem Geschäftsgebäude ein Wohngebäude machen will, derzeit noch eine Genehmigung brauche. Der Landtagsabgeordnete will das ändern, gerade auch in Zeiten akuten Wohnraummangels, "weil Wohnraumnutzung stets weniger beeinträchtigend ist als eine gewerbliche Nutzung."

5.  Generalvergaben statt Einzelvergaben: Beispiel neuer Kindergarten in den Haßbergen

Egal ob Neubau einer Schule im Landkreis Haßberge oder die Sanierung eines Schwimmbades: Steffen Vogel beklagt zum einen die Kostenexplosion bei öffentlichen Gebäuden, zum anderen die große Zeitdauer dererlei Maßnahmen. "Wenn ich sehe, was heute schon 'normale' Kindergärten für die Städte und Gemeinden kosten, bin ich der festen Überzeugung, dass öffentliche Gebäude oftmals im Wege der Generalvergaben günstiger und schneller gebaut werden könnten", stellt der Vorsitzende der Bürokratieabbau-Kommission fest. Nach dem derzeitigen Vergabe- und Förderrecht müssten Auftraggeber alle Gewerke (zum Beispiel Maurer-, Maler-, Elektriker- und Zimmererarbeiten) einzeln vergeben. "Das werden wir ändern", kündigt Vogel an. 

Riedbachs größte Investition 2024 war der Kindergartenneubau in Humprechtshausen. Sind Baumaßnahmen wie diese künftig mit Generalvergabe möglich?
Foto: Ulrich Kind (Archivfoto) | Riedbachs größte Investition 2024 war der Kindergartenneubau in Humprechtshausen. Sind Baumaßnahmen wie diese künftig mit Generalvergabe möglich?

6. Stelleneinsparungen: Weniger Personal im Landratsamt Haßberge?

Er sei mit der Organisation des Landratsamtes Haßberge nicht befasst, deshalb könne er von außen nicht beurteien, wo konkret man wie viele Stellen einsparen kann, sagt Vogel, der auch Kreisrat ist. "Ich halte es aber für sinnvoll, dass wir die Landratsämter in Bayern miteinander vergleichen und messen. Wir müssen zum Beispiel messen, wie lange Baugenehmigungen in einem Landkreis brauchen und wie lange in einem anderen. Welches Amt hat wie viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für welche Aufgaben abgestellt?" Es gehe nicht darum, Landkreise gegeneinander auszuspielen, sondern die effizienten, schnellen und bürgerfreundlichen Ämter und deren Organisationsmaßnahmen auf die "schwächeren" zu übertragen und voneinander zu lernen.

7. Weniger Hygienevorschriften für Veranstaltungen, etwa das Open-Air auf Schloss Eyrichshof

Kein Fest, kein Markt, kein Konzert ohne ein Angebot an Essen und Getränken. Es ist der Freistaat, der laut Vogel vorschreibt, wie genau die Hygienevorschriften beim Verkauf von Lebensmitteln zu sein haben. Freilich gebe es Vorschriften, die eingehalten werden müssten, sagt der Abgeordnete etwa mit Blick auf das Open-Air auf Schloss Eyrichshof, nur: "In München sitzen Ministerialbeamte, die sich jede irgendwie denkbare Konstellation ausdenken und gleich die Antwort im Rahmen von Dienstanweisungen oder Ausführungsverordnungen vorgeben." So habe der Mitarbeiter vor Ort wenig Spielraum, weil er immer nachlesen und berücksichtigen müsse, was die Ministerialbürokratie für genau diesen Fall vorschreibt. Damit werde der Ermessenspielraum vor Ort unnötig eingeschränkt. "Ich finde es besser, wenn die Leute vor Ort mit gesundem Menschenverstand entscheiden, was getan werden muss, um den Hygienevorschriften zu genügen", fordert der CSU-Mann.

Weniger Vorschriften aus München soll es künftig beim Verkauf von Lebensmitteln bei Veranstaltungen wie dem Open-Air auf Schloss Eyrichshof geben.  
Foto: Fabian Gebert (Archivfoto) | Weniger Vorschriften aus München soll es künftig beim Verkauf von Lebensmitteln bei Veranstaltungen wie dem Open-Air auf Schloss Eyrichshof geben.  

8. Mehr Eigenverantwortung im öffentlichen Dienst, auch in den Haßbergen 

Bürokratie entstehe auch in den Köpfen, beobachtet Steffen Vogel. Er setzt auf Mitarbeitende in den Behörden, die mutig die Ermessensspielräume für die Bürgerinnen und Bürger, für die Unternehmer und den Mittelstand ausnützen, ohne sich sorgen zu müssen, dass sie dafür ins Gefängnis kommen. "Deshalb ändern wir das Dienstrecht" erklärt der CSU-Politiker. Er spricht von drei neuen Beurteilungskriterien, die bei der Beförderung besonders zu berücksichtigen seien: erstens eine lösungsorientierte Vorgehensweise, zweitens eine pragmatische Arbeitsweise und drittens die Ausschöpfung bestehender Beurteilungs- und Ermessenspielräume. "Wenn doch mal was schiefgeht, wird künftig mildernd berücksichtigt, wenn der Beamte erkennbar vom Willen zur lösungsorientierten Erledigung geleitet war. Damit wollen wir einen echten Mentalitätswandel in den Behörden Bayerns erreichen."

9. Braucht der Landkreis Haßberge die Bezirksregierung von Unterfranken?

Die Bürokratieabbau-Kommission unter Leitung von Steffen Vogel greift schließlich ein altes Streitthema auf. "Wir prüfen auch, ob Bayern die Bezirksregierungen braucht", sagt der 50-Jährige. Seine Kommission stelle alles in Frage, auch die Strukturen des Staates. "Brauchen wir die Mittelbehörden?" Baden-Württemberg habe die Bezirksregierungen abgeschafft, Niedersachsen ebenfalls. Nordrhein-Westfalen habe entschieden, dass die Bezirke bleiben. "Von den Erfahrungen der anderen Bundesländer wollen wir lernen", erklärt Vogel.

 
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  • Erich Spiegel
    Der Bürokratieabbau ist dringend notwendig. Der Blick auf das Ausland (z.B. China) zeigt es. Dort werden Projekte im Bereich Automobil-Entwicklung oder Infrastruktur (z.b. Autobahnen, Flughäfen, etc.) in rasend schnellem Tempo durchgezogen. Das gibt auch (eine) der Antworten warum Deutschland und Europa in fast allen technischen Bereichen abgehängt ist (z.B. Stahl, Elekronik, Windkraft, Photovoltaik, E-Auto, Kunststoffe, Chemie) und warum bei uns die Arbeitslosigkeit steigt. Auch Deutschland kann schnell sein wie der Bau der LNG-Terminals an der Ostsee zeigt. Man hat die Vorschriften an die Bedürfnisse der Realität angepasst. Und die Welt ist nicht zusammen gebrochen. Das Beispiel zeigt, dass man auf viele Vorschriften verzichten kann.
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  • Erich Spiegel
    Gut, dass der Artikel konkrete Beispiele für einen Bürokratie Abbau beschreibt. Der Staat schafft immer mehr Stellen für Beamte, die den ganzen Tag neue Vorschriften aushecken deren Konsequenzen sie nicht selbst zu tragen haben. Die Bürokratie ernährt die Bürokratie. Dass sich Beamte hinter Vorschriften verstecken habe ich selbst schon erlebt. Man will für nichts die Verantwortung übernehmen, es könnte ja zum eigenen Nachteil sein. Ist aber auch menschlich. Das muss man ehrlicherweise zugeben. Die Idee Beamten mehr Spielraum zu geben finde ich gut. Grundsätzlich ist Bürgerbeteiligung gut. Aber aktuell erreicht das eine Dimension, die schädlich für unser Land ist. Überzognene Bürgerbeteiligung führt aber zu ewig langen Diskussionen bis auch der Letze einverstanden ist. Sinnvolle Infrastrukturmassnahmen (z.b. Ansiedelung von Gewerbe und Arbeitsplätzen) werden auf Grund von Protesten von Bürgern (oft Laien mit Halbwissen) verhindert.
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  • Oliver Weidlich
    Lieber Martin, danke für den interessanten Artikel. Ein falsche Aussage von Herrn Vogel sollte man nicht stehen lassen. Baden-Württemberg hat 4 sehr große Regierungspräsidien mit zahlreichen Aufgaben. Die Diskussion um deren Abschaffung kommt immer wieder auf, wie auch in Bayern. Bisher hat man in beiden Flächenstaaten nie eine Lösung gefunden, bei der die Aufgaben effizienter bzw. kostengünstiger und dabei einigermaßen ortsnah durch andere Behörden bewältigt hätten werden können. Ein Ansatz wie in Niedersachsen, also riesige und wenige Landkreise - also eine Kreisgebietsreform sind in Bayern (noch) nicht vorstellbar.
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  • Gerhard Hörlin
    Hier haben MdL Vogel und die Main-Post – wie ich finde – sehr gute Beispiele herausgearbeitet, bei denen im Rahmen des Bürokratieabbaus angesetzt werden muss, um den regionalen Handwerksbetrieben, der mittelständischen Wirtschaft und den Kommunen wieder Luft zu verschaffen. Leider ist es aus eigener Erfahrung nicht damit getan, am Ende der Bürokratiekette anzusetzen, indem Personal an den Landratsämtern eingespart wird und behördeninterne Ausführungsanweisungen einkassiert werden. Die Bürokratie entsteht oben auf EU-, Bundes- und Landesebene. Dort gilt es, Personal und Regelungen abzubauen, sich auf Kernthemen zu beschränken und den Subventionswahnsinn für die Großindustrie und Konzerne zu beenden. Denken wir allein an die Steuergesetzgebung, die Leistungsabrechnung bei Kranken- und Pflegeleistungen oder Sozialleistungen wie Bürgergeld, Arbeitslosengeld etc. Wir als Gemeinschaft und vor allem die gewählten Politiker und Parteien sind aufgefordert, hier radikal umzudenken.
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