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Dieter Wieland, der unbequeme Verteidiger der Heimat: "Wir sind schamlos im Vermarkten unserer Schönheit"
Der Filmemacher Dieter Wieland machte sein Leben lang auf die Zerstörung von Natur, Dörfern und Denkmälern aufmerksam. Was den 87-Jährigen mit Blick nach Unterfranken positiv stimmt.
Dieter Wieland hat mit seinen Dokumentationen Filmgeschichte geschrieben. Die Themen, über die er schon in den 70er Jahren berichtet, sind nach wie vor aktuell: Landschaftszerstörung, Zersiedelung, Versiegelung. 
Foto: Peter Schlembach | Dieter Wieland hat mit seinen Dokumentationen Filmgeschichte geschrieben. Die Themen, über die er schon in den 70er Jahren berichtet, sind nach wie vor aktuell: Landschaftszerstörung, Zersiedelung, Versiegelung. 
Peter Schlembach
 und  Stefan Menz
 |  aktualisiert: 08.12.2024 02:31 Uhr

Schon vor über 50 Jahren hat er mit seinen Filmen für den Bayerischen Rundfunk die Verschandelung der Natur und die Zersiedlung der Landschaft kritisiert. In Landshut aufgewachsen, machte sich der Denkmaljournalist und Autor Dieter Wieland vor allem als Schöpfer der BR-Filmreihe "Topographie" einen Namen. Und auch mit inzwischen 87 Jahren setzt er sich weiter für Denkmal- und Naturschutz ein.

Die behutsame Entwicklung von Orts- und Landschaftsbildern sind Wielands Anliegen. Der Landesverband für Heimatpflege zeichnet deshalb jedes Jahr unter seinem Namen Journalistinnen und Journalisten aus. Einen Förderpreis erhielt jetzt die Main-Post-Mitarbeiterin Rosie Füglein. Im Interview kritisiert Dieter Wieland Pendler und Politiker - und blickt aber auch zuversichtlich nach Unterfranken. 

Frage: Unterfranken wirbt mit seiner vielfältigen Landschaft, den Weinbergen, Wäldern und dem Maintal, gleichzeitig erleben wir eine ungebremste Versiegelung. Was läuft da schief?

Dieter Wieland: Wir sind schamlos im Vermarkten unserer Schönheit. Wir haben ein schönes Land. Und ich habe immer darauf spekuliert, das müsste doch auch ein Politiker merken. Aber die sehen eigentlich nur die Möglichkeit, die Schönheit zu verkaufen. Dabei muss man die Schönheit schützen und pflegen. Sie ist ein Geschenk. Das ist etwas, was man schon mit Kinderaugen begreift. Leider, wenn wir mal Bausparer sind, dann sehen wir das ganz anders. Dann haben wir wahnsinnig viel vergessen, von dem, was uns Kindern mal Freude gemacht hat. Wir tun eigentlich alles, um diese Schönheit täglich zu vermindern.

Gerade im ländlichen Raum trifft Kritik an der Zerstörung erhaltenswerter Strukturen auch auf Widerspruch. Wie sind da Ihre Erfahrungen?

Wieland: Ich habe mir nur Feinde geschaffen und bin immer wieder angeeckt. Lob können die Bayern bis zum Umfallen hören. Aber Kritik vertragen gerade Politiker überhaupt nicht. Ich habe wirklich große Gegner gehabt. Das ging rauf bis zum Ministerpräsidenten.

Was hat sie angetrieben, den Finger in die Wunde der Verschandelung unserer Landschaften und Dörfer zu legen?

Wieland: München wurde zu den Olympischen Spielen 1972 autogerecht hergerichtet. Der Englische Garten zerstört, der zu den schönsten Parks der Welt gehört. Dieser Wahn, dem Auto einen Betonteppich auszulegen - und das tun wir doch im Grunde heute noch. Unsere Verkehrsminister wollen immer noch mehr Kilometer. Immer noch mehr und immer noch neu. Mit Nachfolgelasten bis in alle Ewigkeit, genauso wie bei den Neubaugebieten.

"Die Menschen wissen am Ende gar nicht mehr, wo sie zu Hause sind."
Filmemacher Dieter Wieland über Pendler
Wie wirkt sich diese Entwicklung auf die Menschen aus?

Wieland: Was ist das für ein Dorfleben, wenn ich in der Garage in das Auto einsteige, durchsause aus dem Neubaugebiet durch die Hauptstraße? 50 fährt da keiner. Es ist auch wurscht, wer da wohnt, wer da schläft, wer da isst, neben der Straße. Und dann ist da einfach kein Gespräch mehr möglich. Im Auto erfährst du nix vom Dorfleben. Das ist ein Pendler. Der pendelt von seinem Bett irgendwohin nach Würzburg, oder weiß der Teufel wohin. Und arbeitet da und kommt dann, wenn es dunkel ist, wieder heim.

Was hat das für Folgen für die Menschen, die dort leben?

Wieland: Das ist kein Dorfleben. Die Menschen wissen am Ende gar nicht mehr, wo sie zu Hause sind. Sie haben nur noch den Fußballplatz und den Kindergarten. In einer Neubausiedlung lebt man sehr für sich. Das sind alles abgeschlossene Familiengemeinschaften. Die treffen sich natürlich, Gott sei Dank, im Sportverein. Aber das ist nicht das eigentliche Dorfleben. Und so gibt es auch keine Dorfpolitik. Denn ich habe mein Haus, was will ich noch mehr?

Was müsste die Kommunal- und Landespolitik dagegen tun?

Wieland: Demokratie ist das Gespräch mit dem Bürger. Die Politik muss endlich lernen, aus ihren Hinterzimmern und aus ihren geschlossenen Ratssälen rauszukommen und mit den Bürgern zu sprechen. Und zwar rechtzeitig und nicht erst, wenn der Termin kommt, dass man etwas öffentlich machen muss, weil es der Gesetzgeber so verlangt.

Sie haben schon vor Jahrzehnten mit Sendungen wie "Unser Dorf soll hässlich werden" vor immer neuen Baugebieten und gesichtsloser Architektur gewarnt. Haben sie mittlerweile resigniert? Oder gibt es positive Beispiele aus Unterfranken, die Ihnen Hoffnung machen?

Wieland: Es gibt die kommunalen Politiker, bei denen sich etwas gedreht hat im Kopf, zum Beispiel in Hofheim. Beim Hofheimer Modell schauen sie, ob die leerstehenden Altbauten jemand will, möglichst jemand vom Dorf. Und nur einer, der dann auch dort wohnt und lebt. Sie verkaufen kein Haus im Dorfkern an einen Frankfurter, der im Sommer ein paar Wochenenden da ist.

Was macht Ihnen sonst noch Hoffnung?

Wieland: Es hat mir sehr gefallen, dass in Unterfranken sich sehr viele am Volksbegehren "Rettet die Bienen" beteiligt haben. Die Ergebnisse des Volksbegehrens waren etwas sehr Wichtiges für Unterfranken. Jetzt werden neue Streuobstanlagen gepflanzt. Ich habe vor 40 Jahren einen Film über alte Apfelsorten bei Veitshöchheim gedreht. Da hat man gesagt, weg mit diesen Bäumen, dafür gibt es Subventionen. Jetzt kommen wir langsam darauf, Moment einmal, die Bienen brauchen Streuobstwiesen. Jetzt pflanzen wir wieder Streuobstwiesen, finanziert mit Subventionen. Ist das nicht verrückt?

Dieter-Wieland-Preis für Main-Post Mitarbeiterin Rosie Füglein

Rosie Füglein und Dieter Wieland: Die Journalistin aus Unterfranken wurde jetzt mit dem Dieter-Wieland-Förderpreis des Landesvereins für Heimatpflege ausgezeichnet.  
Foto: Peter Schlembach | Rosie Füglein und Dieter Wieland: Die Journalistin aus Unterfranken wurde jetzt mit dem Dieter-Wieland-Förderpreis des Landesvereins für Heimatpflege ausgezeichnet.  
Mit dem Dieter-Wieland-Preis zeichnet der Bayerische Landesverein für Heimatpflege jedes Jahr journalistische Beiträge aus, die Bewusstsein für das Thema Denkmal- und Heimatpflege schaffen. Die Journalistin Rosie Füglein schreibt seit Jahren für die Main-Post über Flächenverbrauch und neue Baugebiete in Orten, in deren Dorfkern die Häuser leer stehen. Für ihre Berichterstattung in der Main-Post und ihr Radiofeature "Wildblumenblues" auf Bayern 2 hat die Autorin aus Unterfranken jetzt den mit 2500 Euro dotierten Förderpreis erhalten.
Dieter Wieland, der mit in der Jury saß, sagt über die Preisträgerin: "Ich mag das Authentische an den Geschichten von Rosie Füglein. Sie erzählt wunderbare Dorfgeschichten. Die ganze Realität, wie es so zugeht, auf unseren Dörfern. Diese Geschichten erzählt sie und hört genau hin, was ihnen die Menschen erzählen. Das hat uns sehr gefallen."
Mit dem Dieter-Wieland-Preis in Höhe von 10.000 würdigte der Landesverein Josef Winkler, Redakteur der Zeitschrift "MUH – Magazin für bayerische Aspekte".
Quelle: psch
 
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Kommentare
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  • Werner Beck
    Unvergesslich, die TV-Beiträge von Dieter Wieland.
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  • Stefanie Träger
    „Der Filmemacher Dieter Wieland widmete sich sein Leben lang der Zerstörung von Natur, Dörfern und Denkmälern“

    Ganz sicher? Oder widmete er sich nicht eher dem Anprangern, Aufmerksam machen oder Verhindern?

    Gruß
    A. Träger
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    • Antworten
  • Ralf Zimmermann
    Danke für Ihren Hinweis, wir haben den Teaser umformuliert.

    Mit freundlichen Grüßen

    Ralf Zimmermann, Main-Post Digitales Management
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