
Bei der Bundestagswahl haben die Bad Kissinger ähnlich gewählt, wie überall in Deutschland: Die Ampelparteien wurden abgestraft, Union, AfD und Linke haben dazugewonnen. Die in Teilen rechtsextreme AfD hat in der Kurstadt überproportional stark zugelegt. Am Ende kam sie auf 22,1 Prozent der Stimmen. In fünf Wahllokalen wurde sie stärkste Kraft.
Oberbürgermeister Dirk Vogel (SPD) erklärt, wieso er denkt, dass auch lokale Gründe in das Ergebnis hineinspielen, welche Möglichkeiten die Stadtpolitik hat, etwas zu verbessern und warum er von der neuen Bundesregierung mehr Ehrlichkeit fordert.
Frage: Die AfD hat in Bad Kissingen stärker zugelegt, als im Bund (12,4 Prozentpunkte Zuwachs statt 10,4). Gleichzeitig gilt die Kurstadt als weltoffen. Können Sie diesen Gegensatz erklären?
Dirk Vogel: 77,9 Prozent der Menschen in Bad Kissingen haben die AfD nicht gewählt. Dennoch zeigt der Anstieg des AfD Wahlergebnisses, dass sie zum Sammelbecken der Unzufriedenen geworden ist, auch in unserer Stadt.
An der Wahlurne hat quer durch die Stadt zum Teil mehr als jeder dritte Wähler sein Kreuz bei der AfD gemacht. In fünf von 15 Wahllokalen hat sie gewonnen, im Wahllokal Realschule hat sie fast jeder zweite gewählt (43,4 Prozent). Ist die Partei in Bad Kissingens Mitte angekommen?
Vogel: Ich mache mal eine Art politischen Dreisatz auf. Erstens sind seit 2020 über 1500 Menschen ohne deutschen Pass nach Bad Kissingen gekommen. Mittlerweile leben fast die Hälfte der Menschen ohne deutschen Pass aus dem Landkreis in der Stadt Bad Kissingen. Zweitens sagen die Umfragen, laut Infratest dimap, dass für AfD-Wähler die Zuwanderung die größte Bedeutung bei ihrer Wahlentscheidung hatte. Drittens, das mahne ich seit einigen Jahren an, hat der Staat insgesamt die Menschen noch nicht ausreichend runter von der Straße in Sprachkurse, Arbeitsgelegenheiten, Ausbildung und Arbeit bekommen. Viele leben um und verweilen in der Innenstadt, wo auch die Wahllokale liegen. Wenn man alle drei Aspekte "zusammenrechnet", was kommt dabei raus? Das ist keine Raketenwissenschaft.
Sie haben zuletzt auch im Stadtrat davor gewarnt, dass die soziale Infrastruktur der Stadt, etwa Schulen und Kitas, bei der Integration an ihre Grenzen stößt.
Vogel: Wir haben es bei der Zuwanderung mit einer Eisbergdebatte zu tun. Wir sehen den Eisberg "Zuwanderung" und können ihn, auch über Umfragen wie die soeben genannte, messen. Darunter, also unter dem Eisberg, im Wasser, verborgen, schlummert viel mehr: Der Ärger, keinen Facharzttermin zu bekommen. Das Unverständnis über junge Menschen mit Migrationshintergrund, die scheinbar nichts zu tun haben und subjektiv bedrohlich in Gruppenstärke durch die Stadt schlendern. Die Unerklärlichkeit, warum Schüler und Eltern mit Migrationshintergrund auch nach Jahren bei uns in Bad Kissingen zum Teil weiterhin weitgehend untereinander bleiben wollen. Der Anstieg der Preise, die dazu führen, dass man wenig zur Seite legen kann und fast alles für den Alltagskonsum verwendet. Diese Liste lässt sich fortsetzen. Es geht um teils wahre, teils nur wahrgenommene, Probleme des Alltags.
Sehen Sie Möglichkeiten, wie Sie als Oberbürgermeister und auch der Stadtrat lokal auf das Wahlergebnis in Bad Kissingen reagieren können?
Vogel: Ich habe vor über einem Jahr alle beteiligten Behörden in Bad Kissingen an einen Tisch geholt und eine Kissinger Erklärung zur Integration verabschiedet. Es haben sich alle staatlichen Akteure in Bad Kissingen verpflichtet, ihre Aktivitäten zu erhöhen. Ich habe Integrationskurse bei den Volkshochschulen initiiert, bald startet der Zweite. Ich habe eine Kampagne gestartet, um positive Integrationsbeispiele für die Bürgerschaft und die Communities hervorzuheben.
Was macht die Stadt noch?
Vogel: Wir werden im Bauhof Arbeitsgelegenheiten anbieten. Das Ordnungsamt werden wir robuster aufstellen, damit nicht nur Knöllchen kontrolliert, sondern auch anderen Ordnungswidrigkeiten nachgegangen wird. Wir haben mit der GEWO in der Schlesierstraße zehn neue Wohnungen gebaut. Wir kümmern uns um neue Hausärzte, eigentlich nicht unsere Aufgabe. Wir bieten kostenfreie Kulturangebote für alle im Rahmen des Kissinger Sommers. Ich will eine Stadt des Miteinanders. Wir brauchen keine Denkzettelwahlen, um unserer Verantwortung nachzukommen.
Welche Erwartungen haben Sie an die kommende Bundesregierung?
Vogel: Erstens: "Sich ehrlich machen". Im Wahlkampf wurde die "eierlegende Wollmilchsau" versprochen, mehr Geld für fast alle. Die Menschen haben gespürt, dass das nicht glaubwürdig ist. Wir müssen in Bad Kissingen doch auch sagen, sehr vieles geht, manches müssen wir schieben, manches geht erst mal absehbar nicht. Unendlich viel Geld hat keiner. Das sollte alle staatlichen Ebenen nun tun. Zweitens: Projekte vornehmen und umsetzen. Wir hätten in Bad Kissingen nie über 50 Millionen in den letzten gut vier Jahren verbaut, wenn wir nicht an einem Punkt als Team gesagt hätten: Das machen wir jetzt. Wir brauchen jetzt eine Dienstpflicht im Land für junge Menschen, wenn wir Sozialstaat und äußere Sicherheit sichern wollen.
Und drittens?
Vogel: Auch Bundespolitiker sollten den Menschen nicht nach dem Mund reden. Wir sollten alle nicht so tun, als ob wir in letzter Zeit fundamentalste Krisen gemeistert hätten. Auf unseren Friedhöfen liegt meine Großelterngeneration. Die musste in den Krieg ziehen, wie fast alle Generationen zuvor. Viele sind getötet worden. Danach gab es wenig zu essen. Die haben nicht gejammert, sondern losgelegt. Wir sollten alle rhetorisch abrüsten und stattdessen anpacken.
Seit Jahren wird davon gesprochen, dass die AfD inhaltlich gestellt werden muss. Trotzdem wird die Partei bei Wahlen kontinuierlich stärker. Lässt sie sich überhaupt inhaltlich stellen?
Vogel: Ich bin als Oberbürgermeister nicht dafür zuständig, eine Partei zu stellen. Ich richte mein Handeln am Wohl aller aus. Trotzdem will ich sagen, dass die überwiegende Mehrheit der AfD-Wähler nicht rechtsextrem ist. Das zeigt unter anderem die bereits zitierte Umfrage: Nur 18 Prozent der AfD-Wähler stimmen der Aussage zu, wonach es gut wäre, wenn nur Deutsche in Deutschland leben würden. Nur neun Prozent wollen, dass Migranten, die schon lange hier arbeiten, das Land verlassen. Selbst unter der relativen Minderheit der AfD-Wähler ist die Mehrheit nicht kategorisch ausländerfeindlich. Wenn wir die Probleme in akzeptable Bahnen lenken, wird das Sammelbecken der Unzufriedenen kleiner.
Hat er vergessen, dass er einer Partei angehört deren Mitglieder schon mal von Nazis in's KZ gesperrt wurden. Mit derart saft- und kraftlosen Politikern in führenden Ämtern muss die Demokratie untergehen.
Wasch mich, aber mach mich bloss nicht nass.
Wie wärs , wenn die Wählerschaft endlich mal Verantwortung für ihre Wahlentscheidungen übernehmen würde?
Die afd ist nunmal ein Teil des Problems, aber sicherlich nicht die Lösung.
Noch nicht bemerkt?
Hamburg ist ein anderes Pflaster als das beschauliche Käsge