
Ohne Direktkandidaten war die AfD im Wahlkreis Bad Kissingen am Sonntag angetreten, dennoch übertrumpfte die Partei in Sachen Zweitstimmen mit 23 Prozent sogar den Bundestrend. Unter anderem in Bad Brückenau schnitt die AfD mit 27,4 Prozent der Zweitstimmen sehr gut ab.
Neben dem hohen Anteil an AfD-Stimmen verzeichnete Bad Brückenau mit 75 Prozent die niedrigste Wahlbeteiligung im gesamten Wahlkreis – der Schnitt lag bei 85,5 Prozent. Dazu sagt Bürgermeister Jan Marberg (SPD): Die Beteiligung sei in der Stadt zwar traditionell niedrig, man müsse aber auch das Positive an dem Wert sehen. „Im Vergleich zu anderen Wahlen war sie höher. Dennoch hätte ich es gern gesehen, dass wir nicht das Schlusslicht sind.“
Marberg: „Habe mit dem Ergebnis gerechnet“
An dem Ergebnis änderte die Beteiligung freilich nichts. „Ich hatte den Ausgang der Wahl so durchaus erwartet. Es war klar, dass die CSU gewinnen würde, weil die Menschen mit der Ampel nicht zufrieden waren. Auch das starke Ergebnis der AfD hat sich abgezeichnet.“ Dass die AfD etwa jede vierte Stimme erhielt, ist laut Marberg „unter demokratischen Gesichtspunkten zwar nicht schön, muss aber akzeptiert werden“.
In einigen Wahllokalen erreichte die AfD mit Abstand die Mehrheit bei den Zweitstimmen, etwa im Ökozentrum (AfD 38,2; CSU 19,1) oder in der Mittelschule Römershag (AfD 41,5; CSU 32,3).
Ob es einen Zusammenhang mit dem Anteil an Spätaussiedlern aus der ehemaligen Sowjetunion, die unter anderem im Bereich Römershag leben, gibt, kann Marberg nicht beurteilen, da es eine geheime Wahl war. „Grundsätzlich ist es aber so, dass manche Menschen mit einer Migrationsbiografie nicht wollen, dass weitere Migranten ins Land kommen. Es scheint die Befürchtung zu geben, weniger vom Kuchen zu bekommen.“
Diskussion um Unterkunft für Geflüchtete
Auch die Diskussion um eine Unterkunft für Geflüchtete in Bad Brückenau war aus Sicht Marbergs „nicht entscheidend“ für die Stärke der AfD. „Ich denke, Menschen, die ohnehin AfD gewählt hätten, fühlten sich dadurch bestätigt. Das Ergebnis wäre ohne die Diskussion ähnlich ausgefallen.“
Überzeugt ist Marberg davon, „dass nicht alle, die AfD wählen, rechtsextrem sind“. Stattdessen glaubt er, dass die Menschen, vor allem nach den Querelen in der Ampel-Regierung, noch mehr Vertrauen in die Politik verloren und das Gefühl hätten. Der Staat könne die Dinge nicht mehr kontrollieren, denken sie laut Marberg. Die AfD werde als Partei gesehen, die das wieder in den Griff bekommt. Grund dafür sei, dass sie noch nie in Regierungsverantwortung im Bund war.
Der Sozialdemokrat ist überzeugt: „Wir können viele, die AfD gewählt haben, wieder zurückgewinnen für die Mitte der Gesellschaft. Das fängt in den Kommunen an. Wenn die Dinge dort funktionieren, dann kann auch wieder Vertrauen aufgebaut werden.“
Brauchen eine stabile Regierung
Nach der Bundestagswahl wünscht sich Jan Marberg eine schnelle Regierungsbildung in Berlin. „Wir brauchen eine stabile Regierung in Deutschland und eine EU, die beim Thema Ukraine geschlossen auftritt. Auch Themen wie Migration, Wirtschaft und Digitalisierung müssen angepackt werden.“ Einer Koalition von Union und SPD steht Marberg, anders als in der Vergangenheit, nun offen gegenüber.
