Als Ahmad Khonsari das Gebäude-Ensemble in der Weingasse 1 erwarb, war das für ihn und seine Familie, aber auch für die Stadt Bad Kissingen von großer Bedeutung. Denn bis zum Jahr 2015 ließ er Teile des Gebäude-Ensembles zu einer modernen Geschäftszeile umbauen und verlegte auch seinen eigenen Geschäftssitz vom Rosengarten in die Innenstadt.
Damit verbunden war nicht nur eine Belebung der Innenstadt in diesem Bereich, sondern auch, dass Khonsari das denkmalgeschützte Gebäude der einstigen Gaststätte Werner Bräu mit dem Fachwerk-Erker zu erhalten hatte. Denn es ist geschichtsträchtig. Im Volksmund heißt es auch "Menzel-Eck", weil dort der Maler Adolph Menzel einst sein Glas Wein genossen und Skizzen angefertigt haben soll.
Historische Daten zu "Karch's Weinstube" muss man sich zusammensuchen
Leicht war und ist es sicher nicht, dies alles zu sanieren, denn die Räumlichkeiten sind verwinkelt und es bedarf der Zeit, alles herzurichten. "Nach und nach" wolle er aber vieles noch in Angriff nehmen, sagt der 85-Jährige im Gespräch mit dieser Redaktion. Wir begeben uns zusammen mit ihm auf Spurensuche in dem historischen Gebäude.
Doch zunächst ein Blick zurück: Die historischen Belege zu diesem Anwesen muss man sich zusammensuchen. Auf einem Stadtplan Kissingens von 1745 ist das Gebäude mit Innenhof in seinem heutigen Umriss bereits erkennbar. Ab 1820 sollen dort eine Bäckerei und eine Speisegaststätte beheimatet gewesen sein.
Integriert war eine vielbesuchte Heckenwirtschaft, in der selbst angebauter Wein verkostet werden konnte. Damals hatte Kissingen 1100 Einwohner. Es war die Zeit, als Badebetrieb und die Trinkkur in der Kurstadt gerade an die Gebrüder Bolzano verpachtet worden waren (1824).
Als der königlich-bayerische Hoflieferant Karch das Haus übernahm
Im Jahr 1860 ging das Haus an den königlich-bayerischen Hoflieferanten Carl Karch über. Auf Postkarten, die noch um 1908 im Umlauf waren, ist belegt, dass Karch in seiner Weinstube damals auch 20 Fremdenzimmer unterhielt.
Der Kern des heutigen Anwesens mit Satteldach und Volutengiebel stammt, nach historischen Unterlagen, aus dem Jahr 1888. Zwischenzeitlich war Kissingen im Jahr 1883 zum Bad erhoben worden. 1898 soll dann der Kissinger Architekt Carl Krampf, nach dessen Plänen damals gerade die russische Kirche gebaut wurde, vom Hofbäcker und Gastwirt Carl Karch den Auftrag erhalten haben, das Gasthaus mit angeschlossener Bäckerei im Stil der Neu-Renaissance baulich aufzuwerten.
Damals wurde auch das Dachgeschoss ausgebaut und der Fachwerk-Erker mit dem Spitzhelm angefügt. Alte Postkarten zeigen noch um 1955 das Gasthaus mit der Aufschrift "Karch’s Weinstube". Da war schräg gegenüber am Marktplatz bereits die Bayerische Hypotheken- und Wechselbank eingezogen. Damals hatte die Weinstube jedoch mit der Brauerei Werner aus Poppenhausen bereits einen neuen Besitzer (seit 1954).
Die Bad Kissinger Familie Rößner pachtete die Gaststätte ab 1972
1972 pachtete dann die Bad Kissinger Familie Rößner die Gaststätte und bewirtschaftete sie 38 Jahre lang. Von den Eltern übernahmen später, im Jahr 1994, Peter Rößner und sein Bruder den Wirtsbetrieb. Die "Werner Bräu" zählte also auch in der neueren Zeit fast vier Jahrzehnte lang zu den sehr gut gehenden Gaststätten der Kurstadt.
2010 wurde der Betrieb geschlossen. Die Werner Bräu Immobilien GmbH wollte das Anwesen nämlich verkaufen. Pächter Peter Rößner hatte zunächst mit dem Kauf geliebäugelt, sich dann jedoch dagegen entschieden. Wie er damals im Gespräch mit dieser Redaktion sagte, sei ihm klar gewesen, dass das Haus erhalten werden muss und der Denkmalschutz seinen Tribut fordern würde.
Großes Erstaunen über den gut erhaltenen Gewölbekeller
Dieser Aufgabe, das historische Gebäude zu erhalten, hat sich in der Folge Ahmad Khonsari angenommen. Wie umfangreich dieses Vorhaben ist, wird klar, wenn man das Haus zusammen mit dem Besitzer durchstreift. Es gab früher zur Weinstube im Erdgeschoss mehrere Eingänge, die noch erhalten sind. Im Inneren stößt man auf einen historischen Treppen-Aufgang, dessen Stufen offenbar gerade hergerichtet werden.
Im Keller kommt man ins Staunen über ein großes, gut erhaltenes Gewölbe - laut Khonsari vermutlich der Raum, in dem anno dazumal die Weinfässer kühl gelagert wurden. Khonsari weist darauf hin, dass die Kanäle im Untergrund, im Benehmen mit der Stadt Bad Kissingen, 2015 erneuert wurden. Ein Durchgang am Gewölbe soll noch Reste der alten Kissinger Stadtmauer enthalten.
Im Obergeschoss des Hauses befanden sich die Wohnräume des Hoflieferanten
Draußen vor dem Eingang zeigt Khonsari stolz auf ein historisches Wirtshausschild mit der Jahreszahl 1791. Unweit weg steht das gusseiserne Nasenschild der "Werner Bräu". Im Obergeschoss, dem einstigen Wohnbereich Carl Karchs, geht’s vorbei an zahlreichen Objekten, die wohl einst zur Werner Bräu gehörten: Stühle und Tische sind neben Bildern und anderem Zubehör gestapelt.
Die alten Lampen hängen noch von der mit Holzbalken durchzogenen Decke. Wegwerfen könne er das alles noch nicht, sagt Khonsari. Man müsse erst noch sortieren, was bleiben kann. Dann wird der Blick frei in einen Abstellraum. Am Eingang des selben fällt dickes Mauerwerk ins Auge -offenbar ein Rest der ehemaligen Natursteinwand des Hauses.
Stolz ist der Besitzer auch auf einen anderen Raum im Obergeschoss, in dem man eine aufwändige halbhohe Wandvertäfelung vorfindet. Dort soll sich Carl Karchs Schlafzimmer befunden haben. Nobel ist die Decke mit aufgesetzten Balken. In diesem Raum hat sich Khonsari ein Büro eingerichtet. Der Schreibtisch steht neben einem kleinen Treppenaufgang, dessen Handlauf mit für die damalige Zeit luxuriösen gedrechselten und geschnitzten Motiven geschmückt ist.
Die bunte Glasfenster sind sehenswert
Den Blick auf sich ziehen freilich in mehreren Räumen die bunt verglasten Fenster. Und dann ist da noch der kleine Erker. Es geistert die Geschichte, dass Menzel öfter in diesem Türmchen gesessen und gezeichnet haben soll. Das ist eher unwahrscheinlich, denn im Obergeschoss hatte die Weinstube keine Gasträume. Zudem wurde der Erker erst um 1898 angebaut.
Da hatte Menzel die meisten seiner Kissinger Gemälde und Skizzen bereits gefertigt, wie zum Beispiel die "Brunnenpromenade in Kissingen" (1890) oder das "Frühstücksbüffet der Feinbäckerei in Bad Kissingen" (1893). Nach 1898 soll er auch nicht mehr oft in Bad Kissingen gewesen sein – das letzte Mal 1904. Das war ein Jahr vor seinem Tod.