Sieben Leerstände in der Innenstadt versuchte man vonseiten der Stadt Bad Kissingen in den vergangenen zwei Jahren mit Pop-up-Stores neu zu beleben. Ein weiteres leerstehendes Ladenlokal könnte noch reaktiviert werden, heißt es vonseiten des Rathauses. Hat es sich also für die Stadt gelohnt, den bayerischen Sonderfonds "Innenstädte beleben" anzuzapfen, der 2021 im Zug der Corona-Pandemie eingerichtet wurde? Wir fragten nach.
Die neuen Pop-up-Stores sind ganz unterschiedlicher Natur. Vom Speiselokal über ein Fotostudio bis hin zu einem Geschäft für ökologische Möbel ist alles dabei. Als erstes Geschäft mietete "Antiques & Decoratives", bereits seit 2020 in der Kirchgasse ansässig, unter den angebotenen Förderkonditionen (vergünstigte Miete) im Oktober 2022 in unmittelbarer Nachbarschaft ein zweites Ladenlokal an.
Gewisse Sicherheit beim Neustart
Die Stadt auf diese Art und Weise wirtschaftlich zu beleben hält Gaby Paul, Inhaberin des Antiquitätengeschäfts, für eine sehr gute Idee. Sie und ihr Lebensgefährte, der auch Möbel restauriert, hätten sich sonst den zweiten Laden nicht leisten können. Denn man müsse ja erst mal wissen, ob die Sache anläuft. Im Oktober 2023 habe sie den Mietvertrag um ein halbes Jahr verlängert. "Wir wollen versuchen, das zweite Geschäft zu behalten."
Die Zeiträume, in denen Interessentinnen und Interessenten Ladenlokale zu geförderten Mietkonditionen beziehen, sind individuell unterschiedlich und reichen von zwei bis 18 Monaten, schreibt die Stadt in einer Pressemitteilung. So betrieb zum Beispiel die Bad Kissinger Künstlergruppe Art 97688 ab April 2023 in der Oberen Marktstraße eine Galerie. Seinerzeit hatte die Künstlergruppe gleich klar gemacht, dass sie das Ladenlokal nur für ein paar Monate belegen will.
Ab Juli 2023 mietete das Möbelgeschäft Acara Silva (Standort Augsburg) ein Ladenlokal in der Ludwigstraße an. "Es war als kurzes Projekt gedacht, wir haben dann bis Weihnachten 2023 verlängert", sagt Firmenchef Thomas Wagner auf Anfrage dieser Redaktion. Er und sein Team seien dabei, verschiedene Großstädte als neue Standorte zu testen.
Mit Bad Kissingen habe die Firma auch mal einen Standort in einer kleineren Stadt ausprobiert. Er sei über das Einzugsgebiet der Kunden erstaunt gewesen, die teilweise aus Berlin oder Hamburg kamen. "Unsere Erwartungshaltung musste aber niedrig sein", sagt der Firmengründer. Denn die Bevölkerung sei in diesen Zeiten in einer Art "Schockstarre". Wagner: "Überall ist ein Wehklagen auf hohem Niveau zu hören."
Das Pop-up-Konzept diene zur wirtschaftlichen Belebung. "Es ist der richtige Weg", zieht Wagner für seine Firma Bilanz. Die Stadt habe so die Möglichkeit, sich neu zu zeigen. Insgesamt hätten er und sein Team eine außerordentlich freundliche Atmosphäre gespürt.
Im August 2023 richtete sich Yvonne M. James in der Ludwigstraße ihr Fotostudio ein, das sie zunächst bis März 2024 betreiben will. "Man muss schauen, wie es dann weitergeht", sagt sie mit Blick auf die Zukunft. Denn schließlich hat sie sich im vergangenen Jahr richtig was getraut: "Ich hab jetzt mein Hobby zum Beruf gemacht", sagt die gelernte Bankkauffrau.
Stadt trug Eigenanteil zur Förderung bei
Neben ihrer Arbeit in einem Bankinstitut hatte sie nämlich 13 Jahre lang ein Fotostudio am Sinnberg in Bad Kissingen als Kleinunternehmen betrieben. "Die Leute finden den Laden toll", freut sich James. Dass sie das Ladenlokal mittels Förderung zunächst eine Zeitlang testen kann, sei eine sehr gute Sache.
Die Stadt Bad Kissingen hatte sich 2021 erfolgreich für das bayerische Förderprogramm beworben und eine Förderzusage über 60.000 Euro erhalten. Wie bei Förderprogrammen üblich, musste die Stadt einen Eigenanteil leisten. Das waren in diesem Fall 15.000 Euro, so dass insgesamt 75.000 Euro zur Verfügung standen.
Hoffnung auf privatwirtschaftlichen Vertragsabschluss
Die Städte und Gemeinden sollten darin unterstützt werden, den Folgen, die die Pandemie in der Geschäftswelt hinterließ, etwas entgegenzusetzen, hieß es damals. Inzwischen wurde das Programm bis 2025 verlängert, heißt es aus dem Rathaus. So könnten die jeweiligen Betriebe "maximal profitieren". Im günstigsten Fall schlössen sie vielleicht sogar einen privatwirtschaftlichen Vertrag mit den Hauseigentümern ab.
Darauf wird es zum Beispiel im Fall der Moon Sushi-Bar in der Oberen Marktstraße hinauslaufen, deutet Betreiber Anh Tu Pham im Gespräch mit dieser Redaktion an. Anfang Juni 2023 hatten er und sein Geschäftspartner Duong Quang Minh das Lokal zunächst für zwölf Monate unter Förderkonditionen angemietet. Dieser Zeitraum gebe für den Anfang erst mal eine gewisse Sicherheit, sagt Anh Tu Pham.
Dann sei das Lokal prima angenommen worden. "Wir hatten gleich ein gutes Gefühl." Schließlich haben beide noch ein Restaurant in Bad Neustadt. Viele Kundinnen und Kunden seien regelmäßig aus Bad Kissingen nach Bad Neustadt gekommen, sagt Anh Tu Pham. "Wir mussten also keinen Namen aufbauen hier." Die beiden Inhaber haben inzwischen auch groß in die Einrichtung ihres Speiselokals investiert. Für sie ist klar, dass sie über den Förderzeitraum hinaus in Bad Kissingen bleiben werden, so der Inhaber weiter.
Falls das Geschäft im Frühjahr/Sommer 2024 wieder besser läuft, wollen auch Bernhard und Sonja Betian den Cosimo Baby & Kids Shop in der Spargasse über die bisher beantragten zwölf Monate hinaus betreiben. Sie haben das Geschäft im August 2023 übernommen.
Im Winter fehlen in der Kurstadt die Touristen
Zunächst sei alles gut angelaufen, doch im Winter fehlten die Touristen und so kamen wenig Kunden, sagt Sonja Betian im Gespräch mit dieser Redaktion. Sie und ihr Mann hatten zuvor ein Geschäft in Schweinfurt und sind darüber hinaus im Onlinehandel sehr aktiv. Jetzt wollen sie in der Kurstadt mit einem Vollsortiment für Kindersachen und Spielzeug noch einmal neu durchstarten. "Wenn’s im Sommer wieder besser läuft, dann verlängern wir."
In Bad Kissingen bleiben möchte auch Christina Engel (Bastheim) mit ihrem Geschäft für Ballon-Deko und Party-Artikel in der Martin-Luther-Straße (Ballon Engel), das sie im August 2023 eröffnete. Auch sie weiß inzwischen, dass im Winter in der Kurstadt in Sachen Verkauf "tote Hose" ist.
Daher hofft die gebürtige Coburgerin nun auf die Sommersaison, wenn mehr Touristen da sind. Die Idee der Pop-up-Stores findet sie prima. Generell sieht sie die Zukunft ihres Geschäfts positiv, "aber es muss dann laufen".
Die letzten Verträge laufen im Juni 2025 aus, erst dann könne man Bilanz ziehen, sagt Wirtschaftsförderer Sebastian M. Bünner im Gespräch mit dieser Redaktion. "Es hat sehr viel Spaß gemacht und es hat für die Innenstadt etwas gebracht", zieht er ein erstes Resümee zum Sonderfonds. OB Dirk Vogel und ihm sei es stets ein Anliegen, mögliche Förderprogramme, die einen geringen finanziellen Anteil der Stadt erfordern, an Land zu ziehen.
Gastro-Betriebe anzusiedeln ist nicht leicht
Inzwischen liege der Stadt ein weiterer Förderantrag zu diesem Sonderfonds vor, sagt Bünner mit vorsichtigem Verweis darauf, dass sich möglicherweise ein weitere Gastro-Betrieb hier ein Standbein suchen könnte. Gastro-Betriebe in der Innenstadt anzusiedeln, ist nämlich nicht leicht, weiß der Wirtschaftsförderer.
Vermieterinnen und Vermieter befürchteten bei solchen Anfragen oft, dass sie stark in ihre Gebäude investieren müssen und andere Mieterinnen und Mieter im Haus sich dann vom regen Besuchsverkehr einer Gaststätte oder eines Bistros vielleicht gestört fühlen könnten. Bünner: "In diesem Fall heißt es also Daumen drücken."