
"Kunst geht fremd" – und das auch in diesem Sommer. Seit 2011 tauschen unterfränkische Museen untereinander spannende Objekte aus, um sie ihren Gästen in einem speziellen künstlerischen Kontext zu präsentieren. Die Idee dazu kam seinerzeit von Andrea Brandl, seit 2016 Leiterin der Kunsthalle Schweinfurt.
Das Museum Obere Saline (Bad Kissingen) macht seit 2014 mit. Die Aktion erfreut sich offensichtlich zunehmender Beliebtheit: Waren vor neun Jahren erst acht Museen mit von der Partie, so sind es inzwischen schon 19, sagte Museumsleiterin Annette Späth (Bad Kissingen) am 25. Juli bei der Auftaktveranstaltung im Bismarck-Museum.
Fünf Museen aus den beiden Rhön-Landkreisen dabei
2023 geht’s dabei auch um den "Zauber von Kunst". Die Exponate werden an ihrem Zielort in neue Zusammenhänge gestellt, sollen dort überraschen, weil sie neue Perspektiven bieten und sich interessante Querverbindungen herstellen lassen, sagte Sybille Kneuer, die als Projektmanagerin für die Vernetzung der beteiligten Museen sorgte. Die "Fremdgänger" sind nun über den Sommer hinaus bis zum 5. November an ihren Zielorten zu sehen.
Von den 19 teilnehmenden Museen sind vier aus dem Landkreis Bad Kissingen: Schloss Aschach, das Bismarck-Museum Bad Kissingen, das Terra Triassica in Euerdorf und das Henneberg-Museum Münnerstadt. Auch das Fränkische Freilandmuseum in Fladungen (Rhön-Grabfeld) mischt mit.
Mit dem Stereoskop entsteht im Gehirn eine optische Täuschung
Im Rahmen dieser Tauschaktion des unterfränkischen Museumsnetzwerks wanderte nun zum Beispiel ein Handstereoskop aus den 1920er Jahren von den Museen Schloss Aschach ins Fastnachtmuseum nach Kitzingen. Ende des 19. Jahrhunderts hielten Stereoskope mit Bildpaaren Einzug in die Schulen: Durch eine optische Täuschung entsteht im Gehirn der Eindruck von Räumlichkeit und Tiefe. Ausgangspunkt ist das Stereobildpaar. Beide Bilder, die das gleiche Motiv zeigen, werden beim Betrachten überlagert.

Dafür beherbergen die Aschacher einen Sommer lang einen sogenannten Kindbettzettel (Amulett für einen Jungen, 18. Jahrhundert) aus dem Jüdischen Kulturmuseum Veitshöchheim. Um die Geburt eines Kindes rankten sich einst viele Geschichten. So hatte man im jüdischen Kulturkreis Angst vor Lilith, der ersten Frau Adams, die nach dem Volksglauben neugeborene Kinder töten konnte. Amulette oder Kindbettzettel sollten vor dem Einfluss Liliths schützen.
Ein rubiniertes Brunnenglas wanderte nach Volkach
Ein Brunnenglas aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts lieh das Museum Obere Saline Bad Kissingen nach Volkach (Barockscheune) aus. Im 17. und 18. Jahrhundert hielt man ein mit Gold gefertigte Rubinglas für ein Material mit geheimnisvollen Kräften. Bis dann Friedrich Egermann um 1840 ein kostengünstigeres Verfahren entwickelte und rubinierte Gläser zur Massenware wurden.

Umgekehrt bekommen die Bad Kissinger für ein paar Monate einen zauberhaften Moriskentänzer aus dem Fastnachtmuseum Kitzingen zur Verfügung gestellt. Es handelt sich um eine Kopie von 1993 nach einem Original des seinerzeit berühmten Bildschnitzers Erasmus Grasser, der 1480 den Saal des Münchner Tanzhauses mit 16 solcher Tänzer an der Decke ausstattete.
Die Moriska war ein Bühnentanz mit vielen Verrenkungen und seltsamen Luftsprüngen, der sich im 15. Jahrhundert auch in Deutschland großer Beliebtheit erfreute.
Neben Fossilien sind nun Miniaturen-Porträts in Euerdorf zu bestaunen
Das Museum in Euerdorf stellt heuer den fossilen Abdruck eines Schachtelhalms und eines Farns aus dem Lettenkeuper (200 bis 230 Millionen Jahre alt) dem Museum am Dom in Würzburg zur Verfügung. Als Leihgabe beherbergen die Euerdorfer ein paar Monate lang Miniaturen-Porträts von August, Marie und Otto von Lütgendorff-Leinburg (19. Jahrhunderts) aus dem Kulturspeicher Würzburg.
Freiherr und Maler von Lütgendorff-Leinburg hielt seine Kinder nämlich in feinen Miniaturen fest. Im Zeitalter vor der Erfindung der Fotografie waren solche Bildnisse allgemein beliebt, und Lütgendorff verdiente als weit gereister Bildnismaler seinen Unterhalt.

Die Märchen-Illustration "Läuschen und Flöhchen" (mehrere Blätter, datiert zwischen 1930 und 1950) aus dem Museum Ebern ist nun vorübergehend im Henneberg-Museum Münnerstadt zu bestaunen. Sie stammt vom Eberner Künstler Adolf Vogel, der auch für die Gebrüder Grimm illustrierte.
Die Münnerstädter schickten diesmal Utensilien zur Aufbewahrung und Verarbeitung des Opiums auf die Reise nach Schweinfurt. Ergänzt wird die Leihgabe durch ein Herbarium-Blatt mit Schlafmohn aus der historischen Löwen-Apotheke des Henneberg-Museums (spätes 19. Jahrhundert).
Das Fränkische Freilandmuseum in Fladungen hat neuerdings einen Kerzenleuchter aus rot gefärbtem Holz aus dem Spessartmuseum in Lohr unter seinen Exponaten. Der Farbton entsteht, indem man dem noch lebenden Baum gefärbtes Wasser zuführt – ein Verfahren, das man um 1950 im Hafenlohrtal erfand. Die Fladunger schickten ihrerseits einen Gartenzwerg mit Ziehharmonika, der vor dem Zweiten Weltkrieg im thüringischen Gräfenroda entstand, ins Knauf-Museum nach Iphofen.