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Maria Bildhausen
Von Markus Lüpertz bis Angelika Summa und Linde Unrein: Wie ein Haus im Wald zum kleinen Kunstmekka wurde
Auf einem Gelände des ehemaligen Klosters Maria Bildhausen ist ein Kunstort entstanden, der Liebhaber aus der ganzen Region und darüber hinaus anzieht.
Eine 'Sinnkugel' von Angelika Summa auf dem Gelände des Golfclubs Maria Bildhausen. Für ein paar Wochen gehen gestutzte Natur und gebändigter Stahl  eine symbiotische Verbindung ein.
Foto: Mathias Wiedemann | Eine "Sinnkugel" von Angelika Summa auf dem Gelände des Golfclubs Maria Bildhausen. Für ein paar Wochen gehen gestutzte Natur und gebändigter Stahl eine symbiotische Verbindung ein.
Mathias Wiedemann
 |  aktualisiert: 22.09.2024 17:00 Uhr

Fast unbemerkt von der großen Öffentlichkeit ist in den vergangenen Jahren in den sanften Hügeln der Vorrhön ein kleines Mekka bildender Kunst entstanden. Entlang der Zufahrt und auf dem Gelände des Golfclubs Maria Bildhausen stoßen Besucherinnen und Besucher unvermittelt auf verblüffend harmonisch in die Landschaft eingefügte Großskulpturen.

Prominentester Schöpfer ist sicherlich Markus Lüpertz, von dem inzwischen sieben Arbeiten hier eine dauerhafte Bleibe gefunden haben – von "Leda" am Rande des Teichs bis "Beethoven", der mit vertrauter Grimmigkeit auf den Golfrasen blickt. Aber auch die spektakulär aufgebrochenen Ringe von Bernar Venet, der höchst lebendige Totholzhaufen von herman de vries, die gewundenen Stahlbänder von Kurt Grimm oder die eigentümlich bewegten Bronzegüsse nach Holzvorlagen von Beate Debus prägen das Gelände.

Skulptur in der ehemaligen Küche von Haus Nivard: 'Sphäre II' von Angelika Summa. Von links: Galerist und Kurator Thomas Pfarr, Linde Unrein, Angelika Summa.
Foto: Mathias Wiedemann | Skulptur in der ehemaligen Küche von Haus Nivard: "Sphäre II" von Angelika Summa. Von links: Galerist und Kurator Thomas Pfarr, Linde Unrein, Angelika Summa.

Linde Unrein arbeitet an der Auflösung physikalischer Gewissheiten

Derzeit sind zwei Arbeiten der Würzburger Bildhauerin Angelika Summa hinzugekommen, sie gehören zur neuen Ausstellung "Tourbillon – Nivard V" in einem der ehemaligen Klostergebäude, in Haus Nivard, einst Residenz Nivards, des letztens Abts des Klosters. Das große klassizistische Haus mit zwei geräumigen Stockwerken, einem doppelstöckigen Dachgeschoss und einem Keller steht übers Jahr leer, Thomas Pfarr, der in Münnerstadt die Galerie im Heimatspielhaus betreibt, bespielt es seit vier Jahren für ein paar Wochen im Herbst.

Was ist Wirklichkeit? Kann man sich ihr entziehen, ohne ins Bodenlose zu stürzen? 'Reality' von Linde Unrein.
Foto: Mathias Wiedemann | Was ist Wirklichkeit? Kann man sich ihr entziehen, ohne ins Bodenlose zu stürzen? "Reality" von Linde Unrein.

Pfarr ist es auch, der im Auftrag von Golfclubbesitzer, Sammler und Mäzen Rudolf Weigand die Plätze für die Großskulpturen bestimmt. Angelika Summas "Sinnkugel" hat er als Fortsetzung einer Reihe rund zugeschnittener Sträucher platziert. So gehen gestutzte Natur und gebändigter Stahl eine fast symbiotische Verbindung ein.

Drinnen, in Haus Nivard, hat Pfarr weitere Arbeiten Summas mit den Bildern der Schweinfurter Künstlerin Linde Unrein kombiniert. Der Titel "Tourbillon" (Wirbelwind) leuchtet auf Anhieb ein: Beide Künstlerinnen setzen sich mit dem ewigen Konflikt zwischen Chaos und Struktur auseinander. Oder vielmehr: mit der Frage, wie der Mensch mit seiner Sehnsucht nach Ordnung das Chaos der Welt überhaupt aushalten soll.

Das Ausstellungshaus setzt eigene Akzente: Haustelefon vor der Arbeit 'Ikarus 2' von Linde Unrein.
Foto: Mathias Wiedemann | Das Ausstellungshaus setzt eigene Akzente: Haustelefon vor der Arbeit "Ikarus 2" von Linde Unrein.

Während Angelika Summas Arbeiten, vor allem, wenn sie das Thema der Kugel umkreisen, scheinbar unweigerlich zu einer jeweils ganz eigenen Struktur und damit großer Harmonie finden, versucht Linde Unrein, die auch Fachärztin für Psychiatrie ist, in ihren Bildern genau das Gegenteil: "Ich kann mich dem Chaos nur preisgeben. Und ich nehme dieses Chaos nicht mehr trauernd wahr", sagt sie.

Angelika Summa legt immer wieder die Ordnung innerhalb des Chaos frei

So stürzen die Figuren etwa in "Ikarus 2" fast lustvoll in die Tiefe. Wobei nicht einmal das sicher ist: Linde Unrein arbeitet mit kraftvollem, kompromisslos plakativem Pinselstrich an der Abschaffung physikalischer und damit existenzieller Gewissheiten – das Leben als "Gepurzel", wie sie es nennt. Oben oder unten, vorne oder hinten, das sind Kategorien, von denen sie sich mehr und mehr löst. "Ich bilde nicht ab. Ich male eine Scheinfigürlichkeit."

Animalische Kraft: ein 'Plastron' von Angelika Summa im Keller von Haus Nivard.
Foto: Mathias Wiedemann | Animalische Kraft: ein "Plastron" von Angelika Summa im Keller von Haus Nivard.

Angelika Summa geht den entgegengesetzten Weg: "Ich empfinde die Welt als chaotisch. In meinen Arbeiten versuche ich, dieses Chaos zu fassen." Sie tut das in der Gewissheit, dass jedes Chaos eine Ordnung in sich trägt. Und diese Ordnung legt sie immer wieder aufs Neue frei. Sie entsteht während des Schaffensprozesses – ob das nun die Eleganz ihrer "Sphären" ist oder die animalische Kraft ihrer "Plastrone". Vielleicht sind ihre Arbeiten deshalb so bannend: Weil sie in all dem Chaos so etwas wie die Unausweichlichkeit von Schönheit und damit auch Sinn ausstrahlen.

Ausstellung "Tourbillon", Haus Nivard, Maria Bildhausen, am Rindhof 1: Arbeiten von Angelika Summa und Linde Unrein. Vernissage So., 22. September, 14 Uhr. Bis 20. Oktober. Geöffnet Di.-So., 14-17 Uhr. Am 13. Oktober, 14 Uhr, stellt Linde Unrein in der Kirche nebenan ihren ersten Roman "Arabeskenwerk, späte Bekenntnisse" vor. 

 
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