Es gab einmal eine Zeit, da wurden neue Mitglieder des Bad Kissinger Kurorchesters in der Zeitung vorgestellt. Eine neue Geigerin etwa, eine Flötistin oder ein Klarinettist. Heute sind solche Neueinstellungen "Personalangelegenheiten", zu denen die Staatsbad Bad Kissingen GmbH, Dienstherrin der Staatsbad Philharmonie, grundsätzlich keine Auskunft erteilt. Schade eigentlich.
Diese Reserviertheit mag verständlich sein, wenn man bedenkt, dass die vorletzte "Personalangelegenheit" des Ensembles einige Wellen schlug: Nach monatelangem, öffentlich ausgetragenem Arbeitskampf für bessere Arbeitsbedingungen wurde Anfang November Orchesterleiter Burkhard Tölke entlassen. Möglicherweise wird es zu einem Arbeitsgerichtsprozess kommen.
Zwei zuvor entlassene Musiker sitzen wieder mit auf der Bühne
Überraschend hatte sich die große Mehrheit des Ensembles gegen Tölke gestellt. Die Musikerinnen und Musiker entschuldigten sich öffentlich für die Protestaktionen. Man habe sich mit dem Arbeitgeber geeinigt, hieß es in einer offenbar mit der Stadt abgestimmten Verlautbarung: "Wir freuen uns riesig, dass dieses Dilemma endlich ein gutes Ende gefunden hat, und wir wieder ,fein' im Miteinander unserer Arbeitgeber sind."
Die jüngste Personalangelegenheit wiederum ist, der Schweigsamkeit der Staatsbad GmbH zum Trotz, für alle Gäste offensichtlich, die eines der Kurkonzerte besuchen: Die Flötistin Hazar Birkan und der Klarinettist Federico Kurtz de Griñó sitzen wieder mit auf der Bühne der berühmten Konzertmuschel in der Wandelhalle. Den beiden war im vergangenen Jahr noch während in ihrer Probezeit ohne Angabe von Gründen gekündigt worden. Ihre Wiedereinstellung war eine der Forderungen des Orchesters im Arbeitskampf gewesen.
Die beiden werden nun zwar wieder auf der Homepage der Stadt bei der Vorstellung der Orchestermitglieder mit aufgeführt und präsentiert, eine offizielle Bestätigung für ihre Wiedereinstellung gibt es aber nicht. Und auch sonst gibt man sich der Presse gegenüber eher zugeknöpft. Persönliche Gespräche, Interviews gar, sind nicht vorgesehen. Fragesteller werden an die Pressestelle der Staatsbad GmbH verwiesen, Anfragen ausschließlich schriftlich beantwortet. Das sei seit vielen Jahren bewährte Praxis, heißt es auf Nachfrage: "Erfahrungsgemäß hat sich diese schriftliche Korrespondenz zwischen Redaktion und uns stets als zielführend und effizient erwiesen."
Bei Presseanfragen: Statt einem erklärenden Gespräch nur ein trockener Schriftwechsel
Auf kommunaler Ebene ist diese Praxis zumindest unüblich, aus journalistischer Sicht ist sie nicht besonders "zielführend und effizient", lässt sich doch im Gespräch manches durch direktes Nachfragen schnell klären. Und so setzt der Versuch, ein Vierteljahr nach den drastischen Ereignissen ein Stimmungsbild von der Lage der Staatsbad Philharmonie zu zeichnen, zunächst einmal nur einen trockenen Schriftwechsel in Gang. Ein Auszug:
Frage der Redaktion: "Wie organisiert sich das Orchester neu?"
Antwort der Staatsbad GmbH: "Die Kollegenschaft der Musiker*innen insgesamt wird künftig das Orchester führen: In kollegialer Führungsarbeit und im Dialog auf Augenhöhe."
Frage der Redaktion: "Wie weit sind die Planungen für die Neuausrichtung gediehen und ab wann greifen programmatische Neuerungen?"
Antwort der Staatsbad GmbH: "Gerne verweisen wir Sie auf die angefügte Pressemitteilung vom 27. Januar."
Ab März soll es Themen-, Solisten- und Wunschkonzerte geben
Tatsächlich ist diese Pressemitteilung durchaus aussagekräftig: Ab März werde es "Themenkonzerte, Instrumentalsolist*innen-Konzerte sowie Wunschkonzerte" geben, heißt es darin. Und: "Interessierte erhalten damit die Möglichkeit, selbst am Konzertprogramm mitzuwirken." Entwickelt worden sei die Neugestaltung der Konzertstruktur von einer Arbeitsgruppe aus Vertreterinnen und Vertretern der Stadt und der Staatsbad GmbH.
Das macht neugierig auf den Neustart. Doch wie sortiert sich das Ensemble bis dahin? Wie sieht denn "kollegiale Führungsarbeit im Dialog auf Augenhöhe" aus? Nachdem es nicht möglich ist, mit den Beteiligten zu sprechen, besucht man sie am besten auf der Arbeit. Im Kurkonzert.
Im Orchester herrscht kollektive Verantwortung für alle Bereiche
Trompeter Reinhold Roth hatte schon in der turbulenten Mitgliederversammlung des Fördervereins Mitte Dezember überdeutlich durchblicken lassen, dass zumindest er nicht mit dem Kurs von Leiter Burghard Tölke einverstanden war: "Wir müssen nicht Sinfonien spielen ohne Ende. Dafür sind andere da. Wir sind ein Salonorchester", sagte Roth.
Und so betonte der Posaunist auch als Moderator im Kurkonzert am vergangenen Mittwoch vor mehr als 100 Besucherinnen und Besuchern mehrfach, dass man hier Salonmusik spiele.
"Ich bin begeistert von unserem Zusammenspiel. Wie aus einem Guss. Ein Salonorchester ohne Stehgeiger. Wir brauchen ihn nicht", so Roth auf der Bühne. Das Orchester habe keinen Leiter, es herrsche kollektive Verantwortung für alle Bereiche, von den Instrumenten über das Programm bis zum Management. "Es ist fast Science-Fiction, aber es funktioniert. Und wir behalten es bei, weil es so wunderbar funktioniert."
Paukenschlag in verschwörerischer Eintracht
Musikalisch jedenfalls ist am Zustand der Staatsbad Philharmonie nichts auszusetzen. Im Gegenteil: Das Ensemble spielt engagiert und mit sichtlichem und hörbarem Vergnügen, schwelgt in süffigen Melodien eines "Nachmittags in Nymphenburg" oder einer "Mondnacht auf der Alster". Und es zelebriert in verschwörerischer Eintracht im Medley "Haydns Himmelsgrüße" den berühmten Paukenschlag.
Wie hilflose Opfer, die man vor aufdringlichen Presseanfragen schützen muss, wirken diese fröhlichen, mit viel Beifall bedachten Musikerinnen und Musiker jedenfalls nicht.
In einer früheren Version dieses Artikels wurde Reinhold Roth als Posaunist bezeichnet. Das war ein Irrtum des Autors: Reinhold Roth ist natürlich Trompeter. Wir haben die Stelle korrigiert und bitten, den Fehler zu entschuldigen.
Hatte man deshalb nicht aus dem soliden Kurorchester eine "Staatsbad Philharmonie" gemacht.
Momentan läuft alles in die richtige Richtung. Auch ohne Querulanten 😜