Die Staatsbad GmbH Bad Kissingen hat dem Orchesterleiter Burghard Tölke gekündigt: Das meldete der Förderverein der Staatsbad Philharmonie in einem Rundschreiben an seine Mitglieder. Die GmbH, Dienstherrin des Orchesters, dementierte am Freitag den Vorgang nicht, wollte sich auf Anfrage dieser Redaktion aber nicht weiter äußern. Sie teilte nur mit: "Die Gesellschafter haben eine Neuausrichtung des Orchesters beschlossen. Bei der angefragten Personalie handelt es sich um eine schwebende Personalangelegenheit, zu der wir keine Auskunft erteilen. Zu gegebener Zeit werden wir uns dazu äußern."
Auch Burghard Tölke selbst wollte sich auf Anfrage nicht äußern.
Nach Monaten des Arbeitskampfs um bessere Arbeitsbedingungen, der eine Welle der Solidarität von vielen anderen deutschen Orchestern auslöste, hatte sich vor einer Woche völlig überraschend die große Mehrheit des derzeit zehnköpfigen Ensembles gegen ihren Leiter gestellt. Musikerinnen und Musiker entschuldigten sich öffentlich für die Protestaktionen. Sie seien nur auf Tölkes Anordnung geschehen, mit dem Arbeitgeber habe man sich geeinigt. In einer offenbar mit der Stadt abgestimmten Verlautbarung hieß es von Seiten der Musiker: "Wir freuen uns riesig, dass dieses Dilemma endlich ein gutes Ende gefunden hat, und wir wieder ,fein' im Miteinander unserer Arbeitgeber sind."
Vereinsvorsitzender glaubt nicht, dass die Aktionen nur "auf Anweisung" stattfanden
Dass die Protestaktionen immer nur auf Anweisung des Dirigenten stattgefunden haben sollen, will nicht nur Kurt Rieder, Vorsitzender des Fördervereins, nicht so recht glauben. Im Rundbrief schreibt er jetzt: "Dem Vorstand des Fördervereins wurde von allen Orchestermitgliedern immer wieder versichert, man strebe nur einen Tarifvertrag mit der DOV an. Man hat uns auch immer wieder für unsere Unterstützung dafür gedankt. Dass 8 Mitglieder des Orchesters einen Vertrag unterschrieben haben, erfuhren wir erst am 30. Oktober durch Saale-Zeitung und Main-Post. Wir wissen bis dato nichts über Art und Inhalt des Vertrags."
Auch Klaus Stebani, stellvertretender Vorsitzender des Fördervereins, sagt: "Die Musiker haben Burghard Tölke vor ihren Karren gespannt. Der hat das alles ja nicht für sich getan. Und dann sind sie ihm in den Rücken gefallen." Stebani ist sauer über den gesamten Ablauf des Konflikts. "Wir wurden total außen vor gelassen und haben keinerlei Wertschätzung für die Arbeit erfahren, die wir seit neun Jahren leisten."
Förderverein will Geige zurückfordern, die dem Orchester gestiftet werden sollte
Als der Vereinsvorstand nach der Entlassung von zwei Orchestermitgliedern das Gespräch mit der Stadt gesucht habe, haben man ihn total auflaufen lassen, sagt Stebani: "Wir sind rausgegangen wie die Deppen." Dabei habe der Verein mit derzeit 240 Mitgliedern aus ganz Deutschland in den neun Jahren seines Bestehens an die 60 000 Euro für das Orchester aufgebracht und damit auch Instrumente gestiftet.
Nun aber werde man unter anderem eine Geige zurückfordern, die zwar bereits im Gebrauch des Orchesters, aber noch im Besitz des Vereins sei. In einem Kommentar zu einem Bericht dieser Redaktion über die Ereignisse kündigte eine Autorin an, ein von ihr gestiftetes Cello zurückverlangen zu wollen. Inzwischen, sagt Stebani, seien auch Sponsoren abgesprungen, deren Engagement an gemeinsame Projekte mit dem Orchesterleiter geknüpft war, etwa CD-Aufnahmen.
Befürchtung: Im Förderverein könnte es zu Auflösungserscheinungen kommen
"Meine erste Reaktion war, ich werde nichts mehr für den Verein tun und auch nicht mehr für ein Amt antreten", so der stellvertretende Vorsitzende am Freitag. Im Dezember steht eine Mitgliederversammlung mit Neuwahl des Vorstandes an. Nach Einschätzung Stebanis könnte es dann zu Auflösungserscheinungen kommen: "Der Oberbürgermeister hat ja klargemacht, was er vom Orchester erwartet. Es soll die Trinkkur begleiten. Da könnte er dann gleich einen Mann mit Schifferklavier hinsetzen. Wozu braucht es dann noch einen Förderverein?"
Seit 20 Jahren lebt Klaus Stebani in Bad Kissingen, ebenso lange ist er Besucher der Kurkonzerte. "In dieser Zeit ist die Qualität immer weiter gesteigert worden. Und unter Burghard Tölke war sie Spitze", sagt der Förderer. Und: "Über das, was jetzt passiert ist, kann man nur den Kopf schütteln."
Ein Orchester steht und fällt mit dem Leiter. Gute Musiker finden sich leichter als einen engagierten Orchesterleiter. Herrn Tölke zu kündigen, ist in meinen Augen ein derart großer Fehler, gerade auch, da Bad Kissingen jetzt Weltkulturerbe ist.
Ich bedauere diese Kündigung sehr und werde nicht mehr nach Bad Kissingen fahren.
Ein neues Orchester darf sich hoffentlich bald auf einen hervorragenden Leiter, Dirigenten und Geiger freuen.
Wie die Orchestermitglieder ihrem Chef in den Rücken gefallen sind, halte ich aber auch nicht für richtig.
Danke für die grossartige Arbeit.
Man kann das doch auf andere Betriebe übertragen:
Jemand setzt sich für die Belange seines Bereichs ein, mit legitimen Mitteln. Nicht nur alle Mitglieder unterstützen ihn dabei, sondern auch die eigentlich zuständige Gewerkschaft. Es gibt auch Unterstützung von vielen anderen Orchestern, deren Mitglieder extra zu einer Solidaritätskundgebung anreisen.
Und plötzlich fallen einem die eigenen Leute in den Rücken (jeder denkt da halt nur an sich und die individuell bekommenen Bedingungen). Und dann wird man auch noch gekündigt.
Nicht nur als Musiker, sondern auch als sozial eingestellter Mensch sage ich da nur:
Pfui Deubel!!!
Es war nicht legitim was Herr Tölke gemacht hat. Er wollte wohl gerne zum großen Sieger aufblühen. So wie es ist, ist es besser für alle.
Hier werden zwei Sachverhalte vermischt:
Die künstlerische Ausrichtung des Orchesters, das fachliche Ver-/Unvermögen (je nach Sichtweise) von Herrn Tölke einerseits und sein Einsatz für einen Tarifvertrag, Einschalten der Gewerkschaft andererseits.
Letzteres ist nicht nur einfach ganz normal in Deutschland, siehe z.B. Arbeitskampfmaßnahmen beim Abschluss von Tarifverträgen in sämtlichen Schweinfurter Großbetrieben oder den jüngst erfolgten Streiks im Öffentlichen Nahverkehr (Lokführer). Nein, in unserem Rechtsstaat ist das sogar durch das Grundgesetz und der daraus folgenden Rechtssprechung besonders geschützt: Art. 9 (3).
Ob das dem Arbeitgeber schmeckt (anscheinend nicht), ist dabei (Gott sei Dank!) vollkommen irrelevant.