Das Begrüßungskomitee ist so pelzig wie niedlich, so neugierig wie flink. Und ist man ehrlich, völlig fehl am Platz: Die beiden Eichhörnchen, die Gäste gleich in Luisa Rupperts Hausflur in Haard in Empfang nehmen, gehören freilich in die Wildnis. Dorthin möchte Ruppert sie möglichst schnell auch wieder entlassen.
Die 30-Jährige kümmert sich in privater Initiative um verletzte oder verwaiste Wildtiere und bereitet sie auf ein Leben in ihrem natürlichen Lebensraum vor. "Ich möchte den Tieren eine zweite Chance geben", sagt Ruppert. Sie nennt sich selbst die "Viechertante" und kümmert sich als solche zum Beispiel um Vögel, Feldhasen, Igel oder eben Eichhörnchen.
Tierlieb war sie immer schon, erzählt die junge Frau. "Ich bin mit Tieren aufgewachsen, am Anfang waren es natürlich Haustiere. Hunde, Katzen, Hasen, Mäuse, Ratten, Hamster - es gibt fast nichts, was wir nicht irgendwann mal hatten", erinnert sie sich an ihre Kindheit in Bad Kissingen.
Später habe sie dort in einem kleinen Zoo-Fachgeschäft gearbeitet. "Dort habe ich viel gelernt, weil da teilweise auch Eichhörnchen aufgezogen wurden." Den Laden in der Erhardstraße gibt es heute nicht mehr. "Fressnapf sei Dank", sagt Erhard mit Blick auf den Giganten für Tierbedarf.
Die medizinische Versorgung von Wildtieren ist eine andere als bei Haustieren
Für Tiere hat Ruppert sich auch später weiterhin eingesetzt. Lange war sie in der Taubenhilfe aktiv, erzählt sie. "Da bin ich 2020 wieder reingerutscht durch den Lockdown. Für die Stadttauben war das dramatisch, vor allem auch in Schweinfurt. Die Tiere haben keine Nahrung mehr gefunden und sind quasi vom Himmel gefallen."
Danach habe sie sich entschieden, sich neben ihrem Mann und ihrer kleinen Tochter ganz der Wildtierhilfe zu widmen. "Ich habe angefangen, Seminare zu machen, mich online weiterzubilden und Bücher zu lesen." Es gebe viele Dinge, die man im Umgang mit Wildtieren wissen muss. "Der rechtliche Hintergrund ist wichtig, vor allem aber die medizinische Versorgung", so Ruppert.
Im Landkreis Bad Kissingen gebe es keinen wildtierkundigen Tierarzt. Dabei brauchen diese Tiere eine ganz andere Versorgung als Haustiere, erklärt Ruppert. Gut gemeinte, aber falsche Behandlung ende nicht selten tödlich für die Tiere, so die 30-Jährige.
Und weil Wildtiere durch schwindenden Lebensraum auch immer häufiger in urbane Gebiete kommen, würden auch mehr verletzte Tiere gefunden werden, sagt sie.
Luisa Ruppert finanziert ihre Wildtierhilfe selbst und durch Sachspenden
Sie hat einen Fulltime-Job, den ihr niemand bezahlt, meint Ruppert. Die Pflege der verletzten Tiere fresse Zeit und Geld gleichermaßen. In ihrem Haus in Haard bringt sie parallel maximal vier oder fünf Feldhasen und vielleicht zwei, drei Eichhörnchen unter, erklärt sie. Dazu kämen einige Igel und verletzte Vögel - da waren es zeitgleich schon bis zu 30. Wie das funktioniert? "Ich bezahle nahezu alles aus eigener Tasche." Natürlich sei das ein Drauflege-Geschäft, verbunden mit viel Idealismus.
"Gott sei Dank kriege ich einiges an Sachspenden", so Ruppert. Das gebe ihr überhaupt erst die Möglichkeit, ihre Kapazität zu erweitern. Im Frühjahr steht für sie, ihre Familie und ihre Pflegetiere der Umzug nach Garitz an - aus Platzgründen. Dort bezieht sie ein Haus mit Nebengebäude, das ganz den Tieren gehören soll. "Das ist schon alleine wegen der natürlichen Geruchsentwicklung wichtig", sagt sie und lächelt. "Igel zum Beispiel stinken."
Das verzeiht Luisa Ruppert ihren stacheligen Gästen gerne. Bevor sie diese oder andere Tiere in die Freiheit entlässt, erfolgt ein recht individuelles Prozedere, erklärt sie, je nach Art: "Feldhasen kann man quasi einfach freisetzen. Man muss aber natürlich vorher schauen, wo man sie rauslässt. Gibt es dort schon eine Population? Wo werden sie bejagt, wo nicht?" Andere Arten finden stufenweise in die Freiheit zurück, meist über ein Auswilderungsgehege im Freien.
Das Schicksal der Tiere in freier Wildbahn bleibt für Luisa Ruppert ungewiss
Ist ein Tier einmal zurück in seinem natürlichen Lebensraum, sieht seine Kurzzeit-Pflegemutter es meist nie wieder. Tut das nicht weh? "Natürlich hat man eine emotionale Bindung zu den Tieren, die braucht es auch", sagt Ruppert. Aber im Fokus stehe immer die Auswilderung. "Ziel ist es ja, die Tiere wildbahntauglich zu entlassen, um den Artenerhalt zu sichern. Es ist das schönste Gefühl, wenn man zum Beispiel einen Feldhasen freilässt und weiß, dass sich der Stress auch für das Tier gelohnt hat."
Das Schicksal ihrer früheren Gäste bleibt für Luisa Ruppert dennoch offen. "Was die Tiere draußen machen, kann ich nicht beeinflussen. Aber der Grundstein für eine zweite Chance ist gelegt, und das ist einfach das, was reicht."