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Retzbach
Die Betreiber der Igelstation Retzbach appellieren: "Habt mehr Mut zur Unordnung im Garten!"
Patricia Behr und Reinhard Fritz pflegen in ihrem Zuhause verletzte oder kranke Igel. Die Einrichtung ist einzigartig in der Region. Welchen Einfluss der Klimawandel auf ihre Arbeit hat.
Das Schild weist darauf hin: Hier geht es zu Igelstation in Retzbach.
Foto: Celine Seeger | Das Schild weist darauf hin: Hier geht es zu Igelstation in Retzbach.
Celine Seeger
 |  aktualisiert: 10.05.2023 09:34 Uhr

Ein gewöhnliches Haus in der Wohnsiedlung in Retzbach. Fast wie jedes andere, nur zwei Dinge stechen heraus: Der naturbelassene, ungemähte Garten und das weiße kleine Schild neben der Klingel. "Igelstation" ist darauf zu lesen – und gleich daneben "Fritz/Behr".

Bereits seit 2009 führen Patricia Behr und Reinhard Fritz die Igelstation in Retzbach und kümmern sich dabei um Jungtiere, verletzte oder erkrankte Igel. Seit einigen Jahren sind sie neben einer Einrichtung in Schweinfurt die einzige Igelstation im Umkreis.

Welchen Einfluss der Klimawandel auf Igel hat

Vor allem der milde Winter und die Trockenheit im Sommer würden den normalen Alltag der Igel stören, sagt Behr. Aufgrund der warmen Temperaturen würden die Tiere mitten in ihrem Winterschlaf aufwachen. Das sei nicht nur anstrengend für die Igel, sondern auch gefährlich, wie Reinhard Fritz betont. Häufig würden die Tiere keine richtige Nahrung finden – etwa Insekten – und dann Schnecken oder Regenwürmer fressen. Diese seien aber häufig mit Parasiten befallen, wodurch die Igel erkranken. Nicht selten landen diese Tiere dann in Retzbach und werden so lange gepflegt, bis sie wieder fit sind.

Die Igelstation ist ein zeitaufwendiges Ehrenamt. Denn Patricia Behr und Reinhard Fritz sind zusätzlich auch in Vollzeit berufstätig. Sie versuchen aber immer weiterzuhelfen, wenn jemand einen kranken oder verletzen Igel findet. Zunächst unterstützen sie dann per Telefon – sehr oft klappt das auch: "Es gibt viele Leute, die sich sehr engagieren. Die anrufen und nachfragen und sogar die Tiere zufüttern", sagt Patricia Behr.

Die Igel benötigen alle zwei Stunden Nahrung

Wenn die Telefonberatung nicht ausreicht, dann helfen die beiden in der Igelstation aus. Die geschäftigste Zeit ist der Spätsommer. Dann kommen die Jungtiere zur Welt und müssen gefüttert werden. Nicht selten werden die Igelbabys zu Findelkindern. Patricia Behr berichtet unter anderem von einem Fall, in dem ein Komposthaufen mit einer Mistgabel zerstochen wurde. Dabei wurde das Muttertier tödlich verletzt: "Wir haben die fünf kleinen Igel-Jungtiere dann gefüttert und zum Glück auch alle durchgebracht."

Dieser Igel wird in der Igelstation in Zellingen-Retzbach aufgepäppelt. 
Foto: Celine Seeger | Dieser Igel wird in der Igelstation in Zellingen-Retzbach aufgepäppelt. 

Diese Pflege ist besonders zeitaufwendig, da die Tiere alle zwei Stunden Nahrung benötigen. "Zur Sommerzeit nehmen wir uns deshalb auch immer Urlaub", so Behr. Im letzten Jahr jedoch sei gar keine Ruhe eingekehrt in der Igelstation. Das liege zum einen daran, dass Retzbach seit einiger Zeit die einzige Igelstation im Umkreis ist. Zum anderen aber auch daran, dass die Bedingungen für die Igel immer schwieriger werden. Die trockenen Sommer und milden Winter bereiten den Tieren große Probleme.

So anstrengend die Pflege der Igel auch ist, Patricia Behr empfindet dabei große Freude: "Die Erfolgsquote gibt uns Bestätigung. Wir bringen gut Dreiviertel der Tiere wirklich durch, das bekräftigt uns in dem, was wir tun."

Igel werden von Mährobotern, Rattengift oder Mäusefallen schwer verletzt

Die meisten Verletzungen der Tiere könnten jedoch verhindert werden. Häufig kämen Igel in die Igelstation, die durch Mähroboter, Tellersensen, Rattengift oder sogar Mäusefallen schwer verletzt wurden. "So etwas kann man vermeiden, wenn man darauf achtet, wo sich Igel aufhalten."

Besonders gerne leben sie in Komposthaufen, sie bauen ihre Nester unter Europaletten oder im Holzstapel. Deshalb, so Behr, am besten im Sommer kein Brennholz versetzen. Denn dort befinden sich oft Igel mit ihren Jungtieren. Falls man diese findet, dann empfiehlt die Igel-Expertin, sie einfach der "Natur zu überlassen". Hat das Muttertier nämlich Stress, verlässt es die Igel-Babys.

Wie sich Igel im eigenen Garten wohl fühlen

Der Natur überlassen – das sollte auch mit Vorgärten passieren, wenn es nach Reinhard Fritz geht. Denn die oftmals sterilen Gärten böten keinerlei Nahrung für die Tiere. Ein bisschen "Mut zur Unordnung" würde vielen Igeln weiterhelfen. Dabei helfe schon ein bisschen Laub oder ein Komposthaufen, um mehr Nahrung für die Tiere zu bieten. 

Wolle man an der Basis anfangen, brauche es aber ein grundlegendes Bewusstsein für die Bedürfnisse und den Lebensraum. Damit wäre schon einigen Tieren aus der Igelstation in Retzbach geholfen.

Kontakt zur Igelstation: Patricia Behr und Reinhard Fritz, Tel.: (09364) 3823 oder (0160)7364732; E-Mail-Adresse: rein.fritz@t-online.de

 
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