Der Bad Kissinger Oberbürgermeister Dirk Vogel (SPD) erklärt in unserem Sommerinterview, mit welchen Projekten die Stadt trotz Gaskrise gut vorankommt, wo es hakt und warum das Energiesparen Grenzen hat. In einem Punkt warnt der Sozialdemokrat die Bundesregierung.
Dirk Vogel: Das kennen wir aus zurückliegenden Energiekrisen: Die wirtschaftliche Lage schlägt über die Inflation erst mal auf die Stimmung der Verbraucher. Die Gefahr ist groß, dass es so kommt. Ich glaube, wir müssen, wie schon bei Corona, schauen, dass wir die Stadt unter diesen Rahmenbedingungen auf allen Ebenen modernisieren und keine Ausflüchte suchen.
Vogel: Wenn man die Energiekrise und die Nachhaltigkeitsdiskussion ernst nimmt, dann muss Bad Kissingen touristisch davon profitieren, wenn zum Beispiel die Fernreisen teurer werden. Es gibt ein paar schöne Beispiele, wo Modernisierung geglückt ist: Cup Vitalis, Weinwerk oder Palais Erthal. Da spüre ich eine Kraft, authentisch und modernisiert im Markt zu bestehen.
Vogel: Der Reha-Bereich hat ja auch seine Herausforderungen. Aber da bleiben wir hoffentlich stabil. Im Gesundheitsbereich haben wir mit der berühmten ambulanten Badekur wieder einen Vorteil. Denn die darf nur in Kurorten verordnet werden. Eine ambulante Badekur bringt 21 Übernachtungen. Dies ist eine Chance, die Zahlen wieder nach oben zu bringen. Einen ersten Schritt haben wir gemacht, indem man beim Badearzt hier Online-Termine buchen kann. Nur weil wir im Reha-Bereich stark sind, dürfen wir aber nicht wieder andere Marktchancen liegenlassen.
Vogel: Wir haben im Haushalt 2022 ohne Straßenbeleuchtung 1,6 Millionen Euro veranschlagt. Aktuell erwarten wir 300.000 Euro Mehrkosten. Die werden, wie beim privaten Verbrauch, erst am Ende des Jahres abgerechnet.
Vogel: Nein, nachdem wir schon höhere Ansätze gebildet haben, können wir das im bestehenden Haushaltsrahmen auffangen.
Vogel: Wir haben schon gehandelt. Wir haben den Achteckbrunnen und den Spielbankbrunnen abgeschaltet, am Kurgartenbrunnen und dem Multimediabrunnen die Betriebszeiten reduziert und werden die übrigen 18 Brunnen nach und nach in den Wintermodus umstellen. Aber wir sollten nicht alles abwürgen. Deswegen werden wir den Betrieb der großen Brunnen, die auch eine große symbolische Bedeutung haben, reduzieren, aber nicht beenden. Wir haben eine gute Balance, wenn wir den Betrieb noch einmal kritisch hinterfragen und reduzieren. Wir wollen nicht den Anschein erwecken, das Bad Kissingen tot ist und komplett in eine Schockstarre fällt.
Vogel: Bei der Außenbeleuchtung haben wir ohnehin kein Luxuslevel, ich hatte in der Vergangenheit schon Beschwerden, dass die Stadt zu bestimmten Jahreszeiten zu dunkel ist. Wir gucken uns das noch mal an, aber man kann die Stadt nicht komplett verdunkeln. Es gibt auch Sicherheitsaspekte für Menschen, die morgens zur Arbeit gehen oder abends nach Hause wollen. Balance ist das Gebot der Stunde.
Vogel: Wir werden die Straßenbeleuchtung in Bad Kissingen komplett austauschen und 60 Prozent Strom sparen, bei mehr Effekt und weniger Lichtverschmutzung.
Vogel: Es sind die historischen Gebäude, von denen wir viele haben. Laut Energiesparverordnung sollen die Rathäuser nicht über 19 Grad aufgeheizt werden. Das ist bei uns technisch kaum möglich. Damit dort oben 19 Grad ankommen, muss es unten sehr warm sein. Auch an Regentenbau und Arkadenbau gibt es beim Sparen Grenzen, auch im Blick auf mögliche Gebäudeschäden. Die historische Bausubstanz ist in Bad Kissingen Teil unseres Charmes, aber eben auch der energetischen Herausforderungen.
Vogel: Ich hoffe nicht. Das hängt von den bundesweiten Versorgungsstufen und Engpässen ab. Wenn es zu einem Gasnotstand kommt, dann hätte es laut Bundesgesetzgeber auch Auswirkungen auf Thermen. Die Gasversorgung in Deutschland ist ja im Moment stabil. Die Versorgungssicherheit ist weiter gewährleistet, auch weil wir alle handeln. Wir tun ja auch im privaten Bereich viel dafür, weniger Energie zu verbrauchen. Die Bundesregierung arbeitet daran, Alternativen zu entwickeln. Die Gaslieferung aus Russland wird mittelfristig ersetzt werden. Da bin ich zuversichtlich. Sorge bereitet mir aber kurzfristig die Preisentwicklung für viele Menschen, die die Bundesregierung in den Griff bekommen muss, auch um Insolvenzen zu vermeiden. Ich bin immer noch schockiert, wie die vorherige Bundesregierung 2014 nach der Annektierung der Krim der Übernahme von Gasspeichern durch Gazprom zugestimmt hat. Hoffentlich lernen wir daraus, mehr in Risikozusammenhängen zu denken. Aber wir werden in zehn Jahren immer noch Erdgas haben. Es glaubt doch keiner, dass wir von heute auf morgen alles umstellen. Wir müssen Stück für Stück aus den Abhängigkeiten rauskommen.
Vogel: Ich glaube, dass wir einen holprigen Winter vor uns haben. Aber ich bin auch zuversichtlich, dass es bald wieder einigermaßen normal läuft. Man muss Zeit geben, damit die von der Bundesregierung getroffenen Maßnahmen wirken. Ich bin nicht in Dauerkrisenstimmung, ich sehe für die Stadt auch viele positive Entwicklungen.
Die da außerdem wären?
Vogel: Wir bauen Bad Kissingen für jeden sichtbar um. Die Verschönerung der Innenstadt, der Bau des Garitzer Kreisels, das Bürgerhaus Krone, die Kita Poppenroth, die neue Interimskita mit der Theresienspitalstiftung, die Erweiterung der Sinnberggrundschule oder die Erneuerung unserer Straßen. Allerorts sind unsere Projekte auf einem guten Weg, das wird unserer Stadt einen modernen Akzent geben. Ich sehe die Nachfrage im touristischen Bereich, was das Kurareal anbelangt. Ich sehe, wie die Restaurants abends voller Menschen sind und dass wir einen frischen Kissinger Sommer erlebt haben. Wir sollten uns mental hier in Bad Kissingen nicht komplett abhängig machen von der Weltlage.
Vogel: Ich bin froh, dass wir bei unseren Projekten gut vorwärts kommen, weil ich nicht weiß, wie die Zukunft aussieht. Mut zahlt sich aus. Auch wenn ich im Moment skeptisch bin, wenn neue Leistungsversprechen auf der Bundesebene gemacht werden. Als Kommunalpolitiker haben wir im Moment riesige Herausforderungen zu stemmen. Alleine schon die Ertüchtigung der Stromnetze, damit sie in der Lage sind, den notwendigen Ausbau erneuerbarer Energien zu bewältigen. Aber auch den Bau von Glasfasernetzen, die ökologische Umgestaltung der Innenstädte, der Ausbau von Kitas und Schulen. Und ein Hallenbad wollen wir ja auch wieder. Das geht alles nicht zum Nulltarif.
Vogel: Das weiß ich nicht, bin aber deswegen so kritisch, wenn ich nur "höher, weiter, mehr" höre. Unsere Straßen und Brücken haben alle eine Nutzungsdauer. Viele sind ja in den 1950er-Jahren gebaut worden. Zwischenzeitlich haben wir die Nutzungsdauer immer weiter nach hinten gedrängt. Aber das endet nun mal technisch irgendwann. Bei uns geht es unter anderem um die Südbrücke. Ich warne die Bundesregierung vor weiteren Leistungsversprechen vor dem Hintergrund des Investitionsstaus, wenn ich Bürgermeister den Bürgern ständig erklären muss, dass wir Selbstverständlichkeiten schieben und Gebühren erhöhen müssen, weil ich nicht das notwendige Geld zur Verfügung habe. Die Kommunen brauchen künftig eher mehr als weniger - oder wir diskutieren, was wegfällt oder reduziert werden muss. Das gehört dann zur Ehrlichkeit dazu.
Vogel: Tolles Beispiel! Vor kurzer Zeit war das die große Diskussion, heute interessiert es keinen mehr. Aber wir sind drangeblieben. Wir haben die Lüfter aktuell ausgeschrieben und werden mit einem technischen Berater passende Geräte auswählen und beschaffen. Ich denke nach wie vor, dass es angesichts der hohen Unsicherheit der Entwicklung der pandemischen Lage die richtige Entscheidung war.
atnerva, sonst alles gut?
Wollen wir zusammenlegen um auf den dreistelligen Millionenbetrag zu kommen…..
Eine Stadt finanziell zu unterstützen ist in der Regel nicht Sache der Bürger, die zahlen dafür bereits dementsprechend Steuern und wenn sie Glück haben wird damit auch im Sinne dieser gehaushaltet und gestaltet.
Daher bedurfte es auch nicht die etwas oberlehrerhafte Kommentarerwiederung.
Greenkeeper, was Sie da schreiben ist eine Auflistung von teilweise in den vergangenen Jahren begonnenen oder abgeschlossenen Maßnahmen.
Allerdings sind das doch eher Peanuts, und bildet nur dringend nötig gewordene Selbstverständlichkeiten ab, ist doch vermessen so zu tun , als ob Bad Kissingen verglichen mit anderen Städten innovativ und zügig voran kommt .
Gehen Sie mal mit offenen Augen durch die Innenstadt, es bröckelt nach wie vor buchstäblich an allen Ecken und Kanten, ein bisschen billige Möbilierung auf altem Untergrund reißt es nicht wirklich raus, ist aber besser als nichts.
Schlimm, dass bei der Sanierung der Straße vor dem ehemaligem Kurhausbad mal wieder Kissingens Lieblingswerkstoff zum Einsatz kam: TEER.
Wie wäre es mal mit was hellem, freundlichen??
Gleiches gilt für den Berliner Platz, der wirkt jetzt fast genauso finster wie vor der „Entsiegelung“.
Dass der Stillstand der letzten OBs, insbesondere des letzten OBs, nicht von heute auf morgen korrigiert werden kann ist doch selbstverständlich.
Oder können sie der Stadt einen dreistelligen Millionenbetrag spenden?
Ob bei vielen privat die Notwendigkeit zum Strom- und Gassparen angekommen ist wage ich zu bezweifeln. Viele (große) Häuser hier werden von einem, ab und an zwei SeniorInnen bewohnt. Manche stehen komplett leer. Alle diese Häuser werden geheizt, und das oft (mangels Kenntnissen) in viel zu hohem Ausmaß.
Zum Thema Lüfter für die Klassenzimmer würde ich mittlerweile vor allem für die Henneberg-Grundschule eher einen Satz warme Jacken und Decken von Seiten der Stadt empfehlen. In den Schulgebäuden zieht es an allen Ecken und Enden, da braucht es nun wirklich keine Lüfter mehr. Alternativ wäre auch ein Neubau gut
Wie wär es denn mal damit als Stadt selbst mal Ideen zu entwickeln EINNAHMEN zu generieren?
Das ewige Gejammer kennen wir schon vom letzten OB.
Nicht erzählen , was alles nicht geht, sondern ermöglichen sollte das Motto sein.
Wenn hier nicht ein paar finanzkräftige einheimische Investoren einige schöne Projekte realisiert hätten, wäre dieses Jahr seitens der Stadt doch wieder mal so gut wie gar nichts gelaufen….