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Würzburg
„Wir haben es verlernt, uns zu bewegen“
Plädiert für lebenslanges Bewegen: Billy Sperlich.
Foto: T. Obermeier | Plädiert für lebenslanges Bewegen: Billy Sperlich.
Susanne Schmitt
 |  aktualisiert: 27.04.2023 03:34 Uhr

Nur noch sechs Minuten Übungen am Tag – das klingt wie die Rettung für alle Menschen mit innerem Schweinehund. Kann so jeder trainieren oder ist HIIT nur für Leistungssportler gedacht?

Sperlich: Nein, einmalig sechs Minuten HIIT reicht nicht aus, um die Empfehlungen der WHO zu erreichen. Wenn es häufiger am Tag und in der Woche durchgeführt wird, vielleicht schon – das prüfen wir derzeit. Am Beispiel des sechs Minuten HIITs müssten zwölf oder 13 Einheiten pro Woche durchgeführt werden, also etwa ein bis zwei pro Tag. Eigene und andere Studien haben gezeigt, dass HIIT bei gesunden Personen, Schulkindern, übergewichtigen Frauen oder Krebspatienten eine positive Wirkung auf die körperliche Leistungsfähigkeit und das Wohlempfinden hat. Vorsicht ist aber bei Herz-Kreislauf-Patienten geboten.

Immer mehr Freizeitsportler prüfen ihre Leistung mit sogenannten Wearables, an Armbanduhren erinnernde Minicomputer. Was bringt das?

Sperlich: Erstmal wollen die Nutzer herausfinden, wie hoch ihre tägliche Aktivität oder der Energieverbrauch sind. Wenn die Messung nur über das Gerät am Handgelenk erfolgt, sind die Ergebnisse, je nach Hersteller, sehr schlecht bis okay. Die Technologie ist zwar vorhanden, die Daten sind aber nur so gut wie der Algorithmus dahinter. Stehe ich zum Beispiel auf zwei Füßen und bewege nur den Arm, muss das die Software erkennen können. Sie darf nicht einfach Schritte addieren, wenn nur mit den Armen gestikuliert wird. Bei der Herzfrequenzmessung am Handgelenk kann ich nur empfehlen, zur Probe noch einen Brustgurt anzulegen und die Werte zu vergleichen.

Führen Wearables wirklich zu mehr Bewegung?

Sperlich: Ja, das funktioniert tatsächlich. Nehmen Sie etwa Pokémon. Das war wohl das bisher prominenteste Beispiel einer Technologie, die eine Zielgruppe aktiviert hat, die sonst inaktiv ist: die Videogamespieler und die Fernseh-Sitzer. Sobald sie ein Motiv hatten und Pokémon jagten, sind sie bis zu einem Halbmarathon am Tag gelaufen.

Das motiviert aber nur kurzfristig. Wenn Pokémon wieder out ist . . .

Sperlich: Genau das ist das Problem, auch bei den handelsüblichen Wearables. Sie müssen ein dauerhaftes Ziel vorgeben und sich immer wieder neu an das Fitnesslevel und die Alltagssituation anpassen. Sonst hören die Nutzer nach sechs bis neun Monaten auf, die Geräte zu tragen.

Und was passiert mit den Daten? Sind die sicher oder muss ich fürchten, bei schlechter Leistung bald Diättipps und Werbung fürs Fitnessstudio geschickt zu bekommen?

Sperlich: Die Daten müssen sicher sein. Sicher im Sinne des Datenschutzes und sicher im Sinne der Verlässlichkeit. Zu beklagen ist aus meiner Sicht derzeit nicht nur die Datensicherheit, sondern der Umstand, dass ein Nutzer meist nicht an die eigenen Rohdaten kommt. Man erhält meist nur eine Interpretation. Zum Vergleich: Ein Arzt sagt Patienten auch nicht nur, das Blutbild ist in Ordnung, sondern man erhält auch alle Werte. Bei Wearables ist das bei manchen Herstellern nicht möglich. Die massenhaft gesammelten Daten sind Gold wert und lassen sich für Analysen oder Marketingstrategien nutzen. Sie ein Stück weit im Verborgenen zu halten, liegt sicher im Interesse der Hersteller.

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