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WÜRZBURG
Sprache beginnt bei der Geburt: Das Baby weint Chinesisch
Professorin Kathleen Wermke beim Abhören der Audiodateien.
Foto: Alice Natter | Professorin Kathleen Wermke beim Abhören der Audiodateien.
Alice Natter
 |  aktualisiert: 10.05.2023 10:45 Uhr

Babys haben Sprachmelodie verinnerlicht

In ihrem Babylabor an der Zahnklinik sucht Wermke Audiodateien von chinesischen Babys heraus, aufgenommen am vierten Lebenstag: „Hören Sie's? Phänomenal!“ Aus den kurzen Weinlauten hört man tatsächlich Tonhöhenvariationen heraus – Konturen wie im Mandarin. „Die Säuglinge haben die Sprachmelodie schon bei der Geburt verinnerlicht.“ Noch musikalischer, melodischer weinen die Babys im hoch gelegenen Grasland im Nordwesten Kameruns. Im vergangenen Jahr hat Wermke dort das Volk der Nso besucht, eine Psychologiestudentin vom Institut für kulturenvergleichende Entwicklungspsychologie in Osnabrück nahm weit über 1000 Babylaute auf.

Äh-äää-ääähh-wääää. Gerade einmal drei Tage alt, weint ein Neugeborenes der Nso eine regelrechte Melodie. Ein Singsang, wie die Tonsprache der Eltern. Mandarin mit seinen vier Grund-Tönen ist schon eine höchst komplexe Sprache – die Sprache des 280 000 Menschen großen Volkes in Kamerun ist es noch mehr: Lamnso kennt acht Töne, die teils noch zusätzlich in ihrer Kontur variieren. Und schon die Babys weinen höchst variabel: So ist bei den Kindern der Nso nicht nur der Abstand zwischen tiefstem und höchstem Ton deutlich größer als beim Baby mit deutschsprachiger Mutter.

 

Auch das kurzzeitige Auf und Ab von Tönen im Laut ist intensiver.

Wermke führt lächelnd noch ein paar Laute aus Peking vor: „Ein musikalisches Opus gigantischer Dimension.“ Für sie die Bestätigung ihrer Theorie: Spracherwerb beginnt mit der Geburt, Babys weinen in ihrer Muttersprache. „Natürlich bleibt unbestritten, dass Neugeborene dazu in der Lage sind, jede gesprochene Sprache der Welt zu erlernen, unabhängig davon, wie komplex sie ist.“

 
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